Nach siebeneinhalb Jahren im Dienst der Grünen Fraktion, wechselte Dr. Thomas Weigelt im Januar 2020 in die Justiz und war auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet, sein Mandat in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) niederzulegen. Philipp Evenburg sprach mit ihm über seine Zeit in der BVV, mögliche Reformen und Beteiligungsmöglichkeiten in der Bezirkspolitik.
PE: Wie bist du zu den Grünen und in die BVV gekommen?
TW: Im Frühjahr 2012 promovierte ich über bestimmte Rechtsfragen im Stadtentwicklungs- und Bauplanungsrecht. Ein Arbeitskollege machte mich darauf aufmerksam, dass die Grünen noch eine*n Bürgerdeputierte*n für den Stadtentwicklungsausschuss suchten. Das fand ich spannend, obwohl ich mich damals noch nie politisch engagiert hatte. Ich wurde von der grünen Fraktion aufgestellt und von der BVV bestätigt. Bei der nächsten Wahl 2016 wurde ich dann zum Bezirksverordneten gewählt und wurde stellvertretender Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, in dessen Zuständigkeit seit 2016 auch das Wohnen fällt. Das war eine Forderung von uns nach der Wahl, weil wir Themen wie Zweckentfremdung oder Wohnberechtigungsscheine konzentriert in einem Ausschuss haben wollten.
PE: Was nimmst du aus der Zeit, die du jetzt in der BVV tätig warst, für dich mit?
TW: Ich glaube, das Positivste, was ich in Erinnerung behalten werde, ist, wie viele aktive Menschen es gibt, die sich im und für den Bezirk engagieren, also nicht für sich persönlich, sondern für das Gemeinwohl! Das ist eine ganze Welt, zu der ich vorher kaum Zugang hatte. Wenn der Eindruck vermittelt wird, keiner interessiere sich mehr für die Gesellschaft, alle seien nur Individualisten und es herrsche überall Politikverdrossenheit, dann entspricht das nicht meiner Wahrnehmung. Und der zweite Punkt, weswegen ich von am Anfang an bei der Stange geblieben bin: Es ist schön, wie unser demokratisches System dafür sorgt, dass man Dinge beeinflussen kann. Bei den Bauvorhaben kann man viel gestalten und vieles zum Guten verändern.
PE: Was könnte die BVV besser machen?
TW: Die Diskussionskultur hat in den letzten acht Jahren sehr gelitten. Persönliche Angriffe, vor allem gegen die Amtsträger*innen, die Bezirksamtsmitglieder, haben meiner Meinung nach in der Diskussionskultur – vor allem in der Kommunalpolitik – nichts zu suchen. Das ist von den handelnden Personen geprägt, hat aber auch strukturelle Gründe. Es gibt weite Bereiche, in denen die BVV nur empfehlen oder ihre Meinung äußern kann. und dann werden die Amtsträger*innen angegangen, um das zu kompensieren. Eine quotierte Redeliste in der BVV, bei der Männer und Frauen die gleichen Redeanteile haben, würde da sicher helfen.
Ein zweites strukturelles Problem liegt in der unklaren Abgrenzung der Verantwortungen. Beispielsweise sollte man festlegen, dass alles, was mit Straßen zu tun hat, der Bezirk verantwortet. Damit hätte man auch mehr lokale Gestaltungsmöglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Anwohnenden. Das Beispiel Bergmannstraße hat gezeigt, wie verworren das Zusammenspiel aus Senat und Bezirk sein kann.
PE: Was bringt für dich die Zukunft? Und hast Du einen Tipp für Menschen, die sich im Bezirk oder vielleicht sogar in der BVV engagieren wollen?
TW: Ich bin jetzt Richter und da habe ich mal wieder die Chance, Bezirkspolitik mit etwas Distanz zu betrachten. Aber ich habe mich acht Jahre mit viel Freude engagiert. Der erste Schritt kann schwierig sein, aber vor allem bei den Grünen ist es relativ einfach, sich zu engagieren. Das Wichtigste ist, ein Thema zu haben, für das man sich begeistern kann und wo man etwas tun will. Das war bei mir die Stadtentwicklung. Ich finde es noch heute spannend, mir Bebauungspläne anzugucken. Toll für den Einstieg sind die Bürgerdeputiertenmandate. Man kann dann mal bei einigen Ausschuss-Sitzungen hineinschnuppern und auch unsere Fraktionssitzungen sind öffentlich. Außerdem gibt es seit einigen Jahren die BVV-Neuentreffen. Das ist eine Einführung in die BVV-Arbeit und die Möglichkeit, sich begleitet eine BVV-Sitzung anzuschauen. Ich finde das eine coole Sache. Ich bin auch traurig, mein Mandat abgeben zu müssen. Bei der letzten Abstimmung, an der ich teilgenommen habe, ging es um die Umbenennung des Heinrichplatzes zum Rio-Reiser-Platz. Ein gutes Thema, bei dem die BVV zu entscheiden hatte. Der Abstimmung voraus ging eine ehrliche und vom Ton her angemessene Debatte um die Sache. Das war ein schöner Abschluss, das hat mich mit Freude erfüllt.
PE: Vielen Dank für deinen Einsatz und alles Gute für die Zukunft.
Philipp Evenburg für den Stachel 04/2020