Nicht wenige Mieter*innen wissen aufgrund der Corona-Krise nicht mehr, wie sie ihre Mieten bezahlen sollen, ob für die Wohnung oder ihr Gewerbe. Daher muss ein wohnungspolitischer Schutzschirm her!
Der Berliner Senat und der Bund haben schnell ein Maßnahmenpaket bereit gestellt. Das kann aber nur der Anfang sein – auch weil die Einschränkungen noch lange weiter gehen werden. Ein Schutzschirm für Mieter*innen und Vermieter*innen kann auch langfristig wirken, muss aber für eine gerechte Lastenverteilung sorgen.
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind derzeit noch gar nicht absehbar. Viele Mieter*innen und Gewerbetreibende haben schon jetzt hohe Einkommensausfälle und wissen nicht, wie sie die Miete für ihre Wohnung oder ihr Geschäft in den kommenden Monaten stemmen sollen. Gewerbetreibende sind dabei oft doppelt betroffen.
Der Rot-Rot-Grüne Senat bzw. wir als Rot-Rot-Grüne Koalition haben daher weitgehende Maßnahmen zur Verbesserung des Mieterschutzes und zur Vermeidung von Wohnungsverlusten für die Dauer der COVID-19-Pandemie beschlossen. Diese sollen zunächst für die nächsten sechs Monate gelten.
Die wichtigsten wohnungspolitischen Maßnahmen
Der Berliner Senat sorgt dafür, dass die sechs Landeseigenen Wohnungsunternehmen und die Berlinovo Mieterhöhungen ausgesetzt haben. Bei Mietrückständen sollen von Fall zu Fall kulante Lösungen vereinbart werden. Die Versorgungsunternehmen werden bis auf Weiteres auf Strom- und Gassperren verzichten. Zudem sollen keine Kündigungen aufgrund von Zahlungsrückständen ausgesprochen werden. Räumungen von bewohnten Wohnungen werden ausgesetzt und überprüft, auch Räumungen von Gewerbeimmobilien werden teils ausgesetzt – das hängt von den jeweiligen Gerichten ab. Für Wohnungs- und Obdachlose bzw. Geflüchtete hat der Senat zwei Hostels angemietet – ob dies wirklich ausreicht ist jedoch fraglich. Wir Grüne haben von Anfang an vorgeschlagen, dass Hotels und Ferienwohnungen für Frauen mit Kindern, Familien, Geflüchtete und bei Quarantäne-Bedarf angemietet werden. Daneben hat der Senat entschieden, dass Verstöße gegen Melde- und Informationspflichten gemäß MietenWoG Bln (Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin) bis auf Weiteres nicht sanktioniert werden.
Bund handelt – aber zaghaft
Zudem hat der Bund im Schnellverfahren beschlossen, dass Kündigungen von Mietverhältnissen wegen Mietschulden für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 nicht möglich sind – und zwar sowohl bei Wohnungsmieter*innen als auch Gewerbemieter*innen. Der von der Bundesjustizministerin vorgeschlagene Zeitraum von sechs Monaten wurde leider auf Druck der CDU auf drei Monate gekürzt, kann jedoch kann bei Bedarf um weitere sechs Monate verlängert werden. Zudem ist im Sozialschutz-Paket der Bundesregierung vorgesehen, dass die Kosten der Unterkunft (KdU, Mietkostenzuschuss für Transferleistungsbezieher*innen) bei Neuanträgen nicht überprüft, sondern schlichtweg als angemessen gewertet werden. Das ist ein guter Schritt. Jetzt sollte auch noch die Bundesagentur für Arbeit angewiesen werden, alle Mietschulden konsequent zu übernehmen, um Wohnungslosigkeit zu verhindern – auch, weil viele Ämter im Notbetrieb arbeiten und nicht gewährleisten können, dass Ersatzwohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Es ist auch richtig, dass jetzt alle Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger*innen ausgesetzt wurden, endlich. Dass kleine Vermögen bei der Beantragung von Grundsicherung nicht berücksichtigt und die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung anerkannt werden, muss auch nach der Aufhebung dieses Gesetzes beibehalten werden. Auch Privateigentümer*innen von Wohnungen haben die Möglichkeit, die Bedienung ihrer Kredite für drei Monate auszusetzen. Denn auch die kleinen Vermieter*innen und Selbstnutzer*innen sind betroffen.
Wie geht’s weiter?
Wir werden Vermieter*innen wie Mieter*innen auch über Mieterlasse und einen Fonds auf Bundesebene konkret helfen müssen. Gerade die Landeseigenen Wohnungsunternehmen sollten mit gutem Beispiel voran gehen und Mieten bedarfsgerecht erlassen. Denn nach Ablauf des Kündigungsmoratoriums werden viele Mieter*innen Schwierigkeiten haben, die angehäuften Mietrückstände bei Verzugszinsen von vier bis sechs Prozent zu begleichen. Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen wären kaum in der Lage, bis zum 30. Juni 2022 die aufgelaufenen Schulden abzutragen, vor allem wenn die Krise noch länger anhält.
Und wenn Vermieter*innen ihre Kredite nicht mehr bedienen können, wird das zu weiteren Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt führen, wenn Wohnungen und Häuser dann an große, börsennotierte Wohnungsunternehmen verkauft werden. Es braucht daher einen wohnungspolitischen Schutzschirm für in Not geratene Mieter*innen wie Vermieter*innen, der vom Bund und den Ländern in den nächsten Wochen und Monaten konzipiert werden muss. Daher unterstützen wir Grüne die Forderung nach einem „Sicher Wohnen Fonds“, der Mieter*innen wie Vermieter*innen finanziell durch Zuschüsse wie Darlehen helfen kann. Jedoch sollten die großen Immobilienunternehmen, die in den letzten Jahre hohe Gewinne erzielt haben, auch einen Beitrag dafür zu leisten. Und hier in Berlin sehe ich den Senat in der Pflicht, einen Runden Tisch mit der Wohnungswirtschaft und den Mieterverbänden einzuberufen, um auch auf Landesebene langfristige Notfallmaßnahmen zu entwickeln. Es mag zwar die Zeit der Exekutive sein, aber auch die Legislative ist jetzt gefragt, mittel- bzw. langfristige Lösungen für die Zeit nach Corona zu diskutieren und zu entwickeln.
Katrin Schmidberger, MdA
Wohnungs- und Mietenpolitische Sprecherin der AGH Fraktion für den Stachel 04/2020