„Europa. Jetzt aber richtig!“, lautet das diesjährige Motto für den gewerkschaftlichen 1. Mai. Und es gibt vieles, was in Europa richtig, bzw. verändert und besser gemacht werden muss, gerade aus der Sicht von Arbeitnehmer*innen.

Dabei gibt es durchaus gute Beispiele dafür, dass und wie Europa „richtiger“, besser, sozialer und ökologischer gemacht werden kann. Die Europäischen Bürgerinitiativen gegen die Wasserprivatisierung und vor allem gegen TTIP haben gezeigt, was Gewerkschaften, im Bündnis mit anderen Organisationen, erreichen können. TTIP wurde gestoppt, CETA zumindest verbessert. Auf der europaparlamentarischen Ebene konnte mit der neuen Entsende-Richtlinie endlich durchgesetzt werden, dass Tariftreue bei öffentlichen Ausschreibungen wieder als Vergabekriterium erlaubt sein wird, nicht nur, aber auch ein großer GRÜNER Erfolg! 10 Jahre nach dem EUGH-Urteil, das Tarifverträge als Wettbewerbshemmnis eingestuft hat, hat eine Mehrheit der Europaabgeordneten klar gestellt, dass Tarifverträge kein Hemmnis, sondern die Grundlage eines fairen Wettbewerbs sind. Mit der Reform des Vergabegesetzes wird der Berliner Senat (hoffentlich) als erstes Bundesland dafür sorgen, diese europäische Vorlage für Gute Arbeit in Berliner Recht für die Beschäftigten zu verwandeln.

„Europa. Jetzt aber richtig!“                                                       

Das heißt, sich für ein soziales Europa stark zu machen und weder die Parlamente noch die Straße den Rechten überlassen! Derzeit versuchen rechte Parteien in ganz Europa den oftmals verständlichen Frust über europäische Politik ausnutzen, um ihre rassistische, autoritäre, gewerkschaftsfeindliche im wahrsten Sinne des Wortes asoziale Politik durchzusetzen. Was der neue Nationalismus anrichtet, sehen wir alle zurzeit in Großbritannien. „Dann geh doch rüber“, möchte man manchmal den Brexit-Fans von der AfD und anderen Vertretern der extremen Rechte zurufen, wenn sie mal wieder den Austritt Deutschlands aus der EU fordern. Die „Insellösung“ hilft natürlich nicht weiter, denn auch in Polen, Ungarn, Italien oder Österreich richten rechte Regierungen verheerenden Schaden an.

Unterschiede sichtbar machen:

„Der Schutz der Eigentümer hat überragende Bedeutung.“ (Roger Kehle, CDU)  „Nur ein soziales Europa ist ein starkes Europa“, ist auf einem GRÜNEN Plakat zu lesen. Nie war dieser Slogan wahrer als heute, doch was ist denn dieses soziale Europa? Beim sozialen Europa weiß man nie, wo man anfangen soll, deshalb bleibt es oft nebulös. Das soziale Europa muss greifbar werden, die Unterschiede müssen deutlich werden und sie müssen mit der aktuellen Lebenssituation der Menschen zu tun haben. So, wie es aktuell bei der Auseinandersetzung um bezahlbaren Wohnraum der Fall ist.Ging es lange „nur“ um die Frage, wie schneller und mehr gebaut werden kann, so geht es inzwischen um massive Eingriffe des Staates. „Bauen, bauen, bauen“ reicht nicht mehr, weil „Privatinvestoren Wohnungen (bauen), die wir gar nicht brauchen: Luxus- statt Sozialwohnungen. Baugenehmigungen werden inzwischen oft nur beantragt, um den Grundstückspreis in die Höhe zu treiben.“ (Prof. Sebastian Dullien, (IMK) in: DIE ZEIT, 21.03.2019). Die Wohnungsfrage wird zunehmend zu DER sozialen Frage, die sich nicht auf Sozialpolitik beschränkt, sondern neoliberale Dogmen (heiliges Privateigentum) erschüttert. Während in Deutschland wieder verstärkt über die Sozialverpflichtung des Privateigentum diskutiert wird, fordert die auch vom DGB unterstützte Europäische Bürgerinitiative „Housing for all“ (https://www.housingforall.eu/de/wohnen-muss-bezahlbar-sein-fuer-alle/) den Vorrang eines sozialen Grundrechts auf europäischer Ebene. Die Initiative vom DGB und vielen europäischen Gewerkschaften unterstützt.

Diese Europawahl wird – nicht nur in Deutschland – eine Richtungswahl über die Zukunft sozialer Grundrechte sein.

Gemeinsam für eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik ist nur einer ganz vielen guten Gründe, für eine bessere Politik in Europa zu streiten und kämpfen, am 1. Mai auf der Straße und am 26. Mai im Wahllokal.

 

Heiko Glawe, DGB Berlin für den Stachel Mai 2019