Moderne Protestformen zwischen Technikspeed und Originalitätszwang

„Telefonieren Sie morgen mit! Bis dahin haben wir für Sie die Telefonnummern der Politiker/innen, Vorschläge für Fragen sowie eine kurze inhaltliche Argumentationshilfe zusammengestellt. Alle Infos finden Sie morgen ab 9.00 Uhr hier“, es folgt ein aktiver Link auf ein Website.

Wahrscheinlich erhalten viele Menschen im grünen Umfeld seit einiger Zeit solche und ähnliche Emails. Sei es wie diese von campact, oder über andere Netzwerkverteiler wie attac, oder carrotmob, in die sie sich mal tatsächlich eingetragen haben, oder in denen ihre Freunde aktiv sind. Neben die traditionellen Protestformen wie Streik, Demonstration, Unterschriftensammlung und Besetzungen, bei denen man sich als ganze Person einbringen musste, sind neue immatrielle, schnellere und anonymere Protestformen getreten. Protest heute ist zum Teil in seiner Ausführung wesentlich kreativer und spektakulärer, denn die Vorläufer aus vergangenen Jahrzehnten, und genauso professionell konzipiert und durchgeführt wie kommerzielle Roadshows durch die besten Werbeagenturen des Landes. Man denke nur an die Walaktion von Greenpeace oder die bundesweite Endlagersuche von Campact. Was zählt, ist die Medienwirksamkeit. Und die ist durch Masse allein scheinbar nur noch im fünfstelligen Bereich oder eben durch „schöne Bilder“ zu mobilisieren. „Der entscheidende Faktor ist immer wieder, dass kreative Wege gefunden werden müssen, um Öffentlichkeit herzustellen.“ betont ein privater Stifter, der bezeichnender Weise nur anonym zitiert werden will, der Bewegungsstiftung. Diese finanziert soziale Protestbewegungen in Deutschland.

Auffällig ist bei vielen der heute zu beobachtenden Protestformen wie flash mob, carrot mob oder selbst die biedere Internetpetition ihre organisatorische Schnelligkeit, ihre web 2.0 Gebundenheit und damit oft einhergehende internationale Vernetztheit und natürlich die Kreativität der Aktionsgestaltung. Dass letztlich oft bedeutend weniger Menschen im öffentlichen Raum agieren, als bei den alten „Latschdemos“ ist dann offenbar nicht länger relevant. Das ist sogar ein Vorteil, denn wenn Medienpräsenz das Maß der Dinge ist, dann kann diese zuverlässiger und schneller also rationeller organisiert werden als tatsächliche Menschen zu mobilisieren, an einem bestimmten Tag und Ort auf die Straße zu gehen und persönlich Farbe zu bekennen. Welche Auswirkung haben diese neuen rationelleren, witzigeren und für den „Klick“-Protestanten im Netz bequemeren Protestformen auf dessen politisches Engagement? Wird er / sie zum oberflächlichen „Demozapper“, immer auf der Suche nach dem hippsten Demotainment, oder werden sie zu rasanten Demosurfern, die souverän in mehreren Bewegungen gleichzeitig oben auf der Welle stehen, und so ihre demokratische Macht potenzieren? Hoffen wir Letzteres.

Barbara Fischer