Liebe Anwohnerinnen und Anwohner,
sehr geehrte Damen und Herren,
als ich am 14. August die Einladungen zu unserer Informationsveranstaltung in die Briefkästen des Hauses Gröbenufer 3 steckte, sah ich im Hausflur einen Aushang, in dem behauptet wird, der Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg zur Umbenennung des Gröbenufers in May-Ayim-Ufer sei durch „Lug und Betrug“ der Grünen zustande gekommen. Zur Begründung dieses Vorwurfes wird Bezug genommen auf den Zeitungsartikel „Gröblicher Rufmord an von der Gröben“ von Ulrich van der Heyden, der im Neuen Deutschland am 13.06.2009 erschienen ist (ND-Artikel).
Mit Bezug auf den ND-Artikel wird behauptet, die Grünen hätten einen „anerkannten Historiker und Experten“, der als Referent für eine Anhörung des Kulturausschusses eingeladen war, wieder ausgeladen, als deutlich geworden sei, dass er „historisch belegte Erkenntnisse vorgetragen hätte, nämlich dass von der Gröben kein Sklavenhändler, kein „Gerneralgouverneur“ und kein „Kolonial-Verbrecher“ war“. Statt dessen hätten die Grünen jemanden eingeladen, „der vorher noch nie an dieser Materie gearbeitet hatte.“ Dabei seien „nachweislich historische Fakten über von der Gröben falsch dargestellt“ worden. Insgesamt werden diese Punkte als Argumente gegen eine Umbenennung angeführt.
Dazu möchte ich folgendes klarstellen: Wenn Sie den Artikel von Herrn van der Heyden genau lesen, werden Sie feststellen, dass er sich in der Sache nicht gegen eine Umbenennung des Gröbenufers ausspricht. Ganz im Gegenteil ist auch er – wie die Mehrheit der BVV-Verordneten – der Meinung, „nach dem Begründer der ersten deutschen „Kolonie“ (…) muss in Berlin wahrlich keine Straße heißen.“ (zit. aus ND-Artikel). Auch die politische Intention des grünen Antrages auf Umbenennung teilt Herr van der Heyden, wenn er in seinem Artikel schreibt: „Die Umbenennung des Gröbenufers als symbolischer Akt zur Distanzierung von Kolonialismus und Sklavenhandel, an denen Deutsche ihren nicht unbedeutenden Anteil haben, sei nicht beanstandet!“
Er ist auch der Meinung, mit der zweifelsfreien Klärung, dass das Gröbenufer nach Otto Friedrich von der Gröben benannt ist – die sich im Übrigen ein von den Grünen beauftragten Gutachten verdankt -, seien „eigentlich alle Voraussetzungen vorhanden, um den von einigen Berliner Kolonialhistorikern seit mehr als zwei Jahrzehnten geforderten kolonialen Erinnerungsort zu schaffen. Und zwar, indem eine Straßenbezeichnung von einem Kolonialvertreter in einen zumindest antikoloniale Assoziationen hervorrufenden Namen geändert wird.“ Genau das wird durch den BVV-Beschluss realisiert, indem May Ayim die neue Namensgeberin sein wird. Gegen die neue Namensgeberin ist auch nach Ulrich van der Heyden nichts einzuwenden. Darüber hinaus haben wir Grüne den Antrag gestellt, die Gründe für die Umbenennung auf einer Informationstafel in der Uferstraße zu dokumentieren und somit im öffentlichen Raum einen Ansatzpunkt zur Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte zu bieten.
In den zentralen politischen Punkten stimmt Herr van der Heyden mit der Position der Grünen und der Mehrheit der BVV also überein. Worüber regt er sich dann auf?
Bei der Anhörung im Kulturausschuss sei Geschichte im Detail angeblich unzutreffend wiedergegeben worden – insbesondere bei der Frage, ob Otto von der Gröben persönlich ein „Sklavenhändler“ gewesen war oder nicht. Nach Meinung von Herrn van der Heyden kam es zu der angeblich unzutreffenden Wiedergabe von Geschichte, weil „der wohl informierteste Fachmann für diese Fragen (…) zuvor schriftlich ausgeladen worden“ war. Statt dessen habe in der Anhörung des Kulturausschusses ein Historiker referiert, der angeblich „bislang zur Thematik nicht gearbeitet hatte“ (zit. aus ND-Artikel).
Dazu ist folgendes zu sagen:
1. Wenn Herr van der Heyden in seinem ND-Artikel beklagt, dass der „wohl informierteste Fachmann für diese Fragen“ wieder „ausgeladen“ worden sei, dann sollte der interessierte Leser/die interessierte Leserin wissen, dass der Autor des ND-Artikels sich selbst meint, Ulrich van der Heyden hier also in eigener Sache schreibt ohne dies deutlich zu machen.
Der Hintergrund dazu ist folgender: Herr van der Heyden wurde von mir persönlich angefragt, ob er als Experten in der Anhörung des Kulturausschusses der BVV-Friedrichshain-Kreuzberg zu Otto von der Gröben und die zeitgeschichtliche Einordnung der Uferbenennung sprechen könnte. Mich hat allerdings zunehmend irritiert, dass er mich mehrfach warnend auf einen Eklat hinwies, zu dem es im Zuge seiner Ausführungen im Jahr 2004 bei einer BVV-Anhörung im Bezirk Mitte zur Umbenennung der Mohrenstraße gekommen war. Man habe ihm vorgeworfen, rassistische Positionen zu vertreten, was zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung geführt hat.
Sehr geehrter Anwohnerinnen und Anwohner, in solch einem Falle habe ich als Vorsitzende des Kulturausschusses die Pflicht, Schaden vom Kulturausschuss fernzuhalten, d.h. dafür Sorge zu tragen, dass der Ausschuss nicht in Streitigkeiten hineingezogen wird, mit denen er nichts zu tun hat und die öffentliche Anhörung nicht als Forum mißbraucht wird, um Streitigkeiten auszutragen, die dort nicht hingehören. Und deshalb bat ich Herrn van der Heyden, von seiner Teilnahme abzusehen. Dass er darüber verärgert ist, kann ich noch nachvollziehen. Nicht das geringste Verständnis habe ich jedoch dafür, dass in diesem Zusammenhang der Historiker, der dann bei unserer Anhörung über Otto von der Gröben referierte presseöffentlich diskreditiert wird.
2. Was den „Sklavenhändler“ angeht, so bitte ich zu beachten, dass die Flotte, mit der Otto von der Gröben 1683 im kurfüstlichen Auftrage nach Afrika fuhr, die schriftlich belegte Anweisung hatte, auch Sklaven zu erhandeln. Das ist unter HistorikerInnen unbestritten. Dass das eine der beiden Schiff mit hunderten versklavten afrikanischen Menschen an Bord in Richtung Amerika aufgebrochen ist, ist unter HistorikerInnen ebenfalls unstrittig. Dass Otto von der Gröben mit der Begründung der Festung Großfriedrichsburg „die materielle Voraussetzungen für den menschenverachtenden transatlantischen Sklavenhandel mit schuf,“ (zit. aus ND-Artikel) konstatiert auch Ulrich van der Heyden.
Nicht belegt ist allerdings, ob Otto von der Gröben, der nachweislich die kurfürstliche Erlaubnis hatte, für seinen persönlichen Gebrauch „nicht mehr als 5-6 Sklaven herauszubringen“, nun tatsächlich auch Sklaven mit zurück nach Brandenburg brachte oder nicht. In der Anhörung des Kulturaussschusses wurde die Vermutung geäußert, dass dies der Fall gewesen sein könnte. Und darüber entspann sich dann eine Kontroverse zwischen Ulrich van der Heyden, der als Zuhörer am Kulturausschuss teilnahm, und dem referierenden Historiker. Wie interessant diese Detailfrage für Historiker auch immer sein mag – ihre Beantwortung ist für die Umbenennung nicht wirklich ausschlaggebend.
3. Was den „Generalgouverneur“ angeht, handelt es sich in der Tat um einen Schreibfehler an einer Stelle in einer grünen Presseerklärung. Es hätte – wie an anderen Stellen auch richtig vermerkt wurde – „Kolonial-Gouverneur“ statt „General-Gouverneur heißen müssen.
Im Ergebnis läßt sich sagen: Auch Ulrich van der Heyden stimmt mit uns überein, dass in Berlin keine Straße nach einem Kolonialpionier heißen sollte. Und wir sind mit ihm der Meinung, dass es in Sachen Aufklärung über die deutsche Kolonialgeschichte in Berlin noch viel zu tun gibt. Mit der Umbenennung und einer Informationstafel am Ufer wollen wir einen Ansatzpunkt für solch eine Auseinandersetzung schaffen. Packen wir es also an – lassen Sie uns in Kreuzberg mit der Umbenennung des Gröbenufers in May-Ayim-Ufer einen öffentlichen Informationsort schaffen, die Perspektive der Erinnerung umkehren und ein Zeichen gegen Kolonialismus und Rassismus setzen.
Über Ihre Unterstützung würden wir uns freuen.