Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann(Bündnis 90/Die Grünen) vom 19. Mai 2009 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Mai 2009) und Antwort

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1. Welche Vorsorge trifft der Senat, wenn die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus 2010 auslaufen?

Zu 1.: Die Förderung im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ (BMFSFJ) begann im Januar 2007 und endet Mitte (in Ausnahmefällen Ende) 2010. Das Programm ist pädagogisch-präventiv angelegt und hat im Focus Demokratieerziehung, Partizipation und Stärkung der Toleranz junger Menschen. Die Berlinweite Koordinierung der Förderung im Rahmen dieses Bundesprogramms erfolgt durch die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Der Beauftragte für Integration und Migration kofinanziert 4 Modellprojekte im o. g. Förderprogramm des Bundes. Grundsätzlich sind die Modellprojekte auf eine begrenzte Dauer angelegt und enden mit Ablauf der Förderungsdauer. Die jeweiligen Arbeitsergebnisse und methodischen Ansätze werden dokumentiert und stehen als „good practice“ interessierten Einrichtungen und Institutionen zur Verfügung. Eine Vorsorge im Berliner Landeshaushalt erfolgt nicht. Gleichwohl wird nach Abschluss der Projekte und nach Bewertung der Arbeitsergebnisse geprüft, ob ggf. Teile im Rahmen der Haushaltswirtschaft weiter finanziell unterstützt werden können. Das Bundesprogramm „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) will Beratung vor Ort in Konfliktsituationen mit rechtsextremistischem, fremdenfeindlichem oder antisemitischem Hintergrund unterstützten. Das Programm ist degressiv angelegt und endet mit Ablauf des Jahres 2010. Durch dieses Programm werden – für die Berliner Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus – zentrale Arbeitsansätze gefördert: Die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ (MBR), das Projekt „Interventionsstruktur ‚Proaktiv gegen Islamophobie und politische Ideologisierung von Religion in Berlin“ in der Trägerschaft der Stiftung SPI sowie „ReachOut – Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“. Diese Projekte haben sich zu gut vernetzten Kompetenzzentren entwickelt und haben sich Vertrauen, Anerkennung und fachliche Reputation erarbeitet. Die Arbeit dieser Projekte ist von zentraler Bedeutung für die Umsetzung der Berliner Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Um die Fortsetzung der genannten Projekte sicher zu stellen, hat der Senat im Entwurf des Doppelhaushaltes 2010/11 eine auskömmliche Veranschlagung der Mittel vorgesehen.

2. Finden Gespräche zwischen den Ländern und dem Bund zur Fortsetzung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus statt? Wenn ja, welche Schwerpunkte legt Berlin in diesen Gesprächen und welche Ergebnisse sind bisher erzielt worden?

Zu 2.: Die Senatorin und der Beauftragte für Integration und Migration haben bei verschiedenen Anlässen gegenüber dem BMFSFJ auf die Verantwortung des Bundes bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus hingewiesen und die Auffassung vertreten, dass auch die langfristige Förderung entsprechender Projekte sowohl Aufgabe der Länder als auch des Bundes sei.

3. Wie viele und welche konkreten Projekte und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus sind von 2007 bis heute finanziell aus dem Landesetat unterstützt worden? (bitte Auflisten nach Jahr, Träger, Zuschusshöhe und Titel inklusive Bezeichnung im Landeshaushalt z.B. resbectABel oder Landesprogramm gegen Rechtsextremismus)

Zu 3.: Das Jugendprogramm „respectABel – Aktion Berlin“ ist ein gemeinsames Programm der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung und des Stiftungskonsortiums aus Stiftung Demokratische Jugend und der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin. Unter dem Motto „Aktion Berlin -Jugendinitiativen für Toleranz und Verantwortung – wir bewegen Berlin!“ werden kleine Projekt für junge Menschen ab 12 Jahren mit maximal 3.500 € p.a. finanziell unterstützt. Dieses Programm ist pädagogisch-präventiv angelegt mit dem Focus auf Demokratieerziehung, Partizipation und Stärkung der Toleranz junger Menschen. Die Projekte sind auf der Website www.respectabel.de unter „Projekte in Berlin“ ausführlich nach Jahren dokumentiert. Die im Jahr 2009 vorliegenden Anträge wurden im Rahmen einer Jurysitzung im Mai bewertet, ausgewählt und anschließend bewilligt. Die im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus geförderten Projekte (Einzelplan 0903 Titel 68569) können der als Anlage 1 beigefügten Tabelle entnommen werden. Die Ausgaben für Projekte und Maßnahmen der Landeskommission Berlin gegen Gewalt aus Einzelplan 0500 Titel 54051 – Prävention im Bereich der inneren Sicherheit- sind in Anlage 2 enthalten.

4. Wie viele und welche konkreten Projekte und Maßnahmen gegen Rechtsextremismus erhielten von 2007 bis heute eine Co oder vollständige Finanzierung aus den Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus und wie hoch war jeweils der Finanzierungsanteil des Bundes? (bitte nach Jahr, Programm z.B. „Kompetent für Demokratie“ aufschlüsseln)

Zu 4.: Die als Anlage 1 beigefügte Tabelle enthält alle im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im Zeitraum 2007 bis 2009 geförderten Projekte. Darin enthalten sind alle Berliner Projekte, die durch das Bundesprogramm „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ kofinanziert werden und einige Modellprojekte aus dem Bundesprogramm „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“, für die aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung die fachliche Verantwortung beim Beauftragten für Integration und Migration liegt. Eine vollständige Übersicht der im Rahmen des genannten Bundesprogramms geförderten Modellprojekte kann der in der Verantwortung des BMFSFJ erstellten Website www.vielfalt-tut-gut.de entnommen werden. Ein vollständiger Überblick über die jeweiligen Finanzierungsquellen liegt hier nicht vor. Auf der genannten Website sind ebenfalls alle Lokalen Aktionspläne (LAP’s), darunter 10 Berliner LAP’s mit den zugehörigen Einzelprojekten, dokumentiert. Jeder der in gemeinsamer Verantwortung von Bezirksamt und zivilgesellschaftlichen Akteuren entwickelte Aktionsplan kann – bis zu drei Jahre – maximal 100.000 Euro pro Jahr an Bundesmitteln erhalten. Damit können Einzelprojekte bis maximal 20.000 Euro unterstützt werden, die zur Umsetzung der Ziele des Aktionsplanes dienen.

5. Welche Gremien entscheiden auf Landesebene über diese Mittelvergaben? Nach welchen Leitlinien und Strategien werden diese Mittel vergeben?

Zu 5.: Der Beauftragte für Integration und Migration hat die ihm vorliegenden Modellprojektanträge aus dem Bundesprogramm „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ intensiv geprüft und dann im Rahmen des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus für 4 Modellprojekte eine finanzielle Unterstützung (Ko-Finanzierung) bewilligt. Voraussetzung einer Förderung sind die im genannten Landesprogramm geltenden Förderkriterien. Zu jedem Lokalen Aktionsplan wurde ein Begleitausschuss (BgA) gebildet, der Empfehlungen hinsichtlich der Vergabe der Bundesmittel im jeweiligen Bezirk ausspricht. Ein BgA setzt sich paritätisch zusammen aus relevanten Personen der bezirklichen Verwaltung (Vertreter/innen des Ämternetzwerks) und Vertreter/innen der lokalen Zivilgesellschaft (Einzelpersonen oder aus Vereinen, Verbänden, lokalen Netzwerken etc.). Die Entscheidungen orientieren sich an den jeweiligen, vorab gemeinsam ausgehandelten Zielen des LAP. Die Mittelbewilligung selbst erfolgt dann durch das Bezirksamt.

6. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Evaluationsergebnisse des Landesprogramms und der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus in Berlin und welche Schlussfolgerungen hat er daraus gezogen?

Zu 6.: Das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wird derzeit extern evaluiert. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im Dezember 2009 vorliegen. Darüber hinaus liegt ein 1. Zwischenbericht zur Wissenschaftlichen Begleitung des Programms „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus“ aus der Startphase des Programms vor, der ausdrücklich vorläufigen Charakter hat. Dieser Zwischenbericht beleuchtet die Implementation des Programms auf Bundesebene und enthält weder grundsätzlich bewertende Aussagen zu den Projekttypen noch Hinweise und Empfehlungen für einzelne Bundesländer. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus wurde bereits im Vorgängerprogramm des Bundes „CIVITAS“ gefördert und entsprechend evaluiert. Die Arbeit der MBR wurde in diesem Kontext positiv bewertet und dabei festgestellt, dass die MBR „von ihrer Anlage her das Potenzial (hat), auf die komplexen Anforderungen und lokal bzw. institutionell verschiedenen Bedarfs- und Problemlagen zu reagieren“. Dabei wurde der „offene, moderierende Ansatz“ des innovativen Projekttyps „mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ als besonders erfolgversprechend beim Aufbau von demokratischen Formen der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus bezeichnet.

7. Welche relevanten Aspekte hinsichtlich der Doppelhaushaltsberatungen 2010/2011 liegen dem Senat aus den bisherigen Evaluationsergebnissen der durch Berlin geförderten Projekte und Maßnahmen vor?

Zu 7.: Abschließende Evaluationsergebnisse zu den Bundesprogrammen und zum Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus liegen noch nicht vor.

8. Wie unterstützt der Senat die Übernahme der positiven Ergebnisse von geförderten Modellprojekten in die Arbeit von Schulen, Senats- und Bezirksverwaltung, Polizei, Jugendförderung etc.?

Zu 8.: Die jeweiligen Arbeitsergebnisse und methodischen Ansätze werden dokumentiert und stehen als „good practice“ interessierten Einrichtungen und Institutionen zur Verfügung.

9. Welche Kenntnisse hat der Senat über die Evaluation und die Zukunft der 10 lokalen Aktionspläne in Berlin? Wie wird die Landesstrategie im Kampf gegen Rechtsextremismus in die jeweiligen Strategien der Bezirke integriert bzw. wie werden die Bezirke beim Ausbau einer Strategie unterstützt?

Zu 9.: Die Evaluation der 10 Lokalen Aktionspläne (LAP) im Rahmen des Bundesjugendprogramms „Vielfalt tut gut“ erfolgt durch den Bund bzw. die beauftragte Servicegesellschaft (Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung mbH – gsub). Von daher liegen dem Senat keine Erkenntnisse über die Evaluation vor. Das betrifft auch die zukünftige Entwicklung bzw. Weiterführung/Förderung durch den Bund. Gespräche dazu haben mit den Ländern nicht stattgefunden. Im Rahmen des Jugendprogramms „respectABel – Aktion Berlin“ erfolgt das Coaching der LAP, mit dem der Aufbau der bezirklichen Strukturen unterstützt und begleitet wird. Unter www.vielfalt-tut-gut.de/content/index_ger.html hat das Bundesministerium alle LAP und die wichtigsten Ergebnisse und Projekte eingestellt. Darüber hinaus stehen den Berliner Bezirken die Unterstützungs- und Beratungsangebote der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“ (MBR) und des „Mobilen Beratungsteams“ Ostkreuz der Stiftung SPI beim Ausbau nachhaltiger Strategien zur Verfügung.

Berlin, den 22. Juni 2009 In Vertretung Dr. Petra L e u s c h n e r

Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Juni 2009)