Am 05.03.2009 hat Heidi Kosche in der Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses eine Rede zu geplanten Novelierung des Berliner Nichtraucherschutzgesetzes gehalten.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Seit gut zwei Jahren wird das Nichtraucherschutzgesetz für Berlin diskutiert, und die erste rot-rote Novellierung des derzeitigen Gesetzes, die durch die SPD als Priorität eingebracht wird, ist ein guter Anlass, Bilanz zu ziehen. Als wir 2007 den ersten Entwurf des Nichtraucherschutzgesetzes für Berlin diskutierten, taten wir das hier im Haus und auch in der Öffentlichkeit unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes. Alle Diskussionen und Beiträge stellten die Gefahren – besonders für die Nichtraucherinnen und Nichtraucher durch das Passivrauchen – in den Mittelpunkt. Die 3 300 Toten pro Jahr und die heftigen Krankheiten, die durch passives oder aktives Rauchen entstehen, sollten verhindert werden. Der Zweck des Berliner Gesetzes ist es, die Berliner Bevölkerung vor den Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen zu schützen. Das können wir alle im § 2 nachlesen. Die Berliner Gesundheitssenatorin sprach sogar von radikalen Lösungen damals. Was Juristen heute aus dem Gesundheitsschutz machen, mussten wir eben erleben.

Immer schon ist uns Grünen die Liste der Ausnahmen von diesem Gesetz zu lang gewesen. Auch die Art der Ausnahmen haben wir kritisiert: Da ist die Nebenraumpolitik mit den Möglichkeiten, Nebenräume in Gaststätten zum Rauchen einzurichten, die die Haupträume kontaminieren. Das Rauchen in Nebenräumen von Sportgaststätten, in denen besonders viele Jugendliche sind, haben wir kritisiert und ebenso, dass Chefärzte in Krankenhäusern das Rauchverbot aufheben können. All das ist uns nicht genehm.

Zu dem rot-roten Änderungsantrag, der uns heute vorliegt, vorweg: Wir Grünen bedauern, dass mit der ersten Regierungsnovellierung nicht die Möglichkeit ergriffen wird, die das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich aufgezeigt hat, nämlich einen strikten, ausnahmslosen Nichtraucherschutz für Berlin.

Zu der langen Liste von Ausnahmen, die ich eben erwähnt habe, kommen durch die Novellierung neue wesentliche hinzu. Wie gesagt: Der § 4, die Liste der Ausnahmen, ist die längste Passage in diesem Gesetz. Da ist zunächst die Genehmigung der Wasserpfeifenlokale. Das ärgert mich besonders, weil Raucherinnen und Raucher von Wasserpfeifen überwiegend jung sind. Sie begreifen sich aber wegen der Äpfel und anderer gesunder Zusätze, die in dem Shisha-Tabak enthalten sind, nicht als Tabakkonsumentinnen und -konsumenten. Die WHO – die Weltgesundheitsorganisation – rechnet uns aber vor, dass ein User in einer Wasserpfeifensitzung so viele Schadstoffe zu sich nimmt wie beim Rauchen von 100 Zigaretten. Das scheint Rot-Rot nicht zu stören.

Ich frage mich, was diese weiteren Ausnahmen mit dem Zweck des Gesetzes – § 2 – zu tun haben.

Zweitens, die genehmigten Raucherkneipen: Ich nenne nur ein Beispiel von den wirren Zahlen und Vorstellungen, die uns alle vorgetragen wurden. Es soll künftig staatlich genehmigte Raucherkneipen geben, mit den bekannten Bedingungen, die das Bundesverfassungsgericht genannt hat – es wurde vorgetragen: 75 qm, von Wand zu Wand, kein Nebenraum möglich usw. Unter anderem heißt es dort: „keine vor Ort zubereiteten Speisen“. Heißt das, dass zum Beispiel eine Durchreiche im Lokal zu einem Raum neben der Raucherkneipe, in dem Speisen zubereitet werden, oder ein Raum im Nebengebäude oder Hinterhof oder eine Cateringfirma genügen, um dem Gesetz zu entsprechen? Meiner Meinung nach sind Raucherkneipen damit langfristig im Vorteil gegenüber Gaststätten, die einen rauchfreien Service anbieten wollen, denn Raucherkneipen bieten beides an: Rauchen und Speisen. Das ist die falsche Richtung.

Fazit: Heute, nach zwei Jahren und auch nach der jetzt vorgelegten Novellierung wird hauptsächlich über die Ausnahmen geredet, nicht mehr darüber, wie wir den Gesundheitsschutz am besten umsetzen. Noch mehr Ausnahmen sind aber das Signal in die falsche Richtung. Das Gesetz, das vor den Gefahren des Passivrauchens schützen soll, wird immer löchriger und hat immer mehr Ausnahmen. Es wird immer mehr Verwirrung und Durcheinander in der Stadt geben, was eigentlich gilt, was möglich ist. Der Schutz vor dem Passivrauchen bleibt auf der Strecke.