Die Ärztin Dr. Jessica Groß und das Büro für medizinische Flüchtlingshilfe (Medibüro) haben den taz Panter Publikums-Preis gewonnen. Das Büro in Kreuzberg vermittelt Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus und damit Krankenversicherung an Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind sie kostenlos und anonym zu behandeln. Unterstützung können die Preisträger weiterhin gebrauchen

Stachel: Jessica, erst einmal herzlichen Glückwunsch zum taz-Pantherpreis. Inwieweit ist er wichtig für Eure Arbeit?

Jessica Groß: Das ist eine schöne Anerkennung, die aber auch mehr Arbeit bedeutet, weil wir nun mehr Interviews geben müssen. Aber genau das ist ja auch wichtig: Dadurch bekommen wir auch mehr Angebote von Kolleginnen und Kollegen, die uns unterstützen wollen.

Welche Art von Hilfe könnt Ihr besonders gebrauchen?

Wir suchen weiterhin Arztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen, die bereit sind Menschen kostenlos zu behandeln.

Was müssen Interessierte beachten?

Wir führen mit Ärztinnen und Ärzten, die mit uns zusammenzuarbeiten wollen, Einführungsgespräche, in denen die Details der Zusammenarbeit besprochen werden. Ansonsten muss nichts Besonderes beachtet werden. Manche befürchten sie würden sich strafbar machen, dass ist nicht der Fall.

Wie viele Menschen profitieren schon jetzt durch Eure Arbeit?

Wir vermitteln im Jahr etwa 1000 Patientinnen und Patienten. Diese Zahl ist über die vergangenen Jahre in etwa gleich geblieben. Wir sind aber auch nicht die einzige Einrichtung in Berlin. Aber weder unsere Zahlen, noch die der anderen spiegeln die Gesamtheit des Problems wieder. Manche der betroffenen bezahlen auch privat Ärzte oder ihnen kann durch Fachkräfte aus der migrantischen Community geholfen werden. Viele andere wissen einfach nicht von Hilfsangeboten.

Eure Initiative ist seit 13 Jahren aktiv. Wie hat sich Eure Arbeit über die Jahre verändert?

Durch die EU-Osterweiterung sind mehr Menschen zu uns gekommen, die nicht rein über den Aufenthaltsstatus illegalisiert sind, sondern EU-Bürger, die hier offiziell nicht arbeiten dürfen und dann hier oft nicht krankenversichert sind.

Wofür werdet Ihr das Preisgeld verwenden?

Das Geld geht auf unser Spendenkonto. Damit bezahlen wir zum Beispiel Medikamente oder Operationen, die wir nicht mit freiwilliger, kostenloser Arbeit regeln können. Aber so weit kommen wir mit den 5000 Euro auch nicht. Außerdem machen wir natürlich politische Arbeit, um auf die Situation der betroffenen Menschen hinzuweisen und natürlich auch hoffentlich bald grundlebend zu verbessern. Völlig klar ist jedenfalls, dass unsere Arbeit als eine Art Parallelversorgung aus medizinischer und menschenrechtlicher Sicht keine dauerhafte Lösung sein kann. Es kann ja nicht sein, dass die Einlösung eines Menschenrechts nur auf den Rücken von Arztinnen und Ärzten stattfindet, die kostenlos arbeiten.

Was muss sich daher politisch verändern?

Es müsste einfach nur möglich sein, Menschen ohne Aufenthaltsstatus in die reguläre Gesundheitsversorgung zu integrieren. Dazu müsst unserer Meinung nach der Paragraf 87 des Aufenthaltsgesetzes abgeschafft werden, der Sozialämter verpflichtet, Daten an die Ausländerbehörden weiter zu geben. Unfair ist natürlich auch die reduzierte medizinische Versorgung für alle, die bei uns Schutz vor Verfolgung in Form von Asyl suchen. Die müsste auch in die reguläre medizinische Versorgung nach gesetzlicher Krankenversicherung überführt werden.

Interview: Christian Honnens

Weitere Infos über Angebote, Unterstützungsmöglichkeiten und Spendenkonto des Büros für medizinische Flüchtlingshilfe unter: www.medibuero.de