Frieke ist mal wieder anders. Während den großen Volksparteien die Mitglieder davonlaufen, wächst unser Kreisverband stetig weiter und geht stramm auf die 800 zu. Einer der Gründe: Ich, Jonas, 21 Jahre alt, Ex – Prenzlauer Berger Kiezkind, Student und vor allem ein Neu – Grüner.

Dass ich bei den Grünen gelandet bin, war keineswegs selbstverständlich. Aus einer un(partei)politischen Familie stammend, war ich zwar spätestens seit der Oberstufe politisch interessiert. Zu den Grünen hatte ich jedoch ein eher distanziertes Verhältnis. Sie schienen mir zu bunt, zu schrill, irgendwie exzentrisch. Klar war ich für ökologische Politik, für den Schutz der Bürgerrechte, für die Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems. Aber eine Partei, die sich bis aufs Messer über Sonnenblumen, Schriftgröße und -art in ihrem Logo streitet und sich sowieso selten einig zu sein schien, kam mir seltsam vor. Ich fand die Grünen unpragmatisch, kompliziert und ein bisschen dickköpfig.

Das änderte sich erst nach der Schulzeit, als ich für ein Jahr die Heimat Richtung Westen verließ. In Frankreich hatte ich Gelegenheit aus der Distanz meinen Blick zu schärfen. Meinen Parteigang habe ich vor allem einer Person zu verdanken: Angela Merkel. Ich konnte es einfach nicht mehr hören: So besonnen, sachlich und vor allem umweltfreundlich! Das war damals der (fast) europaweite Tenor. Ich fand sie einfach untätig, konfliktscheu und populistisch. Und ausgerechnet eine CDU – Kanzlerin ließ sich nun zur Vorreiterin des Klimaschutzes erklären? Überhaupt: Die ganze Politik der Großen Koalition, das ideen – und innovationsarme Dahinregieren, machte mich wütend. Umso schlimmer, dass die sichtbarste Protestreaktion der (wählenden) Bevölkerung scheinbar darin bestand, Lafontaine und seinen Rattenfängern hinter herzulaufen. Irgendwann hatte ich die Nase voll. Ich wollte Farbe bekennen. Nicht nur gegen, sondern auch für etwas sein. Ich wollte das Feld nicht den Neoliberalen und den postkommunistischen Heilversprechern überlassen. Ich suchte eine Alternative, links und doch progressiv.

Also las ich, erkundigte mich und wenig später konnte ich es nicht mehr leugnen: Ich wollte eine ökologische, soziale Marktwirtschaft (und zwar eine echte, keine à la Angela), ich verstand Bildung als Schlüssel für Sozial – und Integrationspolitik, ich wollte eintreten für mehr Partizipationsrechte, für eine streitbarere Zivilgesellschaft, kurz: Ich war ein Grüner. Vielleicht kein hundertprozentiger. Aber wer ist das schon? Entscheidend ist: „Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch mit seiner Würde und seiner Freiheit.“ Keine andere Partei Deutschlands hat einen solch notwendigen, bedeutenden, schönen Grundsatz in seiner Präambel. Und was das ewige Debattieren angeht, bin ich mittlerweile bekehrt. Denn wer Demokratisierung fordert, sollte zuerst vor der eigenen Haustür kehren. Also: Demokratische Kultur, und da gehört Diskussion nun mal dazu, muss von den Parteien in die Gesellschaft getragen werden. Das mag zwar manchmal anstrengend sein. Aber es lohnt sich und festigt nebenbei den (Partei-) Charakter. Zugegeben: Layoutfragen lösen bei mir noch immer eher mäßige Emotionen hervor. Aber warten wir ab, was sich da noch tut. Es wäre ja nicht der erste Sinneswandel in meinem Grünen politischen Leben. Jonas Schemmel