Privatisierung verhindert: Die "BesetzerInnen" des Südflügels haben inzwischen Mietverträge, das gesamte Gebäude wird in diesen Wochen an die gemeinnützige GSE übertragen. Doch was bleibt von den Zielen des Bürgerbegehrens?

Das erfolgreiche BürgerInnenbegehren gegen die Privatisierung des Bethanien im Jahre 2006 war von einer breiten Sympathiewelle getragen, aber sogleich mehrten sich auch die skeptischen Stimmen: Das Haus war seit über 20 Jahren ohne Konzept geblieben, der Ruf nach Profis ertönte – und ausgerechnet das bürgerschaftliche Engagement sollte nun die Lösung bringen? Zudem zieht der Finanzsenator seit der Einführung eines neuen Verrechnungssystems im selben Jahr dem Bezirk jährlich fast 800 000 Euro sogenannte kalkulatorische Zinsen vom Haushalt ab, weil eine wertvolle Immobilie wie das Bethanien viel Kapital binde. War da eine Privatisierung nicht der einzig gangbare Weg?

Damals hatten mehr als 14.000 Menschen mit ihrer Unterschrift das Begehren unterstützt und die Erwartung formuliert, die bestehenden künstlerischen Angebote im Bethanien durch weitere kulturelle Angebote und öffentliche Räume zu erweitern – und zwar in öffentlicher Hand. Auffällig war auch, dass sehr viele MigrantInnen ohne EU-Pass das Bürgerbegehren unterschrieben hatten, obwohl ihre Stimme ja leider nicht einmal in der kommunalen Demokratie gefragt ist.

Wir Grüne haben es von Anfang an begrüßt, dass die Zukunft des Bethanien durch das Engagement der BürgerInnen wieder geöffnet war. Inzwischen ist viel geschehen. Der grüne Bürgermeister Franz Schulz hat insgesamt 13 Runde Tische moderiert, auf denen alle Vorschläge für ein tragfähiges Modell öffentlich diskutiert und schließlich eine Lösung gefunden wurde: Das Bethanien wird von einem Treuhänder des Landes Berlin, der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) gemanagt, und zwar auf der Basis von Selbstverwaltungsmodellen im Haus. Die GSE verwaltet bereits eine ganze Reihe alternativer Hausprojekte und bringt aus diesen Erfahrungen selber kreative Ideen ein, wenn es darum geht, Kulturstandorte weiter zu profilieren. Beispiele dafür sind das ORWO-Haus (mit Übungsräumen für Bands) in Marzahn, die soziale und kulturelle Zentrum „Fabrik“ im Wedding oder das Georg-von-Rauch-Haus auf dem Bethanien-Gelände.

Damit ist der Verbleib der etablierten Einrichtungen im Bethanien, wie die Musikschule, die Druckwerkstatt oder die kommunale Galerie „Kunstraum“ zu günstigen Mieten gesichert, die politischen Projekte im Südflügel haben nun einen Mietvertrag und die freien Flächen werden in Abstimmung mit den Mietern an weitere Projekte mit kultureller Ausrichtung vergeben. Darüber hinaus wird das Bethanien gleichsam zu einem kulturellen Teil des Projekts Campus Marianne, das die grüne Stadträtin für Jugend, Familie und Schule Monika Herrmann entwickelt hat und nun Schritt für Schritt umgesetzt wird.

Die AnwohnerInnen des Mariannenplatzes sind vergleichsweise sehr jung: 44 Prozent sind unter 28 Jahren. Der Berliner Durchschnitt liegt bei 13 Prozent. Gleichzeitig haben sie zu fast 60 Prozent einen Migrationshintergrund und sind sehr arm. Laut Berliner Sozialstrukturatlas liegen sie damit sogar auf dem vorletzten Platz. Deshalb ist es hier da Ziel das kinder-, jugend- und bildungsfreundliche Angebot passgenau zu verstärken. Etwa durch den Ausbau des Familienzentrums in der Waldemarstraße. Oder eine gemeinsame Vernetzung der vielen Einrichtungen im Umfeld. Zu ihnen gehören das Sportjugend-Projekt im Jugendzentrum Naunyn-Ritze, das Jugendprojekt Street UniverCity für außerschulische Bildung und Straßenkultur oder das interkulturelle Theater Ballhaus Naunynstraße, das sich unter der Leitung Shermin Langhoffs in einzigartiger Weise für die Themen und künstlerischen Begabungen der zweiten und dritten MigrantInnengenerationen geöffnet hat.

Bildungs- und Kulturangebote können Synergien auch mit speziellen Jugendhilfeprojekten erzielen; die gemeinwesenorientierten Aktivitäten für den Stadtteil durch Kreativität und Teilhabe gefördert werden. Um die Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in diesem von kultureller Vielfalt besonders geprägten Stadtteil zu verbessern und sie ihre eigenen Potenziale besser nutzen können.

Wolfgang Lenk, Bezirksverordneter und Mitinitiator des Bürgerbegehrens zum Bethanien