Murat Cinar (Foto: Friederike Suckert)

Spätverkaufsstellen („Spätis“) sind für die meisten Xhainer*innen aus ihrem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch viele der rund 1.000 meist inhaber*innengeführten Berliner Spätis sind in ihrer Existenz bedroht.

Einerseits, weil ihnen die lange geduldete Öffnung an Sonn- und Feiertagen nunmehr bereits seit Längerem verwehrt wird. Andererseits weil immer mehr von ihnen mit steigenden Gewerbemieten konfrontiert werden. Ich selbst habe jahrelang ein Späti in Friedrichshain am Wühlischplatz geführt und kann die Sorgen der Inhaber*innen vor Verdrängung sehr gut nachvollziehen.

Doch Spätis gehören zu Berlin und vor allem auch zur Xhainer Kiezkultur. Es handelt sich nicht um von Ketten oder großen Franchiseunternehmen geführte Unternehmen, sondern um überwiegend kleine Einzelläden, die von den Betreiber*innen selbst aufgebaut und betrieben werden. Oftmals von Menschen, für die es schwer ist oder war, auf dem Berliner Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und Arbeit zu finden. Auch ich habe mein Späti teils nur deshalb gegründet, damit meine Eltern bei mir im Laden eine Vollzeittätigkeit ausüben können. Ich wollte, dass meine Eltern unabhängig von Ausbeutungsverhältnissen in prekären Jobs sind und deshalb habe ich, wie viele weitere Betreiber*innen, diesen großen Schritt in die Selbstständigkeit gewagt.

Mit Spätis bauen sich Menschen eine Existenz auf, die jedoch zurzeit leider immer häufiger zerstört zu werden droht. Durch die Pandemie sind schon viele Betreiber*innen in Bedrängnis geraten. Hinzu kommen die immer weiter steigenden Gewerbemieten. Erst vor kurzem musste wieder ein Späti schließen, da sein Vermieter (Padovicz) für eine Mietvertragsverlängerung über 30 % Aufschlag wollte. Zudem fällt mit der Untersagung der Sonntagsöffnung und der verstärkten Kontrolle durch die Ordnungsämter mit dem Sonntag als meist umsatzstärksten Tag eine der wichtigsten Einnahmequellen neben den Nachtstunden weg, die zudem ja auch das Besondere der Spätis ausmachen: nämlich dass mensch sich dort auch zu Zeiten versorgen kann, wo die regulären Geschäfte geschlossen sind. Weil sie hierauf nicht verzichten können, nehmen viele Betreiber*innen lieber Bußgelder als den Verlust ihres Ladens in Kauf, der unvermeidlich wäre, würden sie diesen besonderen Service – nämlich auf zu haben, wenn alles andere zu ist – nicht anbieten können. Wenn die Spätis nicht aussterben sollen, brauchen wir unbedingt eine Deckelung der Gewerbemieten und eine Ausnahme für Spätis im Berliner Ladenöffnungsgesetz. Unsere Spätis sind eben nicht nur Verkaufsstellen, sondern ein wichtiger Teil unserer Kiezkultur. Diesen wollen wir erhalten und weiterhin unterstützen.

 

Murat Çinar kandidiert auf Platz 8 unserer BVV-Liste

Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.