Am 24.2.2010 diskutiert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus in einem offenen Fachgespräch. den grünen Vorschlag für eine Novellierung des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), mit dem Ziel, Privatisierungsverträge offen zu legen.

Bericht vom Fachgespräch der Berliner Abgeordnetenhausfraktion Am 24.2.2010 diskutiert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus in einem offenen Fachgespräch. den grünen Vorschlag für eine Novellierung des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), mit dem Ziel, Privatisierungsverträge offen zu legen. Das betrifft auch und gerade die teilprivatisierten Wasserbetriebe in Berlin. Eingeladen waren, neben allen interessierten Berliner_innen, verschiedene außerparlamentarische Organisationen und die BürgerInneninitiative Berliner Wassertisch, deren Engagement für ein Volksbegehren es zu verdanken ist, dass nun alle Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus über eine Novellierung des IFG und die Offenlegung der Wasserverträge diskutieren.

In seiner Begrüßung gibt der Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann einen kurzen Rückblick auf die Entstehung der Novellierungsvorschläge.Er lobt den Berliner Wassertisch ausdrücklich für die Initiative ein Volksbegehren anzustoßen, die Bewegung ins Abgeordnetenhaus gebracht hat. Nun müssen Parteien und Bürger_innen gemeinsam diskutieren, wie das Problem geheimer Privatisierungsverträge zu lösen sei, nicht nur in der Wasserwirtschaft sondern beispielsweise auch im Hinblick auf die formal privatwirtschaftlich organisierte S-Bahn.

Die Abgeordnete und Wassertisch-Aktivistin Heidi Kosche moderiert den Input des Podiums und den Austausch mit dem Publikum.

Dirk Behrendt, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen, stellt den grünen Gesetzentwurf vor. Dabei betont er drei Punkte, die diesen von dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition unterscheidet:

Erstens ist der Anwendungsbereich des grünen Gesetzes weiter gefasst. Danach sind alle Grundversorgungsverträge künftig zu veröffentlichen und zudem Privatisierungsverträge im Bereich der Wohnbaugesellschaften.

Zweitens enthält der grüne Entwurf auch für bereits bestehende Verträge Regelungen, die so angelegt sind, dass mit ihnen eine Offenlegung der Wasserverträge erreicht werden kann.

Drittens sieht der grüne Entwurf Verfahren der Veröffentlichung vor, die höchstmögliche Hürden für eine Geheimhaltung gewährleisten. Der Informationsfreiheitsbeauftragte soll prüfen, ob die engen Voraussetzungen für Geheimhaltung vorliegen. Außerdem soll die Veröffentlichung gerichtlich einklagbar werden.

Der Berliner Beauftragte für Informationsfreiheit und Datenschutz, Dr. Alexander Dix, hat bereits 2007 eine Entschließung zur Stärkung der Informationsfreiheit gegenüber geltend gemachten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in die Wege geleitet. Er begrüßt den grünen Gesetzesvorschlag als den weitreichendsten ausdrücklich, und hofft auf die Durchsetzbarkeit einer Veröffentlichungspflicht in allen Bereichen der Grundversorgung.

Eine Offenlegungspflicht auf Antrag interessierter Bürger hinsichtlich aller von der Verwaltung geschlossenen Verträge ergebe sich bereits aus dem geltenden IFG. Skeptisch äußert er sich jedoch hinsichtlich der im grünen Vorschlag vorgesehenen starken Rolle für den Informationsfreiheitsbeauftragten.

Er gibt zu bedenken, dass die direkte Auseinandersetzung mit dem Senat wirksamer sein könne als eine Weisungsbefugnis des Beauftragten, da Weisungen von Gerichten kassiert werden könnten.

Thomas Rudek, Sprecher des Volksgehrens des Berliner Wassertisches, vertritt die kurzfristig erkrankte Sabine Finkenthei. Informationen der Daseinsvorsorge sollten den Bürgern viel leichter zur Verfügung stehen, beispielsweise im Internet, damit sie einer öffentlichen und unabhängigen Kontrolle zugeführt werden können. Auch er begrüßt in unserem Gesetzentwurf die Rolle des Informationsfreiheitsbeauftragten als unabhängige Kontrollinstanz. Den Hinweis der ehemaligen SPD-Abgeordneten Gerlinde Schermer aufgreifend, sollte der Gesetzesentwurf auch Sanktionen gegenüber der Verwaltung für den Fall vorsehen, dass die vertragsabschliessende Partei den Vertragsabschluss nicht öffentlich bekannt gibt, sondern den Vertragsabschluss verschweige. Besonders liegt dem Wassertisch am Herzen, dass das Widerspruchsverfahren kostenneutral erfolge und in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichts und nicht in die des Verwaltungsgerichts falle. Thomas hofft, dass der Hinweis des Wirtschaftsjuristen Prof. Keßler von der Verbraucherzentrale Berlin von unserer Fraktion noch konstruktiv aufgegriffen wird. Prof. Keßler schlägt vor, dass das öffentliche Interesse an einer Offenlegung dann wichtiger als die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind, wenn der private Vertragspartner keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist.

In der Publikumsrunde stellt sich schnell heraus: die Berlinerinnen und Berliner wollen größtmögliche Transparenz. Unter anderem erkundigen sich einige nach den Bereichen Gesundheit und Bildung und diskutierten die Rolle des Beauftragten für Informationsfreiheit und Datenschutz. Besonders die Forderung, alle Verträge offen zu legen, die der Senat mit der Privatwirtschaft schließt, erntet große Zustimmung. Hier erwarteten viele Publikumsteilnehmer_innen mehr Mut von den Berliner Parteien.

Mathias Ladstätter, Bundesfachgruppenleiter Wasserwirtschaft der Gewerkschaft ver.di, fordert in der Diskussion Transparenz bereits im Prozess des Vertragsabschlusses. Der Entwurf der Grünen gebe hier das meiste her, auch im Hinblick auf die politische Durchsetzbarkeit. Er sieht die Gründe für die starke Abwehrhaltung von RWE und VEOLIA nicht bei dem Inhalt der existierenden Wasserverträge, sondern in der Außenwirkung: Gerade RWE habe viele weitere Verträge abgeschlossen, für die die Offenlegung der Berliner Wasserverträge einen Präzedenzfall bedeuten könnte.

Abschließend fasst Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, den Abend zusammen und gibt einen Ausblick für die kommenden Verhandlungen. Er sieht einen Teilerfolg erreicht durch die Verhandlungsbereitschaft von Rot-Rot und die Aussicht einer Novellierung des IFG. Ohne die enge Zusammenarbeit mit dem Berliner Wassertisch hätte es diesen ersten Schritt nicht gegeben. Der Gesetzesentwurf könne die Debatte nur anreißen, das IFG müsse in den kommenden Jahren weiter überprüft und erneuert werden. Die Verhandlungen in den nächsten Wochen könnten nur erfolgreich sein, wenn der Druck auf den Senat erhöht werde. Die aktive Begleitung des parlamentarischen Prozesses durch interessierte Berliner_innen sende ein deutliches Signal an den Senat: „Wenn ihr euch nicht transparent macht, vertrauen wir euch nicht mehr!“