Nach heftigem Streit hat Friedrichshain-Kreuzberg einen Bezirkshaushalt. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hatte es noch im vergangenen Jahr abgelehnt, den Ursprungsentwurf zu verabschieden. Im April wurde der neue Doppelhaushalt 2008/2009 mit einer breiten Mehrheit und den Stimmen der Grünen beschlossen

Diesmal war alles anders. Normalerweise hält sich das öffentliche Interesse an den Haushaltsberatungen in Berlins Bezirken arg in Grenzen. Neben einer ohnehin trockenen Materie macht selbst geneigten Beobachtern der Umstand zu schaffen, dass zwischenzeitlich nur noch wenige ausgewiesene ExpertInnen das komplizierte Finanzgeflecht zwischen dem Land Berlin und seinen Bezirken nachvollziehen können. Im zweiten Halbjahr 2007 war die Situation eine andere: In allen Bezirken und Parteien, diesmal sogar auf Landesebene, und nicht zuletzt in der Berliner Presse wurde heftig darüber gestritten, ob die Bezirke ihre Aufgaben mit den zugewiesenen Finanzmitteln überhaupt noch erfüllen können. In dieser Debatte stand anfangs Aussage gegen Aussage. Angesichts immer weiterer Kürzungen warnten die KommunalpolitikerInnen vor dem finanziellen Kollaps der Bezirke. Dagegen erklärte der SPD-Finanzsenator Sarrazin in der ihm eigenen unnachahmlichen Art noch im Herbst 2007: „Die Bezirke schwimmen im Geld.“ Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg entschloss sich letztlich die grüne Fraktion zu einem ungewöhnlichem Schritt: Zusammen mit den Stimmen der Linksfraktion lehnte eine Mehrheit der BVV im September den Haushaltsentwurf ab.

Protest…

Wir Grüne wollten nicht die Verantwortung dafür übernehmen, den vom rot-roten Senat auferlegten Kürzungszwang zu Lasten der Friedrichshain-KreuzbergerInnen umzusetzen. Unser Bezirk sollte nach ersten Plänen aus Sarrazins Finanzverwaltung für 2008 17 Millionen Euro weniger bekommen, als er noch 2006 benötigte. Angesichts dieser Haushaltslücke wäre die „Liste der Grausamkeiten“ lang gewesen: Schließung von Jugendeinrichtungen und Bibliotheken, Kürzungen bei der Obdachlosenhilfe, noch weniger Geld für die ohnehin unterfinanzierte Grünflächenpflege, Zurückstellung von dringend benötigten Investitionen in marode Schulgebäude und anderes mehr. Lediglich die SPD-Fraktion stimmte in der BVV für den ursprünglichen Haushaltsentwurf. Ihr Tenor: Es ist alles schlimm, aber nicht zu ändern.

…mit Wirkung

Die SPD irrte. Auch in den anderen Bezirken regte sich der Widerstand gegen die rot-rote Kürzungspolitik. Bei einer Tagung der BezirksbürgermeisterInnen und StadträtInnen wurden die größten Probleme zusammengetragen: Immer mehr neue kommunale Aufgaben wie die Kontrolle der Umweltzone und beim Jugendschutz, aber immer weniger Personal. Immer geringere Mittel für bürgernahe Dienstleistungen und gesetzliche Aufgaben. Immer weniger Transparenz im Haushalt durch willkürliches Hineinregieren der Senatsverwaltung in die bezirklichen Finanzen. Nun nahm sich auch der zuständige Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses der Sache der Bezirke an. Quer durch die Parteien wurde auf die schwierige Haushaltslage der Bezirke hingewiesen und zugesagt, eine Neuordnung des bisherigen Finanzierungssystems anzustrengen. Auf so viel öffentlichem und politischem Druck reagierte letztlich auch die Senatsfinanzverwaltung: 15 Millionen Euro zusätzlich für alle Berliner Bezirke, neue Stellen im Ordnungsamt und mehr Geld für den Jugendschutz.

Der neue Haushalt

Alles super? Natürlich nicht. Die Finanznot der Berliner Bezirke wurde nicht behoben sondern lediglich gelindert. Die grundsätzliche Debatte über eine Reform des Zuweisungssystems zwischen Land und Bezirken wurde auf das zweite Halbjahr 2008 vertagt. Dennoch konnte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg der BVV einen neuen, nunmehr ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Er fand breite Zustimmung. Für die grüne Fraktion ergibt sich ein doppeltes Fazit: Der Kampf hat sich – auch finanziell – für den Bezirk und seine BewohnerInnen gelohnt. Aber er geht weiter. Denn nach dem Haushalt 2008/2009 ist zugleich vor dem Haushalt 2010/2011.

Daniel Wesener

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