In der Nacht zum 11.März 2017 ist Hans Panhoff, unter anderem auch viele Jahre lang Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, nach schwerer Krankheit verstorben. Am 31. März fand dann die Trauerfeier unter Anteilnahme vieler, vieler Menschen in der Kirche der evangelischen Taborgemeinde statt. Es gab viele bewegende Momente der Erinnerung. So auch eine Rede von Jana Borkamp, die als ehemalige Stadträtin für Finanzen, Facility Management, Kultur und Bildung im Bezirksamt gemeinsam mit Hans Politik für Friedrichshain-Kreuzberg gemacht hatte. Diese Rede drucken wir nun als unseren Abschied von Hans hier ab, weil sie vielen von uns aus dem Herzen gesprochen hat und wir unsere Trauer, aber auch unsere Erinnerung an Hans kaum treffender in Worte fassen könnten.
Die Stachelredaktion
„Wenn Ihr mich sucht, sucht mich in Euren Herzen. Habe ich dort eine bleibende Heimat gefunden, so lebe ich in Euch gerne weiter.“
Bei Hans möchte ich ergänzen, wenn wir Hans suchen, finden wir ihn hier in diesem seinem Bezirk – der ihn geprägt und politisiert hat. Der ihm Heimat wurde und in dem er weiter lebt.
Wir finden Hans in der bezirklichen Kulturarbeit, der lebendigen Freien Szene. Denn schon 1990, noch bevor Hans zu den Grünen kam, wurde er in eine damals neu geschaffene bezirkliche Kulturjury gewählt. Und später als Stadtrat half er mir häufig die Wege zu finden, wie manches Projekt doch noch genehmigungsfähig und damit umsetzbar wurde.
Wir finden Hans im Görlitzer Park, der nach seiner Vision gemeinsam von Anwohnern und Verwaltung ein kollaboratives Parkwerk bekam. Der gepflegt werden soll – ohne Menschen zu verdrängen, aber einladend werden soll, für Menschen die sich gerade nicht eingeladen fühlen. Kein Gartendenkmal, sondern ein Ort für alle. Denn Hans dachte die sozialen Räume, die Menschen und die Natur zusammen.
Wir finden Hans in der widerständigen Protestkultur der Initiativen, die für bezahlbaren Wohnraum kämpfen, denn Hans war nicht nur Hausbesetzer sondern auch Stadtgestalter und kämpfte mit Milieuschutzverordnung und Vorverkaufsrecht für einen Bezirk der lebens- und liebenswert bleiben sollte. Für seinen Bezirk.
Wir finden Hans in den neuen Radwegen, die er bauen ließ. Und den hunderten von Fahrradbügeln, die er errichten ließ. Eigentlich müssen wir nur vor die Tür gehen und die Zeichen sehen, die Hans uns in diesem Bezirk hinterlassen hat und wir werden ihn nicht vergessen.
1996 trat Hans bei den Grünen ein. Wahrscheinlich als logische Konsequenz aus seinem Leben und seinen politischen Aktivitäten. Hans war Stadtplaner und Hausbesetzer, Stratege und Künstler, Teil der Schwulenbewegung und nach Berlin Kreuzberg gekommen um seine Freiheit und Heimat zu finden. All diese Facetten brachte er in seine politische Arbeit ein. Im Geschäftsführenden Ausschuss, in unzähligen Wahlkämpfen, in der BVV und seit 2009 als Stadtrat. Ich erinnere mich an eine Dokumentation aus Hausbesetzerzeiten, bei der man Hans im gestreiften Strickpulli sah, wie er stolz zeigte, was man gemeinsam geschaffen hatte.
„Gemeinsam etwas selber machen“ – so war Hans und so habe ich ihn vor allem als Stadtrat kennengelernt. Aber wahrscheinlich war er schon immer so. Kein Prahlhans. Keiner der Dinge um der Position, des Fortkommens oder des Status wegen gemacht hätte. Sondern ein Mensch, der überzeugt war von dem, was er tat. Der eine Idee hatte vom Bezirk und den Dingen, die fehlten. Einer der Kämpfte, aber vor allem gemeinsam mit den Grünen und der Verwaltung etwas verändern wollte. Manches Mal auch bewahren.
Was macht den Bezirk lebenswert? Und wie vermeiden wir, dass das gleichzeitig zu stärkerer Gentrifizierung führt und die Menschen, die hier leben, verdrängt werden? Hatte er sich etwas in den Kopf gesetzt, konnte er auch ein Dickkopf sein und nicht selten haben wir stundenlang diskutiert, gerungen und abgewogen. Bewundert habe ich Hans Beharrlichkeit und Ausdauer. Stunde um Stunde – Bürgerveranstaltung um Bürgerveranstaltung um ein bisschen weiter zu kommen und die Menschen mitzunehmen. Dabei ärgerte ihn, wenn er merkte, dass Einzelinteressen über das Gemeinwohl gestellt wurden – wenn einzelne ihre Autos längs statt quer parken wollten und damit Verbesserungen für die vielen anderen ohne Autos, mit Kinderwagen und Rollstuhl blockierten. In solchen Diskussionen konnte Hans aufbrausend sein. Dabei jedoch immer klar – manche sagen unbequem oder kantig. Als jemand, der in einer ähnlichen Rolle gewesen ist, kann ich nur sagen, dieses Beharren und manchmal Unbequem-Sein hat geholfen, Dinge zu bewegen. Es haben sich Menschen an Hans gerieben, aber Hans hat Position bezogen, Haltung gezeigt und gerade deswegen Dinge bewegt.
Ich habe in den letzten Tagen Grüne gefragt– was war für euch das Besondere an Hans – und neben vielen Geschichten über sein strategisches Talent, seinen Ideenreichtum beim Wahlkampf und seine Kreativität, häuften sich zwei Aussagen: Hans hatte einen Blick für die Details und konnte gleichzeitig die großen Linien entwickeln. Und zweitens: Hans kannte jede Ecke, jeden Baum und jedes Haus dieses Bezirkes und konnte dazu eine Geschichte erzählen. Manchmal kam Hans zu unserer wöchentlichen Bezirksamtssitzung, zückte sein Handy und zeigte Bilder, die er am Wochenende oder auf dem Weg zur Arbeit aufgenommen hatte. „Hier müssen wir was machen“, lautete meist seine Einleitung.
Auch ein Mitarbeiter von Hans erzählte mir ähnliches. Am Anfang seien die Kollegen in der Verwaltung verunsichert gewesen. Überall war der Chef unterwegs und machte Bilder. Aber schnell merkten sie, dass es Hans nicht darum ging, sie zu kontrollieren, sondern gemeinsam mit ihnen Lösungen zu diskutieren. Zu schauen, ob die Maßnahmen oder das Geld ausreichten. Hans liebte es, mit seinen Mitarbeitern Fachdiskussionen zu führen. Auf Augenhöhe. Dabei war sowohl die Meinung der Mitarbeiter*in gefragt, – aber auch Hans brachte seine fachliche Expertise ein. Ein Ergebnis dieser Fachdiskussionen ist die neue Aula des Händelgymnasium, bei deren Planung er intensiv über die Frage von Sichtbeton oder einfach oder mehrfach legiertem Metall als Fassade diskutierte. Öffentliches Bauen hatte für ihn auch eine ästhetische Dimension. Manchmal stritten wir beide uns dann um das Geld. Aber ich muss sagen: die Gebäude, für die Hans mit seinen Mitarbeiterinnen Fördermittel suchte und fand sind alle schön geworden.
Dabei war Hans immer verlässlich und solidarisch. Wir konnten als Stadträte im Team arbeiten und ich wusste, ich konnte mich immer auf ihn verlassen. Andersherum natürlich auch, obwohl ich nicht schlecht geschaut habe, als Hans mitten im Jahr 700 Tausend Euro für Baumnachpflanzungen haben wollte. Er war einfach schneller gewesen als geplant. Hans machte viel und sprach wenig darüber. Fahrradwege, Fahrradbügel, Spielplatzsanierungen. Ich glaube, er war sogar der Ideengeber für das Spielplatzsanierungsprogramm.
Ich glaube, ich kann sagen: seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzten Hans sehr. Er war ein Chef, der mit seinen Mitarbeiter*innen auf Augenhöhe sprach und arbeitete. Der diskutierte und gemeinsam die beste Möglichkeit suchte. An vielen von Hans Projekten, wie dem Görli oder dem Vorkaufsrecht, wurde mit Herzblut gearbeitete. Auch wenn es keine einfachen oder gewöhnlichen Projekte waren, sondern jeder Schritt ein neuer war. Hans Verwaltung machte mit, brachte sich ein und konnte darauf vertrauen, dass ihr Chef vor ihnen stand, wenn mal etwas in die Binsen ging oder der Wind rauer blies. In den drei Jahren, die wir gemeinsam im Bezirksamt waren, blies häufig ein rauer Wind. Eine Landespolitik, die weder die Ziele noch den Mut hatte, den man braucht, um die Probleme des Bezirkes anzugehen. Bürger*innen, denen die Erfolge zu klein und deren Erwartungen hoch waren. Investoren, denen soziale Verantwortung mühsam abgerungen werden musste.
Gleichzeitig bewegte uns und den ganzen Bezirk ein Thema, das erst viel später im Bewusstsein des Landes- und der Bundespolitik ankommen sollte. Die Geflüchteten auf dem Oranienplatz und später in der Schule. Wochen-, monatelang ging Hans Freitag für Freitag zum Plenum um mit den Menschen, die entschieden hatten in der Schule zu leben, eine Lösung zu finden. Überzeugt, dass Selbstorganisation und eine konstruktive Lösung möglich ist. Auf Englisch, Französisch und Deutsch diskutierte, plante und überlegte er. Ging ungewöhnliche Wege, probierte und probierte. Zu lernen, dass kein tragfähiger Kompromiss möglich war, war bitter und politisch und persönlich eine Belastung für Hans. Aber was ich Hans hoch anrechne, ist, dass er nicht das Handtuch geschmissen hat, wie ich es wohl dutzende Male in dieser Zeit tun wollte, sondern die Verantwortung übernommen hat. Entscheidungen getroffen hat und das im vollen Bewusstsein, dass er sich etwas anderes gewünscht hätte, es aber nicht möglich war.
Wenn man Hans kennt, erscheint es so absurd, dass er in den Medien fast nur mit diesen Ereignissen verbunden – ja darauf reduziert wird. Und das es fast nur ihm angelastet wird. Wir waren 5 Menschen in diesem Bezirksamt und Hans war derjenige der sich am ausdauerndsten für eine friedliche Lösung eingesetzt hat. Ich glaube, Hans würde sich freuen, wenn er hören würde, dass nach Lösungen für die Geflüchteten vom O-Platz gesucht wird. Hans würde sich freuen, wenn er sehen könnte, dass sein Parkkonzept Anerkennung und Nachahmer findet und wenn es diesem und anderen Bezirken gelingt, nach seiner Rettung der Wrangel 66, auch noch weitere Häuser zu sichern – für die Menschen, die drin wohnen.
Khalil Gibran sagte“ Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe“ – das passt zu Hans, der seine Arbeit als Stadtrat liebte. Und ich wünsche mir, dass wir etwas von dieser Liebe zu Kreuzberg und auch zu uns sehen, wenn wir durch diesen Bezirk gehen oder radeln und an vielen Ecken denken können – und das ist da, weil Hans es gemacht hat.
Jana Borkamp