Immer mehr bezahlbare Wohnungen gehen den BerlinerInnen durch Spekulation und Verwertungsdruck verloren. Auch das Neubauförderprogramm des Senats wird den Bedarf nicht decken können. Dabei zählt die Versorgung der Bevölkerung mit angemessenem Wohnraum zu den wichtigsten Aufgaben kommunaler Daseinsvorsorge und hat sogar Verfassungsrang in Berlin.

Schon lange zeigen die zahlreichen Wohnungsmarktberichte wohin die Reise geht: Berlin steht vor einer Wohnungsnot. Durch massiven Zuzug sowie die zunehmenden Spekulation mit Immobilien als Anlageform wurden die Mietsteigerungen massiv angeheizt. So sind die Angebotsmieten bei Neuvermietung in zehn Jahren um fast 50% gestiegen. Das wiederum wirkt sich auch stark auf alle anderen Bestandsmieten aus. Die Wohnkostenbelastung der BerlinerInnen steigt dramatisch an. Mittlerweile müssen GeringverdienderInnen und Transferleistungsbeziehende mehr als die Hälfte ihres Nettoeinkommens für Wohnen aufbringen. Was soll nur aus der Mieterstadt Berlin werden?!

 

Soziale Spaltung in vollem Gang

Dabei ist der Bedarf an preiswerten Wohnungen immens hoch. 900.000 Menschen in Berlin sind einkommensarm oder armutsgefährdet. Gerade für sie fehlten laut Mietspiegel 2013 schon 50.000 Wohnungen (unteres Preissegment). Die wenigen noch bezahlbaren Wohnungen finden sich in den sogenannten „Problemkiezen“. Viele Menschen, vor allem mit Transferbezug bleibt nichts anderes übrig, als in diese Quartiere auszuweichen. Allein in den letzten beiden Jahren waren das ca. 6.000 ALG II-Bedarfsgemeinschaften. Davon sind besonders viele Alleinerziehende und RentnerInnen betroffen. Die soziale Spaltung der Stadt schreitet voran und schafft neue Probleme. Und auch viele Familien, die über ein gutes Einkommen verfügen, finden keinen Wohnraum mehr. Die Wohnungslosenversorgung ist in Berlin quasi zusammengebrochen. Es gibt nicht einmal eine Wohnungslosenstatistik. Alle ExpertInnen und Träger beobachten einen massiven Zuwachs an Hilfesuchenden. Immer mehr Menschen müssen sogar abgewiesen werden, weil es an Unterbringungsmöglichkeiten fehlt. Diese beschämenden Zustände sind symptomatisch für die fehlgeleitete Mietenpolitik des Senats.

 

Bilanz der Senatsarbeit: Arbeitsverweigerung oder politischer Wille?

Rot-Schwarz und allen voran der heutige Regierende Bürgermeister Müller hatten uns doch die Wende versprochen. Bei fast allen Projekten wurden es nur Ankündigungen oder halbherzige Maßnahmen, die bloß keinem Investor weh tun sollen. So zum Beispiel das Gesetz zum Verbot von Ferienwohnungen: frühestens Mitte 2016 stehen diese 6000 bis 8000 Wohnungen wieder als Wohnraum zur Verfügung. Die Verordnung, die endlich die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einschränken könnte, wurde bereits viermal angekündigt ohne konkreten Beschluss des Senats. Allein in den vergangenen zwei Jahren sind so mehr als 16 000 in Eigentum umgewandelte Mietwohnungen dem Berliner Wohnungsmarkt verloren gegangen. In einigen Innenstadt-Bezirken stellen Eigentumswohnungen jetzt schon ein Drittel. Angeblich kommt die Verordnung bald, die Hoffnung stirbt ja zuletzt, aber die Spekulation geht weiter. Auch im Bundesrat hat sich der Senat weggeduckt, während andere Bundesländer Verbesserungen des Mietrechts auf den Verhandlungstisch brachten. Und was ist mit einer sozialen Ausrichtung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften? Es werden zwar endlich wieder Wohnungen an Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein vergeben. Jedoch ist die Konkurrenz so groß und die Neuvermietungen sind so gering, das dies kaum Wirkung entfaltet. Es gibt nach wie vor keine rechtskonforme, faire Regelung bei den Miet- und Heizkosten für die Menschen mit Transferbezug. Diese sog. Kosten der Unterkunft wurden sogar zum Verdrängungsmotor der Stadt. Zwangsumzüge sind an der Tagesordnung. Und das vor dem Hintergrund, dass es eigentlich keine Sozialwohnungen mehr in Berlin gibt. Die Miethöhen der 140.000 bestehenden Sozialwohnungen liegen bereits zu 60% über dem Berliner Mietspiegel. Statt diese Wohnungen wieder bezahlbar zu machen, schaut der Senat seit Jahren tatenlos zu. Es wurde nun eine sog. Expertenkommission des Senats dazu einberufen. Ob es eine nachhaltigen Lösungen geben wird, ist fraglich. Das kommunale Vorkaufsrecht bei Wohnungsverkäufen in bestimmten Stadtgebieten (Milieuschutz), das die Bezirke wahrnehmen könnten, findet keinerlei Unterstützung vom Senat. Die wird aber gebraucht, weil die Bezirke keine Gelder dafür im Haushalt einstellen dürfen.

 

Neubau allein bringt es nicht

Den Engpass will der Senat auf dem Wohnungsmarkt vor allem durch Neubau kompensieren. Er unterlässt es aber, das Neubauprogramm mit ausreichender finanzieller Förderung zu unterfüttern. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben zwar insgesamt mit dem Bau von 900 Wohnungen begonnen. Zudem sind 11.000 weitere Wohnungen durch Neubau und Zukauf angekündigt. Ob das aber reicht und ob da tatsächlich bezahlbare Wohnungen entstehen, ist zu bezweifeln. Die Liegenschaftspolitik hat ebenfalls noch keine Wende vollzogen. Es wird weiter zum Höchstpreis verkauft und es gibt bisher keinerlei Verfahren für Konzeptvergaben, um die wenigen Berliner Flächen nachhaltig zu nutzen.

 

Wohnungspolitik ist Sozialpolitik

Wir brauchen eine neue, bedarfsgerechte Wohnungspolitik. Eine, die uns nicht weismachen will, dass Neubau die einzige Lösung ist während nicht alle ordnungsrechtlichen Instrumente zum Tragen kommen. Wir brauchen eine neue Wohnungspolitik, die sich ihrer Verantwortung stellt und die Versorgung mit Wohnraum als elementare staatliche Aufgabe annimmt. Und die vor allem die Menschen im Blick hat, die besonders auf preiswerten Wohnraum angewiesen sind. Die Zivilgesellschaft auch einbezieht und beteiligt. Wohnen darf nicht zur politischen Disposition stehen und taugt schon gar nicht als Opfer für eine falsche Sparpolitik. Eine soziale Wohnungspolitik kann und muss sozial-ökonomische Verwerfungen auffangen. Und deshalb muss sie vorausschauend sein und frühzeitig eingreifen. Neben einer stetigen Wohnungsbauaktivität kommt es jetzt vor allem darauf an, mit stadtweiten Regelungen im Bestand bezahlbaren Wohnraum langfristig sicherzustellen sowie zurück zu gewinnen. Das ist eine Mammutaufgabe. Und auch wir Grünen haben nicht immer die Lösung. Wer Verdrängung, Wohnungsnot und soziale Ausgrenzung weiter leugnet oder verharmlost, der spielt mit dem sozialen Frieden in Berlin und ist nicht länger tragbar in der Regierungsverantwortung.

 

 

 

Katrin Schmidberger, MdA, mietenpolitische Sprecherin der Grünen Abgeordnetenhausfraktion