Die steigende Zahl alter Menschen in Berlin, die in Armut leben oder pflegebedürftig sind, stellt uns vor immer größere Probleme. Die Politik muss schleunigst handeln.
Als im Frühjahr 2009 die aktuellen Zahlen der Betroffenen von Grundsicherung im Alter für Berlin veröffentlicht wurden, brach in der Stadt eine heftige Debatte zur Altersarmut los. Zwischen 2007 und 2008 war ein sprunghafter Anstieg der Armutsgefährdungsquote für Menschen ab 65 Jahren von 7,4 auf 8,1 Prozent zu verzeichnen. So viele Menschen müssen in Berlin mit weniger als 60% des mittleren Einkommens auskommen. Mit der näherrückenden Wahl zum Abgeordnetenhaus wird die Diskussion wohl wieder aufkommen. Der rot-rote Senat bleibt wichtige Antworten schuldig. Sowieso: Das Problem Armut scheint für Rot/Rot nicht so relevant zu sein, stammt der letzte Armutsbericht für Berlin doch aus dem Jahr 2002.
Altersarmut nimmt zu
Dieser hatte als ein Hauptproblemfeld die steigende Altersarmut aufgezeigt. Vor Mauerfall und deutscher Einheit war die Situation im Westteil der Stadt durch die subventionierte Wirtschaft und im Ostteil durch eine zumindest formale Vollbeschäftigung gekennzeichnet. In der Folge gab es meist lückenlose Erwerbsbiographien und dementsprechend hohe Rentenansprüche. Diese Jahrgänge verlieren für das Rentensystem mit immer größerem zeitlichen Abstand zur Wiedervereinigung an Bedeutung für das Rentensystem. Es kommen vermehrt Jahrgänge in das Rentenalter, deren Erwerbsbiographien von Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung und niedrigen Löhnen gekennzeichnet sind. Diese Menschen werden auf die Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII angewiesen sein, die den Hartz-IV-Sätzen entspricht und fallen aus dem Rentensystem raus.
Grüner Vorschlag: „armutsfeste“ Garantierente Perspektivisch kann die Lösung nur in einer Abkehr vom umlagebasierten Rentensystem, hin zu einer von uns Grünen schon seit längerem vorgestellten Modell einer „armutsfesten“ Garantierente, ein Mindesteinkommen für Rentner, liegen. Lösungen, die demgegenüber auf eine kapitalgedeckte Säule der Alterssicherung setzten, können die aufgezeigten Probleme unmöglich lösen, da den betroffenen Menschen die entsprechenden finanziellen Mittel hierfür schlicht und ergreifend fehlen. Die Idee einer kapitalgedeckten Finanzierungssäule, bei der die Rente wie ein persönliches Sparkonto funktioniert, kann die geschilderten Probleme der Geringverdienenden nicht lösen: Sie besitzen dafür zu wenig Kapital.
Steigende Ausgaben bei der Pflege
Mit zunehmender Lebenserwartung steigt die Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit in hohem Alter. Auch in diesem Problemfeld bleibt uns die Rot/Rote Landesregierung die Antworten weitestgehend schuldig. Fakt ist: Weil immer mehr Menschen zu Pflegefällen werden, die Anspruch auf staatliche Hilfen zu Pflege haben, steigen die Ausgaben. Besonders die sogenannte „Pflegestufe null“, bei der Patienten eine Betreuungszeit von weniger als 45 Minuten pro Tag in Anspruch nehmen, wird immer häufiger in Anspruch genommen.
Die Berliner Situation ist auch durch eine mangelhafte Kommunikation zwischen den einzelnen beteiligten Akteuren in den beteiligten Behörden in den Bezirken und auf der Landesebene gekennzeichnet. Die einer Gewährung von Pflegeleistungen zu Grunde liegenden Verwaltungsabläufe sind völlig intransparent, die Möglichkeiten des gegenseitigen Lernens der Bezirke untereinander werden nicht ausgeschöpft. Obwohl sie diejenigen sind, die den Pflegebedarf feststellen und die Leistung gewähren und finanzieren.
Pflege wird immer ökonomischer
Dem Problem der Ökonomisierung und Rationierung im Bereich der Pflegedienstleistungen und dem damit sich zwangläufig stellenden Problem der Qualitätssicherung kann nur mit einem abgestimmten und konsequenten Vorgehen gegenüber problematische Praktiken einzelner Anbieter begegnet werden. Davon ist in der politischen und behördlichen Praxis bis jetzt wenig zu spüren.
Altersarmut und ihre Folgen müssen stärker in die soziale Planung und die Handlungsstrategien einbezogen werden. Unter Rückgriff auf das Lebenslagekonzept, also die Orientierung an der tatsächlichen Lebenswelt der Menschen und die kieznahe Versorgung (auch Sozialraumkonzept genannt) muss noch stärker diskutiert werden. Die Unterbringung in Pflegeheimen ist ein Auslaufmodell, weil die Menschen an ihrem Lebensort auch in hohem Alter und bei Pflegebedürftigkeit verbleiben und an ihrem gewohnten Alltagsleben weiter teilhaben wollen.
Abschließend: Was die Problemlösung der zu erwartenden Altersarmut betrifft, sind die Grünen programmatisch durch das Modell der Garantierente gut aufgestellt. Soweit es um die Lösung aktueller Probleme im Bereich der Pflegebedürftigkeit geht, so hat keine der Parteien bis jetzt wirklich überzeugende Antworten. Diesen Fragen und Herausforderungen müssen wir uns auch als Grüne noch verstärkt stellen.
Marianne Burkert-Eulitz, Bezirksverordnete