DS/0463/IV

Antrag

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt wird beauftragt, zukünftig die in § 15 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) für den Einzelfall eingeräumte Möglichkeit anzuwenden, Umnutzungen von Wohn- oder Gewerbeflächen zu gastronomischen Betrieben in Wohngebieten zu versagen, wenn schon durch die Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der vorhandenen gastronomischen Betriebe der Gebietscharakter eines Wohngebietes (im Sinne von WA*-Gebieten der BauNVO bzw. Gebiete, die nach § 34 BauGB Abs. 2 diesen gleichgestellt werden können) gefährdet ist.

Darüber hinaus ist eine Auflistung der im Bezirk als betroffen geltenden Gebiete zu erstellen und dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Soziale Stadt und Quartiersmanagement, Mieten sowie dem Ausschuss für Wirtschaft und Ordnungsamt darüber zu berichten. Der BVV ist bis März 2013 zu berichten.

Begründung:

In allgemeinen Wohngebieten sind laut § 4 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) u. a. der Versorgung des Gebiets dienenden Schank- und Speisewirtschaften zulässig. Einige Gebiete in Friedrichshain- Kreuzberg sind mittlerweile jedoch so stark durch gastronomische Einrichtungen geprägt, dass nicht mehr von einer reinen Versorgungsleistung gesprochen werden kann.

In einigen Gegenden des Bezirks werden Gewerbeflächen immer lukrativer, gerade für gastronomische Betriebe. Es kommt zu steigenden Gewerbemieten und in der Folge zu einem Verdrängungswettbewerb.

Die meist über viele Jahre gewachsene wirtschaftliche Mischung sowie die oft kleinteiligen Gewerbestrukturen in Wohngebieten aus Handel, Handwerk und Dienstleistungen gemeinsam mit Schank- und Speisewirtschaften drohen zunehmend verloren zu gehen. Bäckereien, Gemüsehändler, Friseure, Bekleidungsgeschäfte, Blumen, Farben- oder Trödelläden können die gestiegenen Gewerbemieten nicht mehr zahlen und werden verdrängt. Am Ende des Prozesses steht die Herausbildung von meist überwiegend gastronomisch geprägten Monostrukturen. Ein dadurch eingeschränktes Angebot an Alltagsgütern und Dienstleistungen geht nicht zuletzt zu Lasten der AnwohnerInnen.

Um bestehende Strukturen in Wohngebieten zu schützen, definiert § 15 BauNVO die sonst zu genehmigenden Betriebe im Einzelfall als unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Wenn der Charakter eines Wohngebietes verloren zu gehen droht, können weitere Genehmigung von z.B. gastronomischen Betrieben somit untersagt werden. Aktuelle Gerichtsurteile in dieser Sache bestätigen diese Auslegung (so z.B. das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Aktenzeichen 1 A 10058/11).

Somit bietet sich die Möglichkeit, von der bisherigen Genehmigungspraxis für Anträge auf Gastronomienutzung abzuweichen, die bei Erfüllung der formalen ordnungs- und baurechtlichen Auflagen eine Bewilligung vorsieht. Zukünftig kann zum Schutz von Kiezen, die als Wohngebiete definiert sind, die weitere und somit zusätzliche Nutzung von Gewerbeflächen als Gastronomie untersagt werden, wenn bereits eine Überversorgung des Gebiets festzustellen ist. Hierbei steht die Eingrenzung einer weiteren Zunahme von immer neuen Gastronomiebetrieben durch die Umnutzung bisher anderweitig genutzter Flächen im Mittelpunkt. Bereits bestehende Betriebe sind nicht betroffen.

Zum Erhalt bestehender Wohngebiete mit ihren vielfältigen Gewerbestrukturen und zum Schutz der in den betroffenen Kiezen lebenden BewohnerInnen, ist von den durch § 15 BauNVO zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen.

  • Allgemeines Wohngebiet

Friedrichshain-Kreuzberg, den 20.11.2012

Bündnis 90/Die Grünen

Antragsteller: Julian Schwarze