Seit zehn Jahren organisieren die Grünen in Kreuzberg das Marianneplatzfest – als Familienfest mit politischem Dialog statt Randale und Polizeieinsätzen? Ein Rückblick.

Herrliche Sonnenstrahlen, der verführerische Duft kulinarischer Köstlichkeiten und der Kosovokrieg lockten am 1. Mai 1999 über 20.000 Leute auf den Kreuzberger Mariannenplatz. Dort protestierten sie gemeinsam unter dem Motto „Stoppt den Krieg“. Auch die Kreuzberger Basis von Bündnis90/Die Grünen und die damalige PDS wendeten sich gegen einen Einsatz der Bundeswehr auf dem Balkan. Kein Wunder – seit zehn Jahren organisieren die Fraktionen beider Parteien das bunte Stadtteilfest auf dem Mariannenplatz, einem Mix aus politischer Diskussion, Protest und Familienfest. Denn neben türkischen oder thailändischen Spezialitäten steht die aktuelle Politik immer im Mittelpunkt der Veranstaltung. Lokal und international engagierte Initiativen, etwa Kurdistansolidarität oder aus dem Umweltbereich, präsentieren an Infoständen ihre Anliegen. Der Mariannenplatz hat als Ort politischer Auseinandersetzung Tradition: Schon die Band „Ton Steine Scherben“ besang die dortigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Auch das politische Familienfest konnte die Auseinandersetzungen in der Vergangenheit nicht verhindern. 2001 etwa fiel die Polizei mit Wasserwerfern und Schlagstöcken über die 5000 BesucherInnen her. Viele wehrten sich mit Stein- und Flaschenwürfen und drängten die Polizei zurück – unter dem Applaus der anderen TeilnehmerInnen. In diesem Jahr jähren sich die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Autonomen zum 20. Mal. Denn der Mythos der „revolutionären 1. Mais“ begann 1987. Damals lieferte sich die Polizei zwölf Stunden lang Straßenschlachten mit DemonstrantInnen. Auch der damalige Bolle-Supermarkt brannte – allerdings weil ihn ein Serienbrandstifter anzündete, was aber erst einige Jahre später bekannt wurde. Seit damals fast jedes Jahr das gleiche Bild: Polizeihundertschaften aus dem ganzen Land, mit Wasserwerfern und Schlagstöcken auf der einen Seite. Autonome und jugendliche DemonstrantInnen aus dem Kiez auf der anderen. Dazwischen fliegende Steine, brennende Autos und kaputte Schaufensterscheiben. So konnte es nicht weiter gehen, dachten sich 1997 nicht nur die Grünen in Kreuzberg. Gemeinsam mit der heutigen Linkspartei wollten sie damals zunächst das beliebte 1. Mai-Fest am Lausitzer Platz verstärkt reaktivieren. Das Konzept: Straßenfest statt traditionellem Gewerkschaftstag, auch als Gegengewicht zu Demonstrationsverboten und Randale. Das Motto: Man darf nicht kneifen, weder vor den Autonomen noch vor der Polizei, die das Fest nicht nur regelmäßig angriff sondern auch verhindern wollte. Der Weg: Die politisch Interessierten aus dem Kiez einbinden, vor allem in die lokale Politik. An den Ständen der grünen BVV-Fraktion konnten sie bessere Radwegekonzepte und Kinder ihre Vorstellungen von Spielplätzen einbringen – eben das, worauf die Bezirkspolitik Einfluss nehmen kann. Seit 1999 organisieren die beiden Parteien auch Diskussionsveranstaltungen in der Kirche neben dem Mariannenplatz. Dabei stehen globale Themen im Mittelpunkt. In diesem Jahr sind der Klimawandel und das G8-Treffen in Heiligendamm die bestimmenden Themen. Trotzdem bleibt das Fest in erster Linie ein buntes Familienfest mit vielfältigen Angeboten für Kinder und Erwachsene. Doch anders als beim Myfest mit seinen Musikbühnen und Fressständen im ganzen Kiez ist die politische Auseinandersetzung für die Grüne Basis in Friedrichshain-Kreuzberg ein integraler Bestandteil ihres Festes am 1. Mai. Auch wenn das vom Bezirksamt verantwortete und vom Senat bezahlte Myfest nicht direkt politisch ist, soll es immerhin der Befriedung des Kiezes dienen. Ob der Plan in diesem Jahr ähnlich wie zuletzt aufgeht, ist eher unwahrscheinlich. Denn autonome Gruppen wollen auch 2007 – 20 Jahre nach Bolle – wieder demonstrieren. Diesmal geplant als „Warm Up“ für die Proteste gegen den G8-Gipfel im Sommer an der Ostsee.