Artikel von Dirk Behrendt in den Stachligen Argumenten

Bereits Mitte der 90´er Jahre wurde in der Bundesrepublik breit über die Ziele und Gefahren der Scientology-Organisation diskutiert. Diese Diskussion ist in Berlin mit der Eröffnung der Berlin-Repräsentanz in der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee wieder aufgeflammt. Nach intensivem CDU-Trommeln wird Scientology nun auch in Berlin wieder vom Verfassungsschutz überwacht. Wie ist mit solchen Lebenshilfe- und Psychosekten aus bürgerrechtlicher Sicht umzugehen? Scientology ist eine unangenehme, gegenüber Einzelnen gefährliche Organisation. Inhaltlich lässt die Ideologie stark die Vergangenheit des Gründers Hubbard als Science-Fiction Autor erkennen. Eine Besonderheit von Scientology liegt darin, dass es sich nicht um eine Weltfluchtorganisation handelt. Vielmehr bejaht Scientology im Gegensatz zu anderen Psychogruppen das Wertesystem der kapitalistischen Gesellschaft und verspricht lediglich besonders effektive Wege, sich gegen andere auf dem Weg nach oben durchzusetzen. Praktisch geht es in erster Linie um die Freiheit des Individuums, seine Ellenbogen gezielt und bedenkenlos einzusetzen, um bei maximaler Ausnutzung aller legalen Möglichkeiten Geld zu scheffeln. Nicht zu bezweifeln ist, dass Scientology im Umgang mit Gegnerinnen und Gegnern und vor allem ehemaligen Mitgliedern wenig zimperlich ist. So soll es zu Verfolgungen am Telefon und regelrechtem Psychoterror kommen. Dieser Drangsal sowie der Verbreitung totalitärer Menschenbilder durch Scientology ist aus bürgerrechtlicher Sicht entschieden entgegen zu treten. Der Verfassungsschutz ist jedoch wenig geeignet, den vorhandenen Gefahren zu begegnen. Die Belästigungen und Gefahren durch das Ansprechen von Passanten an Infoständen, insbesondere von Jugendliche und Kindern, kann der Verfassungsschutz auch mit einer größeren Anzahl von Spitzeln kaum verhindern. Außerdem ist diese Aktionsform vor allem aus Hamburg und München gut bekannt, also nichts Neues. Die Gefahren durch überteuerte und unsinnige Psychokurse kann der Verfassungsschutz ebenso wenig abwenden. Es stellt sich viel eher die Frage, weshalb Menschen diese Kurse besuchen, obwohl deren (Nicht-)Wirkungen bekannt sind. Bleiben eventuelle Gefahren durch eine Unterwanderung des Staates. Voraussetzungen für eine Überwachungdurch den Verfassungsschutz sind schließlich Bestrebungen, die auf die Beseitigung wesentlicher Verfassungsgrundsätze abzielen. Für den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel – also Spitzel -, die die Bestrebungen die Anwendung von Gewalt billigen oder sich in kämpferischer, aggressiver Weise bestätigen. Ausreichend sind mithin nicht größenwahnsinnige Weltherrschaftsideen, sondern konkrete Aktivitäten zu ihrer Umsetzung. So etwas hat die mehrjährige Überwachung in Berlin gerade nicht ergeben. Wie Renate Künast bereits 1996 zutreffend voraussagte, hat das Berliner Verwaltungsgericht 2001 vielmehr entschieden, dass eine Überwachung mangels konkreter Anhalte für das Vorliegen der Voraussetzungen unzulässig sei. Der Verfassungsschutz habe zudem nicht die Aufgabe, einzelne Bürger vor einer Benachteiligung oder Übervorteilung durch andere Bürger zu schützen. Eine Überwachung durch den Verfassungsschutz ist neben den rechtlichen Problemen auch unsinnig, denn Scientology gehört zu den am besten bekannten Anbietern am Lebenshilfe- und Psychosektenmarkt. So ist seit vielen Jahren gut bekannt, wie die Organisation agiert, welches ihre Schwerpunkte sind und welche Methoden zum Anhängerfang eingesetzt werden.

Aufklärung statt Überwachung

Auch ein liberaler Rechtsstaat muss hingegen den Auswirkungen von Scientology begegnen. So ist der richtige Weg in einer freien Gesellschaft die sachliche Aufklärung über die Gefahren in der Öffentlichkeit. Hierbei ist Maß zu halten, denn die beste Propaganda für Sekten ist jegliche Form von Hysterie. Der Erfolg solcher Aufklärung ist kein frommer Wunschtraum, sondern war bereits beim Zurückdrängen von Scientology aus dem Umwandlungsgeschäft in den 90´er Jahren in Berlin erfolgreich. Hier hat der Berliner Mieterverein der Organisation durch eine breite Aufklärung das Geschäft vermiest, so dass sie sich weitgehend zurückzog. Zur Verbesserung der Aufklärung müssen die Bemühungen der Senatsverwaltung für Jugend fortgesetzt und aktualisiert werden. Die Broschüre „Alles Sekte – oder was?“ wurde zuletzt 2002 aufgelegt und ist didaktisch stark verbesserungsfähig. Auch ist die Aufklärung in Schulen immer wieder zu aktualisieren, insbesondere im Umfeld von verstärkten Werbeaktivitäten. Sodann sind beim Umgang mit Daten durch die Organisation Datenschutzaspekte stärker zu beachten, insbesondere bei Aussteigern. Hierauf hat der Berliner Datenschutzbeauftragte Dix vor kurzem besonders aufmerksam gemacht. Schließlich ist intensiv zu erwägen, Verbraucherschutzrechte zu stärken (beispielsweise durch eine Änderung des Wucherparagraphen des BGB). Besonderes Augenmerk ist – wie zuletzt in Berlin breiter diskutiert – auf eine verstärkte Hilfestellung für Aussteiger zu richten. Hierfür sind Polizei und Staatsanwaltschaft stärker zu sensibilisieren. Schließlich ist es strafrechtlich relevant, wenn die Organisation Aussteigewillige mit Drohungen und Nachstellungen zum Verbleib nötigen möchte. Zum anderen müssen bedarfsgerecht sichere Unterkunft und die Vermittlung von praktischer Lebenshilfe angeboten werden, haben Mitglieder von Scientology doch häufig sämtliche sozialen Kontakte außerhalb der Organisation abgebrochen. Nicht zuletzt ist bei der Zulassung von Werbeständen und sonstiger Werbung im öffentlichen Raum Zurückhaltung zu üben. Die Möglichkeiten des Berliner Straßengesetzes zur Einschränkung von übermäßigen Belästigungen und reiner Verkaufswerbung sind hierbei zu nutzen. Riesige Werbestände wie zu Zeit der Fußballweltmeisterschaft am Hauptbahnhof sind ein Ärgernis. Hinzu kommen die bereits bestehenden Ausschreibungsregelungen, wonach eine Mitgliedschaft bei Scientology zu offenbaren ist. Wird die Aufklärung in dieser Richtung intensiviert und effektiviert wird es zweifelsohne gelingen, zivilgesellschaftlich gegenüber einer Organisation, die – gelinde gesagt – für teuer Geld Schwachsinn verbreitet, die Oberhand zu behalten. Entscheidend ist dabei, den Schwachen- wie Jugendliche oder Menschen in psychischen Krisensituationen – die notwendige Hilfe anzubieten. Daneben ist und bleibt die stärkste Waffe in einer Demokratie die öffentliche Auseinandersetzung und nicht eine Heimlichtuerei mit hochgeschlagenen Mantelkrägen.

Dirk Behrendt , MdA,

ist stellv. Fraktionsvorsitzender und Mitglied im Verfassungsschutzausschuss- „Alles Sekte – oder was?“ findet sich hier – Zur Ideologie lesenswertes finden Sie hier:, mit u.a. der Schöpfungsgeschichte von Scientology in Kurzform (die dritte Stufe der Ausbildung): Xenu, der Herrscher eine galaktischen Konföderation, ließ wegen Überbevölkerung der Planeten einen Teil der Bewohner zu einer Einkommenssteuer-Inspektion antreten, injizierte ihnen dort Alkohol und Glykol. Dann verlud er die gelähmten Körper in Raumschiffe – die einer Douglas DC 8 ähnelten – und legte sie an den Fuß von Vulkanen auf Hawaii und Las Palmas. Im Anschluss führte er in den Vulkanen Wasserstoffbombenexplosionen durch und die allermeisten Menschen starben. Die Überlebenden sind wir.