Initiator*in: B’90/Die Grünen, Kristine Jaath

Antrag

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt wird aufgefordert, sich beim Finanzsenator/der Senatsverwaltung für Finanzen, bei der Sozialsenatorin/Senatsverwaltung für Soziales, im Rat der Bürgermeister*innen, bei der Geschäftsstelle Produktkatalog der Bezirke und allen weiteren zuständigen Behörden, Organen, Gremien dafür einzusetzen, ein budgetierbares Produkt zu bilden, das aufsuchende Sozialarbeit für Erwachsene im öffentlichen Raum in den bezirklichen Produkthaushalten refinanziert. Die Mittel für dieses neue Produkt sollen den Bezirken qua adäquater Plafonderhöhung erstmalig im Doppelhaushalt 2020/21 zugewiesen werden. Über den Stand der Entwicklung ist der BVV halbjährlich zu berichten.

Begründung:

Mit Blick auf eine zunehmende soziale Entmischung und eine nicht minder besorgniserregende Zahl angestammter, durch spezielle Problemlagen marginalisierter Erwachsener sind durch EU, Bund und Land eine Reihe Projekte aufgelegt worden, die soziale und integrative Maßnahmen fördern. Diese Mittel sind allerdings, wie einige weitere Möglichkeiten der Bezirke zur Finanzierungen einer aufsuchenden Sozialarbeit im öffentlichen Raum für Erwachsene, z.B. Städtebaufördermittel,
stets zeitlich begrenzt. Alle diese Mittel und Maßnahmen sind lediglich als temporäre Intervention angelegt. Ein konsequenter sozialer und stadträumlicher Ansatz zur Finanzierung von Straßensozialarbeit für Erwachsene und Konfliktvermittlung ist für die Bezirke bisher nicht vorgesehen.

Die aufsuchende Sozialarbeit für Erwachsene wendet sich an Menschen mit speziellen Problemlagen, sei es Sucht oder Wohnungslosigkeit, sei es Zugehörigkeit zu einer ausgegrenzten Minderheit, sei es Flucht und Illegalisierung, Betroffenheit von Gewalt, Menschenhandel u.v.m. Der öffentlichen Raum, also Parks, Einkaufszentren, Bahnhöfe, Plätze bildet oft den einzigen Raum, den sie nutzen können.

Die aufsuchende Sozialarbeit für Erwachsene dient der Stabilisierung und Hilfe der Menschen in diesen schwierigen Lebenssituation (Zugang zum Gesundheitssystem, zu Wohnung, Arbeitsmarkt u.v.m.) und bietet Beratung und Betreuung vor Ort (Zugang zu Informationsstellen, zu medizinischer Versorgung, Rechtsberatung, Ausstiegsprogrammen u.v.m.). Die aufsuchende Sozialarbeit für Erwachsene dient damit auch der Entspannung bis zur Behebung der Konflikte, die durch die belastende Situation oftmals mit den Anwohner*innen entstehen.

Beispiele wie der Leopoldplatz haben gezeigt, wie es gehen kann. Bei der moderaten Umgestaltung des Platzes erfolgte eine Einbeziehung auch der Trinker- und Drogenszene in den Prozess sowie ihre anschließende Betreuung durch Projekte der aufsuchenden Sozialarbeit für Erwachsene. Beispiele wie der Leopoldplatz zeigen aber auch, dass es mit einem temporären erfolgreichen Eingriff nicht getan ist. Als die Sozialarbeit auf dem Platz nach 2015 zurückgefahren werden musste, eskalierte die Situation wieder.

Wo also Fördermittel für drängende soziale Problemlagen im öffentlichen Raum nur zeitlich begrenzt, i.d.R. max. drei Jahre, zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, wer anschließend die notwendige Weiterfinanzierung der Sozialarbeit übernimmt. Ein neues Projekt für weitere drei Jahre, danach ein weiteres neues, und danach noch ein neues?

Gegen diese viel beklagte „Projektitis“, wo das Rad jedes Mal neu erfunden und sämtliche Erfahrungen immer wieder neu gemacht werden müssen, spricht eine Regelfinanzierung. Die aufsuchende Sozialarbeit für Erwachsene im öffentlichen Raum muss in Berlin durch das Land und seine Bezirke regelfinanziert werden!

Für die Bezirke als regulierende Kräfte, die nicht nur in bauliche Maßnahmen, sondern dauerhaft auch in die dringend nötige Sozialarbeit investieren wollen, bedeutet dies, über ein budgetierbares Produkt im Produktkatalog die Personal- und Sachkosten für eine aufsuchende Sozialarbeit für Erwachsene im öffentlichen Raum dauerhaft refinanzieren zu können.

Ein budgetierbares Produkt Aufsuchende Sozialarbeit für Erwachsene im öffentlichen Raum setzt die Bezirke in die Lage, eigenständig, schnell und unkompliziert Mittel und Personal in die jeweils bezirkseigenen Brennpunkte zu lenken – ohne langwierige vorhergehende Mittelbeantragungsprozesse und Konfinanzierungsprobleme. Ein budgetierbares Produkt Aufsuchende Sozialarbeit für Erwachsene im öffentlichen Raum ermöglicht den Bezirken, direkt und unmittelbar auf ihre brennenden bezirksspezifischen sozialen Problemlagen zu antworten und diese Antworten – regulär und transparent – finanzieren zu können.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 01.11.2017
Bündnis 90/Die Grünen
Antragsteller*in: Kristine Jaath

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