DS/1013-01/IV Änderungsantrag

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt wird beauftragt, die Verträge für die bezirkseigenen Werbeflächen im Rahmen der Vertragsfreiheit so anzupassen, dass die Präsentation von diskriminierender, frauenfeindlicher und sexistischer Außenwerbung auf bezirkseigenen Flächen nicht mehr zulässig ist.

Bei allen Werbeverträgen, die das Bezirksamt abschließt, soll mit den Vertragspartner*innen vereinbart werden, dass Werbung, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder sexuellen Identität herabwürdigt, zurückzuweisen ist. Wird dieser vertraglichen Vereinbarung zuwider gehandelt, ist die jeweilige Werbung durch die Vertragspartner*innen abzuhängen. Eine Begutachtung der Werbeplakate im Vorfeld durch den Bezirk findet nicht statt. Lediglich, wenn sexistische Werbung publiziert wurde bzw. Beschwerden über bezirkseigene Werbeflächen vorliegen, ist das Bezirksamt aufgefordert, die Werbung zu prüfen. Hierzu wird das Bezirksamt beauftragt, einen Vorschlag für ein geeignetes Verfahren zu unterbreiten.

Was ist diskriminierende, frauenfeindliche und sexistische Außenwerbung?
Unten stehende Kriterien werden von Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung
gemeinsam regelmäßig evaluiert und angepasst. Als Grundlage sollen die wie folgt leicht
veränderten Kriterien des Österreichischen Werberats dienen:

„Geschlechterdiskriminierende Werbung (sexistische Werbung) liegt insbesondere vor, wenn

a. Frauen oder Männer auf abwertende Weise dargestellt werden;

b. die Gleichwertigkeit der Geschlechter in Frage gestellt wird;

c. Unterwerfung oder Ausbeutung [nicht kritisch] dargestellt oder zu verstehen gegeben wird, dass Gewalt oder Dominanzgebaren tolerierbar seien;

d. die Person in rein sexualisierter Funktion als Blickfang dargestellt wird, insbesondere
dürfen keine bildlichen Darstellungen von nackten weiblichen oder männlichen Körpern
ohne direkten inhaltlichen Zusammenhang zum beworbenen Produkt verwendet werden.

e. eine entwürdigende Darstellung von Sexualität vorliegt oder die Person auf ihre Sexualität reduziert wird;

f. Personen abgewertet werden, die nicht den vorherrschenden Vorstellungen über
Zugehörigkeit zu einem Geschlecht entsprechen (z.B. intersexuelle, transgender
Menschen).

g. Werbung für sexuelle Dienstleistungen darf, soweit sie rechtlich zulässig ist, die Würde von Menschen, insbesondere von SexdienstleisterInnen, KonsumentInnen oder PassantInnen, nicht verletzen. Körper und insbesondere weibliche oder männliche Sexualität dürfen nicht unangemessen dargestellt werden. Dabei ist auch besonders auf die Platzierung und das jeweilige Umfeld des Werbesujets zu achten.

h. Werbung darf Aufstachelung zum Hass, […] weder aufweisen, noch billigen, fördern oder verherrlichen. Werbung darf insbesondere kein Material enthalten, das, wenn es im
jeweiligen Zusammenhang beurteilt wird, Gewalt gegen Frauen [und Männer] billigt, fördert oder verherrlicht oder Mädchen und [Jungen] in sexualisierter Weise darstellt.“

(Quelle: Österreichischer Werberat (Verein Gesellschaft zur Selbstkontrolle der Werbewirtschaft). Vgl. http://www.werberat.at/show_4274.aspx, Zugriff am 01.12.2013)

Zudem setzt sich das Bezirksamt bei der zuständigen Senatsverwaltung dafür ein, dass die Regeln auch für Flächen zur Geltung kommen, die aus direkten Verträgen zwischen Land und Außenwerbern resultieren.
Der BVV ist im April 2014 zu berichten.

Begründung:

Was andere EU-Staaten und Bundesländer können, soll auch in Friedrichshain-Kreuzberg möglich sein. Wir nehmen uns Österreich, die Freie Hansestadt Bremen und Ulm in Baden-Württemberg zum Vorbild und wollen verbindliche Regeln gegen diskriminierende, frauenfeindliche und sexistische Werbung auf Werbeflächen im öffentlichen Eigentum einführen. Nicht mehr und nicht weniger.

Die Vorgeschichte: Engagierte Bürger*innen kritisieren Werbeflächen im Bezirk

Mit einem Einwohner*innen-Antrag machte die Initiative „Amt für Werbefreiheit und Gutes Leben“ auf die negativen Folgen der im öffentlichen Raum omnipräsenten Werbung aufmerksam.

Werbung setzt Kaufanreize und vermittelt viel zu oft Stereotype statt Vielfalt. Weil Werbung auffallen muss, provoziert sie. Auch indem Menschen und deren Körperteile als bloße Dekoration dienen, indem Menschen herabgewürdigt werden oder indem Gewalt als tolerierbar dargestellt wird.

Geschlechterdiskriminierende Darstellungen sind auf Werbeflächen im öffentlichen Eigentum keineswegs angemessen. Schließlich ist in Art. 3 unseres Grundgesetzes einerseits die Gleichberechtigung der Geschlechter festgeschrieben, andererseits auch eine aktive Förderung der Gleichstellung durch den Staat eingefordert.

Regeln gelten für Verträge zwischen Bezirksamt und seinen Vertragspartner*innen

Daher halten wir eine neue Werberegel zur Vermeidung von sexistischer Werbung im Rahmen der Vertragsfreiheit für notwendig und angemessen. Während Tabak- und Alkoholwerbung bereits seit 2008 untersagt sind, wollen wir auch zum Ausdruck bringen, dass sexistische und diskriminierende Reklame auf bezirkseigenen Flächen unerwünscht ist. Wir folgen dabei Beispielen aus anderen Städten in Deutschland, die vergleichbare Werberegeln bereits eingeführt haben – in Ulm z.B. schon vor 20 Jahren.

Neue Regel: inhaltlicher Zusammenhang zum beworbenen Produkt

Zudem führt die Präsentation von Frauenkörperteilen als Verkaufsargument für alle möglichen Artikel wie beispielsweise Autos, Brotaufstriche oder Uhren (welche eigentlich in keinem Zusammenhang zur Nacktheit stehen) zu einem Objektwerden: Der Frauenkörper – oder Teile davon – werden schlicht als Dekoration benutzt. Dieser wird somit nicht als menschlich und nicht zu einer handelnden Person zugehörig gewertet. Damit wird der Anschein der sexuellen Verfügbarkeit von Frauenkörper(teile)n erweckt und kann in der Realität zur gesellschaftlichen Legitimation für Grenzüberschreitungen und Übergriffen auf Frauen beitragen.

Personalnot und gekürzte Finanzmittel der Bezirke

Auch wenn der Bezirk – aufgrund der unzureichenden finanziellen und personellen Ausstattung – leider nicht auf alle Werbeeinnahmen verzichten kann, macht die zunehmende Werbeflut ein Umdenken dringend erforderlich.

Diversity-Richtlinie für die Außendarstellung

Das Bezirksamt arbeitet bereits an einer „Diversity-Richtlinie für die Außendarstellung und
Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung in Friedrichshain-Kreuzberg“ (DS 0519/IV) – Dieser Anspruch muss auch in Verträgen mit Dritten zur Geltung kommen, damit diese Richtlinien den öffentlichen Raum nachhaltig positiv gestalten.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 25.02.2014
Bündnis 90 Die Grünen/SPD/DIE LINKE/PIRATEN
Antragsteller*innen: Susanne Hellmuth, Tesse Mollenhauer-Koch, Claudia Richter, Michael Herbst

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