Grüne Positionen zum BürgerInnenentscheid am 13. Juli 2008

Nach der Abstimmung zur Rudi-Dutschke-Straße wird es am 13. Juli 2008 erneut einen BürgerInnenentscheid geben. Diesmal geht es ums Spreeufer – dabei aber vor allem ums Geld. Denn alle BewohnerInnen des Bezirks haben die Wahl zwischen zwei Alternativen eines Spreeufers für alle. Die beiden Abstimmungsfragen A und B unterscheiden sich letztlich vor allem in einem Punkt: Den Kosten.

Worum geht es?

Die Initiative Mediaspree versenken wendet sich gegen weitere Hochhäuser und Autobrücken über die Spree – und will einen unbebauten 50-Meter-Uferstreifen erreichen. Diese Grundidee finden auch wir Grünen sehr sympathisch. Aber weil die Spree-Flächen nie in Bezirksbesitz waren und es bis heute nicht sind, fallen dadurch Entschädigungen im Millionenhöhe an, die der Bezirk an Investoren zahlen muss. Das Bezirksamt rechnet in seiner begründeten Kostenschätzung mit mindestens 164,7 Millionen !!! Euro. Das würde für den klammen Bezirk den völligen Bankrott bedeuten. Daher stellt das Bezirksparlament auf Vorschlag von Grünen und Linkspartei eine – inhaltlich fast identische – Alternative zur Abstimmung.

Abstimmungsvorschlag B:

Unter dem Motto Spreeufer für alle – aber ohne Millionen-Entschädigungen spricht sich die Bezirksverordnetenversammlung ebenfalls gegen Hochhäuser und neue Autobrücken aus. Zugleich sollen die bisher privaten Spreeufer durch öffentlich zugängliche Freiflächen zu einem Spreeufer für alle werden. Die Forderungen in der Abstimmungsfrage A gehen weiter: Alle dort formulierten Ziele will das Bezirksparlament umsetzen, aber nur wenn dadurch keine Million-Entschädigungen anfallen.

Millionenentschädigungen – Was bedeutet es konkret für alle BewohnerInnen von Friedrichshain-Kreuzberg, sollte Abstimmungsfrage A die Mehrheit erreichen?

165 Millionen Euro – das ist etwa dreimal so viel, wie der Bezirk jährlich ausgeben kann: Für seine Kitas, Jugend- und Kultureinrichtungen, die Obdachlosen-hilfe, Gesundheitsdienste und weitere dringend notwendige soziale Angebote. Davon finanziert der Bezirk auch andere wichtige bürgernahe Dienstleistungen, die Reinigung und Sanierung von Schulen, die Pflege der Grünflächen und vieles mehr. Als Grüne halten wir die finanziellen Folgen der Ziele von Mediaspree versenken für absurd: Einerseits Millionen-Entschädigungen für Privatinvestoren, auf der anderen Seite harte Einschnitte und Kürzungen im Bezirkshaushalt zu Lasten der Bevölkerung in Friedrichshain-Kreuzberg. Das ist aus unserer Sicht weder haushaltspolitisch vertretbar noch sozial gerecht!

Wie stellen sich die Grünen ein Spreeufer für alle – aber ohne Millionenentschädigungen vor?

Abstimmungsfrage B sieht konkret eine durchgängige Ufer-Promenade auf beiden Seiten der Spree und andere Freiflächen mit viel Grün vor, die allen zur Verfügung stehen werden. Auf Kreuzberger Seite wird die Promenade durch kleinere Parkanlagen auf freien Grundstücken ergänzt. Wo vorhandene Gebäude bis ans Wasser reichen, werden Steganlagen eine durchgängige Promenade garantieren. Auf Friedrichshainer Seite entstehen aktuell mit einem Park an der Spree und dem East-Side-Park zwei öffentlich zugängliche Grünflächen. Für diese Freiflächen haben wir Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg gekämpft – gemeinsam mit unserem früheren Baustadtrat und heutigem grünen Bürgermeister Franz Schulz. Auch viele kulturelle ZwischennutzerInnen haben wir immer unterstützt und werden dies auch weiterhin tun. Wer trotzdem einwenden mag, dass unsere Abstimmungsfrage B nicht komplett und in allen Einzelheiten den Ziele von Mediaspree versenken aus Abstimmungsfrage A entspricht, hat recht. Der kleine Unterschied: Weil der hierbei geforderte komplett gebäudefreie 50-Meter-Bereich auf beiden Seiten der Spree den Preis extrem anhebt, setzen wir uns „nur“ für eine breite Uferpromenade mit Parks ein. Wer das für weniger sympathisch hält, dem sei gesagt: Es kostet insgesamt auch weniger – fast 165 Millionen Euro!!!

Warum sind die Entschädigungszahlungen an die Investoren so hoch?

Bei vielen geplanten Gebäuden liegt bereits Baurecht vor – teilweise seit etlichen Jahrzehnten. Der Bezirk kann zwar theoretisch eine Bebauung nachträglich verhindern, indem er neue Bebauungspläne aufstellt. Aber für diesen Fall sieht das Gesetz vor, dass die Investoren Anrecht auf Entschädigung haben. Weil der Baugrund an der Spree mitten in Berlin inzwischen so teuer geworden ist, muss leider mit der extremen Summe von 165 Millionen Euro gerechnet werden. Die Initiative Mediaspree versenken glaubt, dass Kosten geringer ausfallen, da einige der Spree-grundstücke landeseigenen Firmen wie der Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (Behala) oder der BSR gehören. Als Grüne halten wir es leider für abwegig, dass diese organisations-privatisierten Unternehmen auf eine Millionen-Entschädigung verzichten. Und selbst mit Druck durch den Senat können wir nicht rechnen. Ob 165 Millionen Euro oder vielleicht „nur“ 100 Millionen – für uns bleibt diese Debatte ohnehin zu akademisch. Denn es gilt: Millionen-Entschädigungen sind aus den schon genannten Gründen nicht zu verkraften.

Fazit und Ausblick:

Die Grundidee eines offenen Spreeufers für alle ist richtig. Daher haben wir in unserer Abstimmungsfrage B unter Punkt 4. die Forderungen des Bürgerbegehrens weitgehend übernommen (vgl. Antragstext unten). Dazu gehört auch, in einem neuen Ausschuss des Bezirksparlaments und gemeinsam mit den Initiatoren von Mediaspree versenken, den Zwischennutzern und dem Bezirksamt Grundstück für Grundstück nach zusätzlichen Lösungen für noch mehr Spreeufer für alle zu beraten. Auch damit wollen wir das Begehren der BürgerInnen zum Spreeufer ernst nehmen. Genauso ernst, wie unsere Verantwortung für Schulen, Obdachlose und Kitas. Oder für Menschen, die im Spreeraum einen Job bekommen (haben). Als Grüne begrüßen wir es, wenn sich BürgerInnen beteiligen und einmischen. Schließlich lebt Stadtentwicklung von der Debatte. Und wenn die nun stärker öffentlich geführt wird, ist das auch ein Verdienst der Initiatoren des Bürgerbegehrens.

Abstimmungsfrage B auf dem Stimmzettel durch die Bezirksverordnetenversammlung: Spreeufer für alle – aber ohne Millionen-Entschädigungen

„Stimmen Sie für das Ersuchen an das Bezirksamt, bei der weiteren Gestaltung des Spreeraums im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zwischen Michael- und Elsenbrücke folgende Planungen und Grundsätze umzusetzen:

1. Eine öffentliche, durchgängige Uferpromenade für Alle auf beiden Seiten der Spree mit zusätzlichen Uferparks.

2. Keine Hochhäuser auf der Kreuzberger Spreeseite und Verzicht auf das vorgesehene Hochhaus auf dem Friedrichshainer Osthafengelände.

3. Kein Bau einer weiteren Autobrücke (nur für den öffentlichen Personennahverkehr, Fußgänger und Radfahrer) über die Spree.

4. Forderungen des Bürgerbegehrens (Abstand von Neubauten 50m vom Ufer und keine Hochhäuser) soll das Bezirksamt nur insoweit verfolgen, wie dadurch keine Entschädigungen aus dem Bezirkshaushalt an Eigentümer zu leisten sind.“

Kompliziert: Zwei Alternativen, aber drei Fragen auf dem Stimmzettel – warum ist das so?

Die Stimmzettel, die alle Wahlberichtigten im Bezirk per Post erhalten haben, sind leider nicht sofort zu verstehen. Schuld sind die komplizierten Regelungen, die das Land Berlin für BürgerInnenentscheide vorgibt: Beide Alternativen müssen demnach mit „Ja“ oder „Nein“ abgestimmt werden können. Auf den Wahlzetteln muss es auch noch eine dritte Frage geben. Sie ist nötig, weil auch beide Alternativen mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommen können. In der dritten Frage geht es darum, welche Variante in diesem Fall den Vorzug bekommen soll.

Abstimmungsempfehlung für die Fragen beim BürgerInnenentscheid am 13. Juli 2008:

A – mit Entschädigung — Ja: O —Nein: Ø

B – ohne Entschädigung — Ja: Ø — Nein: O

C – Vorzugsfrage — A: O — B: Ø