Eine vorläufige Bilanz der Arbeit des Untersuchungsausschusses

Die Arbeit des im April 2006 eingerichteten BND-Untersuchungsausschusses wird weiterhin von der Bundesregierung behindert. Die Bundesregierung mauert, gibt Akten nicht oder nur geschwärzt heraus und beschränkt die Aussagegenehmigungen für die geladenen Zeugen stark. Die Oppositionsabgeordneten haben deshalb Klage beim Bundesverfassungs­gericht eingereicht, über die in diesem Jahr entschieden werden soll. Die bisherigen Ergebnisse der Aufklärung können sich trotz des Mauerns der Regierung durchaus sehen lassen. In Zukunft muss der Ausschuss noch vier weitere Komplexe aufklären. Dazu gehören CIA-Flüge mit Verschleppten über Deutschland und die heimliche Hilfe für das US-Militär durch zwei deutsche Geheimagenten in Bagdad während des Irak-Krieges 2003.

El-Masri: Die Bundesregierung informierte unrichtig und unterließ Hilfe

Die Arbeit in den Fällen El-Masri, Kurnaz und jetzt auch Zammar ist weitgehend abgeschlossen. Alle drei wurden von US-Amerikanern verschleppt; in der Haft erlitten sie über Monate und Jahre schlimme Folter. Der Bundesregierung konnten bei diesen Fällen die Zurückhaltung von Informationen sowie diverse andere Versäumnisse inzwischen nachgewiesen werden. El-Masri: Die Bundesregierung informierte unrichtig und unterließ Hilfe Der deutsche Staatsbürger el-Masri wurde Anfang 2004 grundlos durch CIA-Agenten von Mazedonien nach Afghanistan verschleppt, im Gefängnis bei Kabul verhört, gefoltert und nach fünf Monaten in Albanien ausgesetzt. Deutsche Geheimdienst-Mitarbeiter hatten frühzeitig von der Verschleppung erfahren. Offen bleibt, warum davon die Bundesregierung nichts wusste. Der damalige Innenminister wurde zur Zeit der Freilassung vom US-Botschafter informiert, gab davon aber nichts weiter. Anderthalb Jahre ließ er die deutschen Strafermittler, das Parlament, die Öffentlichkeit und vermutlich auch die übrige Bundesregierung im Dunkeln tappen. Hilfe bekam Herr el Masri nicht. Das Parlamentarische Kontrollgremium wurde unzureichend informiert.

Kurnaz : Die Bundesregierung nutzte die Chance zur Freilassung nicht

In Bremen ist er zu Hause, aus Pakistan wird er von US-Diensten nach Afghanistan und dann nach Guantanamo verschleppt und gefoltert. Im Herbst 2002 reisen deutsche Geheimdienstler ins US-Gefängnis und befragen ihn tagelang. Sie berichten, er sei der falsche Mann am falschen Ort gewesen und es gehe von ihm keine Gefahr aus. Auch die US-Dienste würden dies so sehen und seine Freilassung in Aussicht stellen. Die Bundesregierung tut daraufhin alles, um seine Einreise nach Deutschland nachhaltig zu verhindern. Sie sorgt für die Entziehung des Aufenthaltstitels und teilt dem US-Dienst mit, dass Herr Kurnaz nicht nach Deutschland darf. Dort wundert man sich. Die Freilassung nach Deutschland unterbleibt. Herr Kurnaz erleidet weitere Jahre Guantanamo-Haft unter unmenschlicher Behandlung. Die Bundesregierung hat nicht nur die Chance zur Freilassung nicht genutzt, sondern durch ihr Verhalten dazu beigetragen, dass Herr Kurnaz entgegen allen rechtsstaatlichen Grundsätzen in US-Haft gehalten wurde.

Zammar : Befragung im Ausland trotz Anhaltspunkten für Folter

Der deutsche Staatsbürger Zammar wurde im Dezember 2001 mit US-Hilfe aus Marokko entführt. Er wurde in der Haft in Marokko und Syrien geschlagen. Er war in den Fängen des syrischen Militärgeheimdienstes. Das Auswärtige Amt stellte im Länderbericht 2002 erneut fest, dass in Syrien durch die Geheimdienste systematisch gefoltert wird. Gleichwohl schickte die Bundesregierung deutsche Sicherheitsbeamte ins Gefängnis, um Herrn Zammar drei Tage zu befragen. Dabei wusste sie, dass Herr Zammar drei Tage auf diese Befragung vorbereitet wurde. Auf Drängen des Kanzleramtes stellte die Botschaft ihre Bemühungen um konsularische Betreuung, mit Rücksicht auf die deutsch/syrische Geheimdienstkooperation, schließlich für über anderthalb Jahre ein. Das Wohl des Herrn Zammar blieb auf der Strecke, seine fundamentalen Grund- und Menschenrechte wurden missachtet.

Folgerungen

Weiterhin bedarf es einer detaillierten Aufklärung der Fehler und Versäumnisse der Bundesregierungen. Die Verantwortlichen müssen identifiziert und gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen werden. Es geht nicht nur darum, das Vergangene zu beurteilen. Es geht auch darum, Wiederholungen in Zukunft zu verhindern und dafür organisatorische Veränderungen anzustoßen. Nicht zuletzt durch eine wirksame Verbesserungen der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste. Vorschläge hierfür wurden von den Grünen immer wieder gemacht. Die Ergebnisse der Aufklärungsarbeit machen deren Notwendigkeit deutlich. Die Bundesregierung zeigt allerdings weiterhin wenig Interesse an einer schnellen Aufklärung. Sie deckt damit nicht nur Fehlentwicklungen bei den Geheimdiensten, sondern verschleiert auch eigene Fehlleistungen. Wirksame Unterstützung kann der Untersuchungsausschuss auch vom Bundesverfassungsgericht erhalten. Einer Klage der Opposition folgend, hat es darüber zu entscheiden, ob die ungeschwärzten Akten vollständig auszuhändigen sind und die von der Bundesregierung beschränkten Aussagegenehmigungen erweitert werden müssen. Die Aufklärungsarbeit muss konsequent fortgesetzt und darf nicht durch vorgeschützte Sicherheitsinteressen behindert werden.

Hans Christian Ströbele, MdB, Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses