Fernando Gabeira, Gründungsmitglied der brasilianischen Grünen und beinahe-Bürgermeister von Rio, kann auf ein bewegendes Leben zurück blicken. Ans Aufhören denkt noch immer nicht. Zum Glück.

In den 60ern entschied sich Gabeira zum bewaffneten Kampf gegen die 1964 begonnene Militärdiktatur. Zusammen mit der Bewegung MR-8 (Revolutionäre Bewegung des 8. Oktober) wollte er den Kommunismus in das Land kontinentaler Größe einführen.

Um von dem Militärregime die Befreiung von 15 linksgerichteten inhaftierten Politikern zu erzwingen, entführte er mit weiteren Gesinnungsgenossen kurz vor dem 07. September, dem brasilianischen Nationalfeiertag, den damaligen amerikanischen Botschafter Charles Elbrick.

Die Details der Aktion, die während dieser Tage Rio de Janeiro in Atem gehalten hatte, kann man im Buch „O que é isso, companheiro?“ („Was ist denn los, Genosse?“) nachlesen und im gleichnamigen Film nachempfinden.

Die Befreiung der linksgerichteten Politiker glückte zwar, bis auf Gabeira landeten die Entführer jedoch hinter Gittern. Bei einer Polizeirazzia im Bundesstaat São Paulo entkam Gabeira trotz Schussverletzungen in Nieren, Leber und Bauch. Er ging ins Exil nach Chile, Italien und Schweden, wo er an der Universität von Stockholm Anthropologie studierte. Um sich über Wasser zu halten, arbeitete er als Journalist und U-Bahn Fahrer.

Legalize it

1979 kehrte er nach Brasilien zurück und wirkte journalistisch weiter gegen das Militärregime. Seit 1985 fokussiert sich seine politische Arbeit auf Umwelt und Minderheitsrechte. Seine bekannteste Forderung ist die Legalisierung vor allem aber Entkriminalisierung von Marihuana, was ihm bis dato von seinen politischen Gegnern und konservativen Medienanstalten heftige Kritik einbringt. Nach dem Fall der Mauer verweilte er in Berlin und berichtete für „Jornal do Brasil“ über die unterschiedlichsten Gesichter einer Stadt im Umbruch.

Die politische Klasse in der noch jungen Demokratie Brasiliens wird dominiert von mächtigen Landbesitzern, insbesondere aus dem Nordosten des Landes. Unter ihnen gelten zur Erhaltung der Macht ganz besondere Gesetze wie Schweigsamkeit und Loyalität untereinander um jeden Preis. Auch um den Preis einiger Hauptsäulen der Demokratie wie z. B. der Pressefreiheit. So wird noch heute die Zeitung „Estado de São Paulo“ zensiert, um die Veröffentlichung von kompromittierenden Audioaufnahmen der Bundespolizei zu verhindern. Machenschaften, illegale Geschäfte und die Unterschlagung öffentlicher Gelder gehören auch nach mittlerweile achtjähriger Regierung der Arbeiterpartei zum Tagesgeschäft.

Gabeira ist der Inbegriff der brasilianischen Grünen, auch wenn er zwischendurch zur PT, der Arbeiterpartei, gewechselt ist. Als er 2002 angeblich zu lange im Wartezimmer des damaligen Kanzleramtschefs José Dirceu warten musste, kehrte er zu den Grünen zurück. Es folgten weitere Kandidaturen zum Senator und 2008 zum Bürgermeister von Rio de Janeiro. Bei der Bürgermeisterwahl erreichte Gabeira furios den 2. Wahlgang und unterlag in der Stichwahl nur knapp. Gabeira setzt nun noch einen drauf: bei den Gouverneurswahlen für den Bundesstaat Rio im Oktober will er als grüner Kandidat antreten.

Kämpfer gegen Filz und Korruption

Gabeira, nicht selten isoliert in einem Meer von Gefälligkeiten und Verschwiegenheit, ist geradezu ein Licht im politischen Sumpf. Er spricht klar und deutlich Tabus an. Neben der Legalisierung von Marihuana und Prostitution auch die Verbesserung der Rechte von Schwulen und Lesben. Zudem hat er dem Sextourismus an der Küste Brasiliens den Kampf angesagt. Als Senator ist Gabeira ein Einzelkämpfer im von Korruption gekennzeichneten Kongress und ein Vorbild für die junge Generation von Politikern und Wählern, die sich eine transparente und zukunftsweisende politische Kultur wünschen.

Nach seinem Etappensieg im ersten Wahlgang bei der Bürgermeisterwahl in Rio im Oktober 2008 suchten ihn am Morgen danach verzweifelt die Rundfunk- und Fernsehstationen. Vergeblich. Er ging lieber mit seiner Tochter schwimmen und anschließend mit der Familie lunchen. Solch ein Politiker, mit der gesunden und nötigen Distanzierung zur blinden Macht, stellt eine willkommene Rarität dar: Die Macht zu benutzen, wenn dies nötig ist und sie aber auch bei Seite stellen zu können. Ob er wegen dieser politischen „Leichtsinnigkeit“ im zweiten Wahlgang nicht als Wahlgewinner hervorgehen konnte, bleibt ungewiss.

Vergangenen März sollte Fernando Gabeira in der Konrad-Adenauer-Stiftung über das, was nach Lula kommt, referieren. Zum Bedauern von Journalisten und Teilnehmern sagte er den Termin kurzfristig ab. Eine wichtige Abstimmung im Senat, bei der er unbedingt dabei sein wollte, war der Grund. Parlamentarische Arbeit ist ihm wichtiger als eine prestigereiche Auslandsreise. Auch das, vorbildlich.

Fátima Lacerda