Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) vom 14. Mai 2007 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Mai 2007) und Antwort (Drucksache 16/10784)
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
1. Für wie viele Kinder und Jugendliche wurde in 2004, 2005 und 2006 bei den Familien- oder Vormundschaftsgerichten eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung nach §1631b BGB in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder der Kinder- und Jugendpsychiatrie beantragt; was waren die Gründe, und in wie vielen Fällen wurde dem Antrag stattgegeben (bitte nach Alter, Geschlecht und Wohnbezirk differenzieren)?
2. Wo wurden die Kinder und Jugendlichen, für die 2004, 2005 und 2006 eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe angeordnet wurde, jeweils untergebracht (bitte nach Alter, Geschlecht und Wohnbezirk differenzieren)?
Zu 1. und 2.: Bei den Berliner Familiengerichten wurden im Jahr 2004 195 und im Jahr 2005 199 Verfahren auf Genehmigung der Unterbringung eines Kindes gemäß § 1631 b BGB geführt, davon betrafen im Jahr 2004 3 und im Jahr 2005 13 Verfahren die Verlängerung der Unterbringung. Für das Jahr 2006 liegen dazu noch keine Zahlen vor. Bei den Berliner Vormundschaftsgerichten wurden im Jahr 2004 38 und im Jahr 2005 58 Verfahren auf Genehmigung der Unterbringung eines Kindes gemäß § 1631 b BGB geführt. Statistische Daten zu den Begründungen der Anträge und dazu, in wie vielen Fällen dem Antrag stattgegeben wurde, liegen nicht vor. Eine differenzierte Umfrage bei den Bezirken zu den tatsächlich durchgeführten Unterbringungen auf dieser Rechtsgrundlage würde den für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitrahmen deutlich überschreiten.
3. Wie beurteilt der Senat die Entwicklung der letzten Jahre in diesem Bereich, und welchen Handlungsbedarf leitet er daraus ab?
Zu 3.: In den letzten Jahren hat es immer wieder Trendeinschätzungen sowohl der Berliner Jugendämter als auch der Einrichtungen der stationären Hilfe zur Erziehung in Berlin und Brandenburg sowie spezifischer sog. „geschlossener“ Einrichtungen im übrigen Bundesgebiet zur Notwendigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen gegeben. Dabei sind regelmäßig nur wenige Einzelfälle der richterlichen Genehmigung gemäß § 1631 b BGB genannt worden.
In der Praxis der Berliner Jugendhilfe entsteht nur selten eine Notwendigkeit zur freiheitsentziehenden Unterbringung. Von den Jugendämtern werden deshalb vor allem die in Berlin und Brandenburg vorhandenen Angebote der „verbindlichen Betreuung“ in Einrichtungen der stationären Hilfe zur Erziehung genutzt, die nach den für alle Heime üblichen Fachstandards und Verfahrensregeln arbeiten.
Mit der bevorstehenden Verabschiedung der Rahmenleistungsbeschreibung für die stationären Hilfen durch die Vertragskommission Jugend (VK Jug) wird die Grundlage für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung, weitere Differenzierung und Passgenauigkeit der Hilfen geschaffen werden.
4. Wie und in welchem Rahmen wird der Kontakt zur Herkunftsfamilie und wie wird die begleitende Elternarbeit in diesen Einrichtungen gewährleistet?
Zu 4.: In allen Einrichtungen der stationären Hilfe zur Erziehung gehören die Gewährleistung des Kontaktes zur Herkunftsfamilie sowie die Elternarbeit zur Verbesserung der Erziehungskompetenz, zur Vorbereitung der Rückkehr in die Familie und/oder zur Konfliktbewältigung in der Familie zum Leistungsspektrum. Wie und in welchem Umfang die Arbeit mit den Eltern bzw. der Herkunftsfamilie organisiert wird, wird in der Hilfeplanung, abhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalls, vereinbart.
5. Welche schulischen und beruflichen Bildungsangebote werden den Kindern und Jugendlichen gemacht, um ihnen gute Perspektiven für eine Wiedereingliederung zu bieten?
Zu 5.: Ziel der Hilfe zur Erziehung ist die Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung des jungen Menschen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Mit-wirkung bei der schulischen Förderung bzw. – je nach Alter – die Unterstützung bei der Entwicklung einer Berufsperspektive. Die stationären Einrichtungen der Hilfe zur Erziehung nutzen für ihre Klientel die vorhandenen Bildungsangebote nach Maßgabe der Hilfeplanung.
Berlin, den 07. Juni 2007
Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner
Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Juni 2007)