Von der Bezirksverordnetenversammlung ist ein neuer "Ausschuss für Beschäftigung und JobCenter" eingerichtet worden. Durch ihn soll die bezirkliche Beschäftigungspolitik besser koodiniert und politisch begleitet werden.

In Friedrichshain-Kreuzberg befinden sich weit über 60.000 Menschen in finanzieller Abhängigkeit vom JobCenter. Das ist fast ein Viertel der Bevölkerung. Diese Zahl bringt zum Ausdruck, dass wir es uns als BezirkspolitikerInnen nicht leisten können und dürfen, auf die politische Mitgestaltung der beschäftigungs- und qualifizierungspolitischen Instrumente und Maßnahmen, für die in diesem Jahr 58,6 Millionen Euro bereit stehen, zu verzichten.

Gestaltende Einflussnahme

Diese gestaltende Einflussnahme lässt sich allerdings nicht einfach durch BVV-Beschluss erlangen. Für eine optimale Umsetzung sind jeweils gesetzliche Vorgaben, die Ziele der Mittelvergabe sowie eine Einbeziehung der Vertreter des JobCenters und der Arbeitsagentur zu beachten. Die bündnisgrüne Mehrheit im Bezirksamt (BA) und das Engagement des zuständigen Stadtrates (Knut Mildner Spindler, Linkspartei/PDS) allein reichen nicht. Zumal das BA nur zur Hälfte Träger des JobCenters ist. Die andere Hälfte wird von der Agentur für Arbeit Berlin-Mitte getragen. Eine kommunale Mehrheit wird vom Senat blockiert. Im Ausschuss selbst sind seitens des JobCenters der Geschäftsführer oder sein Stellvertreter anwesend. Interessensübereinstimmungen oder -konflikte können so direkt festgestellt werden. Durch Hospitationen bei ArbeitsvermittlerInnen, FallmanagerInnen und den Beschäftigten im Eingangsbereich, in der Leistungsabteilung und in den Stabsabteilungen (Widerspruchsstelle, Förderungs- und Integrationsteam) konnten Ausschussmitglieder die konkrete Arbeit beobachten, das Betriebsklima kennen lernen und auch kritische Fragen stellen. Insgesamt stehen die Zeichen für einen kooperativen Politikansatz günstiger als häufig wahrgenommen.

Netzwerkaufbau mit freien Trägern

Die Kontaktaufnahme zu den freien Trägern von Beschäftigungsmaßnahmen und Weiterbildungsangeboten steht noch am Anfang. Hier muss auch der Beirat des JobCenters mit einbezogen werden. Ein Konfliktfeld: zumindest die MAE-Maßnahmen („1 Euro“-Jobs) werden von der starken politischen Linken im Bezirk überwiegend negativ bewertet, von einigen Betroffenen aber freiwillig angenommen. Gewerkschaften und Kammern beharren vehement auf Beschäftigungsmaßnahmen außerhalb des Wettbewerbs. Die Arbeitslosen dagegen haben ein starkes Interesse an einer arbeitsmarktnahen Qualifizierung. Der Bezirk hat, trotz ständig restriktiverer Haushaltsvorgaben des Senats, Interesse an gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten die sog. Entgeltvariante, ABM und das Senatsprogramm eines Öffentlichen Beschäftigungssektors. Letzteres ist allerdings so knapp finanziert, dass zu wenige davon profitieren können. Der Einsatz der Entgelt- und ABM-Maßnahmen im größeren Umfang gefährdet dagegen die Nürnberger Zielvorgaben und wird deshalb von der Agenturseite be- oder gar verhindert. Ein attraktiver Ausweg besteht darin, die Träger und Arbeitslosen anzuspornen, nachhaltige Einsatzfelder und Qualifizierungsangebote zu finden. Dafür müsste ein entsprechendes Bonussystem entwickelt werden. Unsere Ausschussarbeit wird jedenfalls spannend und ereignisreich bleiben.

Themen des JobCenter-Ausschusses

stärkere Fokussierung auf die Vergabe sozialversicherungspflichtiger Stellen; Jugendarbeitslosigkeit, Berufsausbildungsmisere, Kooperation mit Jugendamt bei U25 (unter 25-Jährigen); Ermöglichung von Schulabschlüssen und modularer Berufsqualifizierung; Qualifizierung der Bediensteten des JobCenters Netzwerkaufbau mit Freien Trägern; Einrichtung eines Ombudsrates; Verbesserung der Beschwerdemöglichkeiten bei fehlerhaften Leistungsbescheiden und bei nicht qualifikationsgerechter oder gar diskriminierender Zuordnung in Beschäftigungs-, Trainings- und Bildungsmaßnahmen; Ortsbesuche bei den Abteilungen des Jobcenters, den Trägern und Einsatzorten