Anwohner*innen-Diskussion im Crack Bellmer auf dem RAW-Gelände am 6. Juni 2018. Podiumsgäste von links nach rechts: Monika Herrmann (Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg), Prof. Ilse Helbrecht (HU Berlin), Thoralf Barth (Bizim Kiez), Katrin Schmidberger (Moderatorin des Abends und Sprecherin für Tourismus sowie für Wohnen und Mieten der Grünen Abgeordnetenhaus-Fraktion) und Burkhard Kieker (Geschäftsführer von visitBerlin), Ramona Pop (Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe)

Ende Januar hat der Senat unter grüner Federführung ein neues Tourismuskonzept für Berlin vorgelegt. Statt weiter den nächsten Besucher*innenrekorden hinterher zu rennen, ist das Ziel ist ein stadtverträglicher und nachhaltiger Tourismus, der die Bezirke nicht länger mit den Folgen des Massentourismus alleine lässt.

Die Entwicklung der letzten Jahre im Bereich des Städtetourismus stellen Berlin und insbesondere die innerstädtischen Kieze vor neue Herausforderungen und Probleme. Viel zu lange wurden diese Entwicklungen ignoriert und stattdessen auf immer neue Besucherrekorde gesetzt. Das zu ändern, ist das erklärte Ziel des neuen Tourismuskonzepts, dass die grüne Wirtschaftssenatorin Ramona Pop unter dem Arbeitstitel „12x Berlin|er|leben“ vorgelegt hat. Leitgedanke ist die konsequente Neuausrichtung der bisherigen Tourismuspolitik und des Tourismus-Marketings am Ziel eines stadtverträglichen und nachhaltigen Tourismus, für das wir Grünen seit Jahren gekämpft haben.

Kieze erhalten
Gleichzeitig geht es darum, einen übergreifenden Ansatz zu entwickeln und Tourismus zukünftig als Querschnittsaufgabe zu behandeln. Auch ein entsprechender Parlamentsantrag wurde dazu gemeinsam mit den Koalitionspartner*innen im Oktober letzten Jahres dazu verabschiedet. Das neue Tourismuskonzept nennt hierfür Leitlinien und Handlungsaufgaben. Zukünftig soll die Qualität im Fokus des Berlin-Tourismus stehen. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sollen ökologische, soziale und ökonomische Aspekte zusammen gedacht werden. Um den Tourismus in diesem Sinne gestalten zu können, wird erstmals ein umfassendes Tourismus-Monitoring eingeführt. Auch soll es zukünftig eine kiez-basierte Tourismussteuerung geben, die räumlich differenzierte Bedarfe innerhalb der Stadt erfasst und darauf aufbauend neue Mechanismen der Tourismussteuerung entwickelt. Denn klar ist: Eine stadtverträgliche Tourismusentwicklung erfordert eine Erfassung, Entzerrung und Lenkung von Besucherströmen. Das gelingt nur, wenn die individuellen Situationen der Bezirke und Kieze mitgedacht werden. Die Vielfalt in den Kiezen zu erhalten und für einen Interessensausgleich zwischen den Anwohner*innen, Gewerbetreibenden und Besucher*innen zu sorgen, muss oberste Priorität bekommen. Ein wichtiges Ziel ist daher auch, dass mit den Maßnahmen zur Tourismusförderung immer auch die Lebensqualität der Berliner*innen erhöht wird. Erste im Tourismuskonzept genannte Maßnahmen sind bereits auf dem Weg. So werden z.B. Parks mit hoher touristischer Nutzung zukünftig durch die BSR gereinigt. Auch ein neues Toilettenkonzept ist in Bearbeitung. Neue Toilettenstandorte werden zukünftig auch an touristischen Hotspots ausgerichtet.
Klare Regeln für die Unterbringung
Ein Punkt, für den wir Grünen uns besonders stark gemacht haben, ist die Einführung eines Bürger*innenbeirats. Dieser soll eine kontinuierliche Beteiligung der Berliner*innen ermöglichen. Er kann ebenso dabei helfen, Probleme frühzeitig zu thematisieren und Nutzungskonflikte zu entschärfen sowie gemeinsam kooperative und stadtverträgliche Lösungen für bestehende Probleme in den Kiezen zu finden. Auch die Themen Umwelt und Verkehr spielen eine wichtige Rolle. Hier wird klar auf den ÖPNV gesetzt und der Reisebusverkehr soll besser gesteuert werden. Die Hop-On-Hop-Off-Busse sollen möglichst schnell durch elektrisch betriebene Modelle ersetzt und Ausflugsdampfer endlich mit Dieselrußfiltern umgerüstet werden. Der Fahrradtourismus soll mit durchgehenden Routen und entsprechender Infrastruktur ebenso ausgebaut werden. Vorgeschlagen wird ebenso eine strategische Planung der Hotelentwicklung in Berlin. Die bisher unkoordinierte Ansiedlung neuer Beherbergungsbetriebe soll somit endlich stadt- und kiezverträglich gesteuert werden – auch wenn es in manchen Kiezen zu spät kommt. Hier steht jetzt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in der Pflicht, entsprechende Schritte einzuleiten. Was die meist illegale Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnung angeht, so haben wir aus dem Abgeordnetenhaus heraus jüngst eine Verschärfung des Zweckentfremdungsverbots-Gesetzes beschlossen. Auch zukünftig braucht es eine Genehmigung durch die Bezirksämter, die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgeschlagene 60-Tages-Regel für eine genehmigungsfreie Vermietung ist damit vom Tisch. Jedoch stößt leider auch dieses Gesetz auf Grenzen, weil durch die Konstruktion der Mietpreisbremse das monatsweise Vermieten zu absoluten Mond-Mietpreisen von „teil- bzw. möblierten Appartments“ nicht untersagt werden kann.
Senatsverwaltung in der Pflicht
Das Tourismuskonzept wurde jüngst durch den Rat der Bürgermeister*innen bestätigt – nun gilt es mit der Umsetzung zu beginnen. Das neue Tourismuskonzept für Berlin kann hier heruntergeladen werden: http://gruenlink.de/1fho
Stachelartikel aus der Ausgabe Mai 1/2018
Autor*innen: Katrin Schmidberger, Mitglied des Abgeordnetenhauses und Julian Schwarze, Bezirksverordneter
Titelbild: © GrüneXhain, Tizia Labahn