DS/0611/IV

Mündliche Anfrage

Ich frage das Bezirksamt:

1. Wie viele Jugendliche haben in den Jahren 2011 und 2012 ihre Ausbildung abgebrochen (absolute Zahl und Prozentsatz)?

2. Wie viele Jugendliche befinden sich z. Z. in Übergangsmaßnahmen wie dem „berufsvorbereitenden Jahr“?

3. Verfügt das BA über eine Schätzung, wie viele Jugendliche U25 ohne abgeschlossene Ausbildung geblieben, aber nicht erwerbslos gemeldet sind?

Nachfrage:

1. Welche Überlegungen und Maßnahmen sind zur Zeit in der Diskussion, um das System des Übergangs von der Schule zur Ausbildung zu reformieren?

Beantwortung: Herr Mildner-Spindler

Lassen Sie mich, bevor ich zu Ihren Fragen und den möglichen oder eigentlich fast nicht möglichen Antworten komme, einleitend ein paar Worte sagen. Wenn ich Ihre Fragen 1 und 2 insbesondere beantworte, dann müssen wir darauf hinweisen, dass es dazu statistisch fungiert keine wirkliche Datengrundlage gibt, weil das im Land Berlin so nicht erfasst wird. Das ist keine neue Situation, sondern das ist eine Situation, die wir, man könnte fast sagen, seit Jahrzehnten, solange kann ich mich nicht erinnern, aber zumindest seit Anfang / Mitte der 90er Jahre immer wieder eingefordert haben, gerne zu wissen, mit welcher Perspektive verlassen Jugendliche die Schule und was passiert, wenn die in Angriff genommene Perspektive, Schul-, Ausbildungsabbrüche usw. und so fort dann nicht passiert und wie wird das erfasst, dokumentiert.

Welche Möglichkeiten hat man, einen jungen Menschen in dem Übergang Schule, Ausbildung, Beruf kontinuierlich und verlässlich zu begleiten, so dass auch wirklich ein Erfolg zum Schluss garantiert ist? Da war ich noch BVVMitglied in Friedrichshain, im Jugendhilfeausschuss, im Schulausschuss, da haben wir das schon gefordert und sind immer wieder darauf verwiesen worden, dass in Berlin das nicht erfasst wird und dass Schule dazu nicht verpflichtet ist.

Das ist solange her und so viele politische Verantwortlichkeiten, dass ich mich im Unterschied zu meinen Vorrednern hier, heute nicht in der Lage sehe, all die Farben aufzuzählen, die da ihren Anteil drin haben in den letzten 20 Jahren. Wenn man was verändern will, muss man daran was ändern. Darauf werde ich bei Ihrer Nachfrage dann zu sprechen kommen.

Wenn man sich anguckt, was Hamburg im Moment macht, Hamburg hat, um es einfach mal zu sagen, das Schulgesetz geändert und die Schulen haben die Möglichkeit, die Schulen haben die Pflicht, einen Jugendlichen bis 21 Jahre im positiven Sinne zu verfolgen in seiner Entwicklung, nämlich nachzufragen, wie läuft die Ausbildung? Ist die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen worden? Wo ist jemand abgeblieben, wenn die Ausbildung abgebrochen wurde? Darüber lohnt es sich nicht nur, darüber muss meines Erachtens auch in Berlin diskutiert werden. Ich will zu Ihrer ersten Frage kommen.

Zu Frage 1:

Ich kann Ihnen diese Zahlen so nicht nennen. Wir haben bei der Agentur, wir haben beim Jobcenter nachgefragt. Es gibt dort keine Dokumentation. Es gibt bei Schule keine Dokumentation dazu. Wir werden, das konnten wir bis heute in kurzer Zeit nicht machen, wir werden die IHK und die Handwerkskammer anfragen, was sie an Zahlen und Fakten dazu haben und dann will ich die Ihnen gerne nachliefern. Man findet bei den Gewerkschaftenzahlen, die sind auf das gesamte Bundesgebiet bezogen.

Man findet bei den IHK-Zahlen, die sind auf verschiedene Ausbildungsberufe bezogen, die sind nicht auf unseren Bezirk bezogen. Wir werden das Ihnen nachreichen.

Zu Frage 2:

Es kann nicht beziffert werden, wie viele Jugendliche vor Ihrer Berufsausbildung bzw. dem Studium eine sogenannte Übergangsmaßnahme durchführen. Übergangsmaßnahmen gibt es ja in der unterschiedlichsten Form. Das Feld Übergangsmaßnahmen ist vielfältig. Es gibt berufsvorbereitende Maßnahmen, Einstiegsqualifizierung, welche durch das Jobcenter gefördert werden.

Zusätzlich sind aber auch andere Maßnahmen, wie beispielsweise freiwilliges soziales Jahr, freiwilliges ökologisches Jahr, Berufsfachschulen, Berufsschulen, die Tätigkeit als Au-pair, Teilnahme an Ausbildung in Aussicht oder Praktika möglich. Die Aufzählung ist nicht abschließend vollständig. Die Zahlen werden nirgendwo zusammengeführt.

Zu Frage 3:

Das Jobcenter hat uns geantwortet, dass auf Nachfrage beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, aber auch beim Statistikservice der Bundesagentur für Arbeit mitgeteilt wurde, dass derzeit keine statistischen Erhebungen dazu bekannt sind. Um wie viele Jugendliche es sich handelt, wissen wir nicht. Im Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg sind 1.033 Jugendliche Aufstocker im U25-Bereich ohne Berufsausbildung gemeldet.

Das heißt, Jugendliche, die eine Arbeit haben, aber dennoch Leistungen vom Jobcenter erhalten.

Zu Nachfrage 1:

Darüber haben wir, ob im Fachausschuss oder hier in der BVV schon oft gesprochen, dass das sogenannte Übergangssystem, selbst nach Einschätzung der Fachleute, kein Übergangssystem, sondern ein Patchworkangebot ist, der unterschiedlichsten Begleit- und auch Ausbildungsmaßnahmen. Berlin hat ab 2008 ein regionales Übergangsmanagement durch das SPI durchführen lassen, um zu dokumentieren, was es alles gibt.

Daraus ist eine Übersicht, eine Tabelle entstanden, die so im Grunde genommen überhaupt nicht zu vermitteln war, weil wenn man das hätte ausdrucken wollen, um es lesbar zu machen, hätte man einen Plotter nutzen müssen und hätte damit eine Wand tapezieren können. Nachteil an diesem System noch dazu, dass diese vielen Maßnahmen unabgestimmt voneinander von der Schule über andere Betreuung unterwegs sind, dass vielfach keine Vernetzung, keine Abstimmung stattfindet und dass diese Maßnahmen auch nicht aufeinander aufbauend ein System darstellen, wo man mit Durchlaufen unterschiedlicher Etappen und Stationen etwas erreichen kann. Reformbedürftig sondergleichen.

Da sind sich alle einig drin, lieber weniger, aber das besser. Das zu erreichen ist schier eine Sisyphusarbeit, weil ständig parallel zueinander wieder neue Projekte und Angebote entstehen. Ich will ich nicht weiter aufzählen, was wir darüber hinaus an bezirklichen Angeboten in den letzten Jahren getan haben, um frühzeitig Berufsorientierung zu machen, um Schule und Betriebe im Bezirk, um Schüler und zukünftige Arbeitgeber im Bezirk zusammenzubringen, Jobentdecker sei hier genannt.

Unsere Arbeit in der ARGE U25 usw. und so fort haben wir alles schon dargestellt. Das Neueste und was wirklich zu unterstützen ist, ist die Initiative, wie wir sie seit letztem Sommer von der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg und auch vom Land Berlin unterstützt vorgetragen, vorgestellt bekommen, ist das Nachdenken darüber, wie kann man für Jugendliche eine Anlaufstelle machen, wo die unterschiedlichsten mit einem Jugendlichen befassten Anbieter und auch mit Beratung und Betreuung Verantwortlichbefasste zusammengefasst sind. Das firmiert unter Jugendberatungshaus oder Jugendberufsagentur, wie es jetzt auch genannt wird.

Dazu gibt es inzwischen in verschiedenen Bezirken konzeptionelle Überlegungen und Ansätze, aber wir haben über die Trägerversammlung im vergangenen Jahr uns zwischen Bezirk und Trägeragentur dazu ausgetauscht. Wir haben den U25-Bereich beauftragt, sich darum zu kümmern. Wir begleiten das mit der ARGE U25. Eine kleine Arbeitsgruppe aus der ARGE U25 ist im Januar in Hamburg gewesen und hat sich die Jugendberufsagentur Hamburg-Mitte angeguckt.

Daraus sollen feste Strukturen eines Austauschs werden, um sozusagen von Erfahrungen anderer zu lernen, zu denen übrigens dann gehört, dass auf Landesebene gesetzlich auch Veränderungen geschaffen werden, wie ich eingangs schon sagte. Das Thema Jugendberufsagenturen ist durch den Staatssekretär Dilmaghani heute Mittag auf die Beratung mit den für die Jobcenter zuständigen Stadträte gesetzt worden. Staatssekretär Dilmaghani hat signalisiert, dass er für das Land einen solchen Ansatz Jugendberufsagentur auch mit unterstützt und insofern werden wir uns dort auf den Weg machen. Dankeschön.

Herr Dr. Lenk:

Ja, vielen Dank Herr Mildner-Spindler, die Antworten sind ja sehr ernüchternd. Deswegen mal meine Frage, das wäre jetzt ein bisschen subjektiv: Es gibt ja eine Zahl, die stammt allerdings von den Unternehmensverbänden in Berlin, das ist meine Frage, ja, ich muss das sagen, weil die Frage kommt direkt im Anschluss an die Zahlen. Danach waren 2011 in Berlin, also jetzt nicht im Bezirk, 33,6% Jugendliche haben ihre Ausbildung abgebrochen und in Übergangsmaßnahmen befinden sich zur etwa 20.000 Jugendliche.

Halten Sie diese Zahlen für halbwegs realistisch?

Zu Nachfrage 2:

Ich denke ja. Ich kann sie Ihnen nicht bestätigen. Ich habe Ihnen gesagt, wie wir daran arbeiten wollen. Wir haben aus IHK-Zahlen, die sind noch erschreckender, die besagen, dass insbesondere in Berufen, wo tatsächlich auch Chancen bestehen, zukünftig ein verlässliches Arbeitsverhältnis zu finden, Hotel- und Gastronomiebereich zum Beispiel, die Abbrecherquoten bei nahezu 50% liegen.

In anderen Berufszweigen ist das ein Stück anders. Bezogen auf Maßnahmen, die das Jobcenter ausbildungsmäßig finanziert, BAE-Maßnahmen, nennt das Jobcenter auch so eine Größenordnung von 39% Abbrechern, aber das betrifft ja nur einen kleinen Ausschnitt von Ausbildungsverhältnissen. Insofern müssen wir uns das noch mal genauer angucken und dann auch konkret auf den Bezirk runter. Ich denke, dass wir mit der IHK und mit der Handwerkskammer da durchaus auch noch mal zusammenarbeiten können, weil die das ja haben müssten und auch ein Interesse daran haben, Ausbildungsverhältnisse verlässlich erfolgsträchtig zu gestalten.

Aber die Anfrage kriege ich nicht von Dienstag zu Mittwoch so beantwortet, insofern werden wir Ihnen das nachliefern.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 27.02.2013

Bündnis 90/Die Grünen

FragestellerIn: Dr. Wolfgang Lenk