Menschen, die auf Assistenzpflege angewiesen sind, benötigen bei alltäglichen Dingen Unterstützung von Pflegekräften, auch im Krankenhaus. Der Bezirkssozialstadtrat Knut Mildner-Spindler (DIE LINKE) weigerte sich, Personalkosten, mit denen Pflegedienste in Vorleistung gegangen waren, zu übernehmen. Erst durch Protest der Betroffenen und einen einstimmig verabschiedeten Dringlichkeitsbeschluss der BVV sagte er die Zahlung – unter Vorbehalt – zu.
Am 4. April besetzten Menschen mit Behinderungen und deren Pflegekräfte das Bezirksamt in der Yorckstraße. Sie forderten von Sozialstadtrat Knut Mildner-Spindler, entstandene Kosten für Assistenzpflege bei Krankenhausbesuchen zu zahlen, wozu die Bezirke, gemäß einer Landesvereinbarung mit drei Berliner Anbietern für Assistenzpflege, verpflichtet sind.
Mildner-Spindler selbst ließ sich nicht blicken, aber schriftlich mitteilen, dass er und sein Sozialamt eine andere rechtliche Position als das Land vertreten würden, deshalb die Zahlung verweigerten und zunächst eine rechtliche Klärung anstrebten. Gleichzeitig räumte er ein, das die Bezirke als Teil des Landes gar nicht selbst klagen könnten, dies müssten Betroffene tun, die von der Landesvereinbarung nicht erfasst würden. Er vertröstete die Betroffenen und wollte die betroffenen Pflegedienste, die auf die Refinanzierung vertraut hatten und deshalb in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten stecken, auf den Kosten sitzen lassen.
In der BVV-Sitzung am Tag nach der Protestaktion erging schließlich ein Beschluss aller Parteien, einschließlich DIE LINKE, wonach „unverzüglich die im Bezirk aufgelaufenen Rechnungen der drei Berliner Assistenzdienste für Assistenz im Krankenhaus zu begleichen“ sind.
Gesetzlich nicht geregelt
Hintergrund der Aktion ist die Tatsache, dass es bislang keine klare gesetzliche Regelung für Assistenzpflege im Krankenhaus gibt, soweit die Betroffenen ihre Pflegekräfte nicht selbst anstellen („Arbeitgebermodell“), sondern sich, wie in über 90% der Fälle üblich, eines Pflegedienstes bedienen. Da die Krankenhäuser selbst Die Assistenzpflege hat nichts mit Krankenpflege zu tun, sondern umfasst Tätigkeiten wie Essen, Trinken, Positionswechsel, den Rufknopf drücken oder an der Nase kratzen. Das können die Krankenhäuser selbst zumeist nicht leisten, daher sind die Betroffenen bei einem Krankenhausaufenthalt auf Pflegekräfte angewiesen. Die Dienstleister müssen in Vorleistung gehen. Daher ist die Landesvereinbarung zu begrüßen, nimmt sie den Betroffenen doch die Angst vor dem Krankenhausbesuch und den Anbietern die Angst vor Insolvenz, durch Übernahme von immerhin ca. 2 Drittel der Kosten.
Dem Bundesgesetzgeber ist die Situation bewusst. Getan wurde bislang aber, bis auf die Regelung des „Arbeitgebermodells“: nichts. Die Rechtsprechung ist widersprüchlich. Gesetzesinitiativen, u. a. der Grünen Fraktion, wurden bislang mit Regierungsmehrheit abgelehnt. Es muss wohl noch viel mehr solcher Proteste – bundesweit – geben, bis sich endlich etwas tut.
Weitere Infos: www.adberlin.com und http://isl-ev.de
Christian Könneke, Bezirksverordneter