Time flies – kaum zu glauben, dass wir bereits seit vier Jahren Berlin mitregieren. Vier Jahre in denen sich enorm viel verändert hat. Wir haben keinen Stein auf dem anderen gelassen und die Zeit bestmöglich genutzt, um das Fundament für einen radikalen Umbau unserer Stadt zu legen.
Bäume wurden gepflanzt, Parks besser gepflegt und Kleingärten verteidigt. Wohnungen wurden gebaut, angekauft und geschützt. Radwege wurden ausgewiesen, Ticketpreise gesenkt, Bahnwagen angeschafft und Kreuzungen gesichert. Wir haben uns für den Zusammenhalt eingesetzt und Grundlagen für ein neues Miteinander gelegt, zum Beispiel mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz. Herausforderungen, die jahrzehntelang unter den Teppich gekehrt wurden, haben wir auf die Agenda gesetzt und auch Politik für all jene gemacht, die bisher oft unter dem Radar waren, wie etwa die vielen Berliner*innen ohne Wohnung oder Obdach. Wo nötig haben wir Schlussstriche gezogen, wie beim Kohleausstieg. Nachdem die Verhältnisse in unserer Stadt jahrzehntelang zementiert wurden, haben wir am System gerüttelt und die Weichen auf Zukunft gestellt.
Darauf bin ich stolz!
Zur Wahrheit gehört aber auch: Eine Stadt lässt sich nicht in vier Jahren umbauen. Schon gar nicht umfassend. Wir geben uns nicht mit kosmetischen Veränderungen zufrieden, sondern denken Berlin ganz neu. Das ist richtig! Denn nur so können wir unsere Stadt fit für die Zukunft machen. Aber radikale Umwälzungen brauchen Zeit, Kraft und Ressourcen – manchmal auch mehr, als wir gedacht hätten. Wenn wir Bilanz ziehen, müssen wir uns deshalb unsere To-Do-Liste ehrlich anschauen und kritisch hinterfragen an welchen Stellen es hakt und warum. Vier Gründe möchte ich hier kurz umreißen.
Gesetze schreiben sich nicht von selbst.
Veränderungen erfordern oft eine gesetzliche Grundlage und die mussten wir in vielen Bereichen erst schaffen. Etwa durch das Mobilitätsgesetz, mit dem wir zwei Premieren feiern konnten: Es ist deutschlandweit das erste seiner Art und wurde in einem bundesweit einmaligen Beteiligungsverfahren erarbeitet. Mit ihm haben wir die Basis dafür geschaffen, den Straßenraum komplett neu zu verteilen und dem Rad- und Fußverkehr sowie Bussen und Bahnen endlich den Platz einzuräumen, den sie brauchen. Auch mit dem Mietendeckel betreten wir juristisches Neuland und haben als erste deutsche Stadt dieses wirkungsvolle Instrument eingesetzt, dass der Spirale aus Spekulation und Verdrängung ein Ende setzen kann. Hoffentlich erfolgreich, denn der bessere Schutz von Mieter*innen und der Erhalt von bezahlbarem Wohnraum, ist die große soziale Frage unserer Stadt.
Ohne Personal nix los.
Nach dem Jahrzehnt des Sparens haben wir das Jahrzehnt der Investitionen eingeläutet. Nicht nur für den Bau und die Sanierung von Schulen haben wir so viel Geld in die Hand genommen, wie nie zuvor. Aber um Geld auszugeben, braucht man Personal. Das verplant, verteilt und verbaut. Aufgrund der Sparpolitik der Vorgängerregierungen war aber zu unserem Regierungsantritt nicht nur die Berliner Infrastruktur völlig marode, sondern auch Personal, das man zu ihrer Instandsetzung braucht, war Mangelware. Deshalb haben wir aufgestockt. Der Radverkehr wird mittlerweile von 60 Leuten geplant, statt nur von einer Hand voll. Und auch sonst haben wir massiv in Personal für unsere Stadt investiert. Bei der Polizei wurden 800 neue Stellen geschaffen, bei Feuerwehr und Rettungsdiensten 400. Auch für die Justiz haben wir eingestellt: Richter*innen, Rechtspfleger*innen und Vollzugsbeamt*innen. Grundschullehrkräfte werden besser bezahlt.
Bundesrecht – Hindernisrecht
Das Bundesrecht ist in manchen Bereichen unsere Grenze. Der aktuelle Streit mit der Bundesebene um die Aufnahme von Geflüchteten über Landesaufnahmeprogramme zeigt es: Eine konservative Regierung im Bund, kann progressive Politik im Land verhindern. Nicht nur in der Asylpolitik ist das ein Hindernis. Ein anderes Beispiel ist das Mietrecht, bei dem manch starker Hebel auf der Bundesebene liegt. Trotzdem kämpfen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln um jeden Quadratmeter Wohnraum und gehen nun juristisch dagegen vor, dass der Bundesinnenminister uns daran hindern will, Berlin zu einem sicheren Hafen für Menschen auf der Flucht zu machen. Auf allen Ebenen setzen wir uns dafür ein, dass “Refugees Welcome!” in Berlin nicht nur eine Parole ist.
Tauziehen, statt an einem Strang ziehen.
Von Beginn an hatten wir Grüne in der Koalition die vermittelnde Rolle. Wichtig ist uns, dass Prozesse nicht stocken. Denn Stillstand kann sich Berlin nicht leisten. Das Ausloten von Kompromissen und die Suche nach gangbaren Lösungswegen machen unseren Stil aus. Und wir haben dafür gesorgt, dass es selbstverständlich wird, die Berliner*innen am Umbau ihrer Stadt zu beteiligen. Die grundsätzliche Haltung bei r2g stimmt. Zusammen haben wir den engagiertesten Koalitionsvertrag geschrieben, den Berlin je gesehen hat und einiges davon umgesetzt. Aber seien wir ehrlich: An vielen Stellen war, ist und bleibt diese Dreiecksbeziehung kompliziert.
Wir sind noch nicht fertig. Noch lange nicht! Was wir mit Berlin vorhaben, lässt sich nicht in einer Legislatur schaffen. Dafür brauchen wir mehr Zeit und deshalb wollen wir auch nach 2021 weiter regieren. Zusammen mit SPD und Linken, aber dieses Mal als führende Kraft.
Antje Kapek, MdA, Fraktionsvorsitzende für den Stachel, Dezember 2020