Mais für Plastikenten. Kein Mais für Enten. Fortschritt ist alles.
Vor meinen Augen geschah es. Um mich herum schützende Dunkelheit. Aber vor mir das Röcheln des Opfers, das Gurgeln des Wassers in der Flasche und dazu das kalte Lächeln des Tyrannen. Die Exekutionsmethode entzieht dem Opfer binnen Sekunden das gesamte im Körper enthaltene Wasser und sammelt es klar in einer Wasserflasche. Übrigens ganz ähnlichen denen, die jeder von uns aus dem Supermarkt kennt, meist mit französischen Markennamen. Was in dem Film „Tankgirl“, 1995 unter der Regie von Rachel Talalay, genüsslich zelebrierte Horrorvision für 2033 war, ist wohlmöglich schon bald an Wahrheit grenzende Wirklichkeit. Aber vielleicht wird der Tyrann sich dabei nicht einer Plastikflasche bedienen können.
Bunte Plastikwelt
Relativ unbeachtet in der Diskussion um Klimawandel, fossile Energiequellen, Autos und Heizungen schwindet mit den Erdölreserven der Welt auch der Basisrohstoff für die meisten der uns umgebenden Produkte. Klar, die französische Wasserflasche lässt sich problemlos durch eine aus Glas oder noch besser durch Wasser aus der Leitung ersetzen. Dann braucht man auch keinen Getränkekasten. Bierkästen könnten wieder aus Holz gefertigt werden. Vielleicht aus Bambus und in Gitterstruktur, denn Bambus wächst schnell nach und ist bei geringem Gewicht sehr stabil. Der Lampenschirm aus Glas oder aus Leichtmetall. Die Hülle des Kugelschreibers und seine Miene aus Blech. Die Dichtungsgummis der Isolierglasfenster, das Silikon zwischen den Scheiben aus Kautschuk? Synthetischer Kautschuk wird aus Erdöl hergestellt. Natürlicher Kautschuk ist längst keine industrielle Massenware mehr. Bei der Metallverarbeitung sind wiederum Schmierfette unabdingbar. Auch diese sind Erdölprodukte. In der Medizin ist nicht einmal der weiße Rock des Arztes frei von Erdöl. Die Petrochemie liefert Produkte an die Pharmaindustrie, genauso wie an die Apparatehersteller. Gerade in der Landwirtschaft ist Erdöl in seiner petrochemischen Verarbeitung ein ebenso integraler Bestandteil wie Wasser und Saatgut. Wir leben wortwörtlich in einer Plastikwelt. Das Ende des Erdöls stellt nicht nur eine Herausforderung für die Energieversorgung, sondern für unser Leben insgesamt, wie wir es heute kennen, dar.
Die Suche nach Ersatzstoffen
Bekannt sind aber bis dato meist Projekte zur alternativen Treibstoffgewinnung und zum Energiesparen. Biokunststoffe sind noch Forschungsobjekte. Um die Ressource Erdöl künftig stärker der Verwertung als der Verbrennung zuzuführen, greifen die Forscher auf Erkenntnisse aus der Vor-Petrozeit zurück , also auf Forschungen, Feldversuche und Produktionsverfahren aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Z. B. Rizinusöl für Schmierstoffe, Kleber, Lacke etc.. Die Firma Castrol, deren Name und Geschichte sich von der Pflanze Rizinus (englisch castor bean) herleitet, preist heute jedoch nur Produkte aus der konventionellen und bislang billigeren Petrochemie an. So wie auch die Konkurrenz soweit das Auge reicht. Ökobewußte Konsumenten können zwar vereinzelt auch schon Plastetüten aus Mais oder Maiskugelschreiber kaufen. Doch noch sind diese Biokunststoffe weit davon entfernt eine ernsthafte Konkurrenz für ihre Erdölverwandten zu sein. Nicht stabil genug, zu teuer in der Herstellung, nicht vielseitig genug.
Bei BASF schätzt man den Zugang zu Erdöl auf Jahrzehnte als gesichert ein. Denn, so der UnternehmensPRmann Michael Grabicki, die petrochemische Industrie verbrauche nur ein Zehntel der Gesamtfördermenge von Erdöl pro Jahr und dieses – mit einem Seitenhieb auf die Erdöl verbrennende Industrie – „sehr ressourceneffizient“. Dennoch hat BASF als eines der weltmarktführenden Petrochemiefirmen die Frage des Rohstoffwandels als bedeutend erkannt und forscht nach Alternativen. Das könne Kohle aber auch nachwachsende Rohstoffe sein. Tatsächlich ist die Abhängigkeit der Kunststoffindustrie von fossilen Kohlenwasserstoffen, sprich Erdöl, Erdgas und Kohle, jedoch total. Alle Prozesse zur Gewinnung von Kohlenwasserstoffen für die industrielle Nutzung basieren auf diesen endlichen Rohstoffen.
Lieber Mais im Bauch als im Ohr
Versuche mit nachwachsenden Rohstoffen wie Stärke aus Mais oder Kartoffeln sind von der Marktreife weit entfernt, wenn auch aus der Sicht der Verfahrenstechniker viel versprechend. Es ist machbar, propagiert die mit staatlichen Mitteln finanzierte Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe. Doch sollte man dabei bedenken, dass die zur Nahrungsproduktion geeignete globale Fläche begrenzt ist und außerdem schwindet. Möglicherweise sind daher Biokunststoffe mit ähnlichen Haken versehen wie Biokraftstoffe oder Großanlagen zur Biogasgewinnung. Es gibt also wirklich wichtige Gründe für das persönliche Engagement beim Energiesparen. Denn wer will schon auf die kleinen Dudelplastikknöpfe im Ohr und die schönen dunklen Brillen von Gucci & Co in dieser schröklichen Zeit verzichten?
Barbara Fischer
weitere info: Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe e.V. www.fnr.de |