DS/0989/IV

Antrag DS/0989/IV

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt wird beauftragt, bei den Planungen zum Gewerbehof Rigaer Straße 71-73a folgende Prämissen zu verfolgen:

1. Die auf dem Areal ansässigen gemeinnützigen Kultur- und Bildungsprojekte sowie Gewerbetreibenden dürfen nicht verdrängt werden. Eine kulturelle und gewerbliche Nutzung muss auch zukünftig möglich sowie bezahlbar sein.

2. Ein „Planungsgewinn“ soll den derzeitigen Mieter*innen sowie möglichen anderen Projekten zugutekommen, die akut von Verdrängung bedroht sind, und damit die Kiezvielfalt bewahren.

3. Das historische Gebäudeensemble ist zu achten und zu schützen.

Hierzu ist das Bezirksamt aufgefordert zu prüfen,

  • welche Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden können.
  • ob der derzeit geplante Gewerbehof im Südosten des Areals erweitert werden kann, so dass einerseits der tatsächliche Flächenbedarf der bisherigen Mieter*innen gedeckt wird und andererseits eine akzeptable Besonnungssituation sowie eine ansprechende und einladende Offenheit für die Nachbarschaft im Gesamteindruck entstehen können.
  • ob der Anteil bezahlbarer Gewerbeflächen an der Brutto-Grundfläche (BGF) noch deutlich erhöht werden kann.
  • wie die öffentliche Zugänglichkeit auf den Hof und zu den Terrassen des geplanten Südost- Gewerbehofs langfristig und rechtssicher gewährleistet werden kann.
  • ob und wie der geplante Gewerbehof in das Eigentum einer Stiftung o. ä. übergeben werden kann, um dauerhaft den Fortbestand von gemeinnützigen Einrichtungen sowie kleinteiligen Gewerbestrukturen zu sichern.
  • wie diese Struktur ausgestaltet werden kann, um freien oder frei gewordenen Gewerberaum auch zukünftig zu den vereinbarten günstigen Konditionen weitervergeben zu können, insbesondere an Projekte, die die soziale und kulturelle Infrastruktur des Bezirks bereichern, aber von Verdrängung bedroht sind.
  • wie die Vernetzung dieses neu entstehenden separaten Gewerbehofs mit dem Kiez, d.h. den Nachbar*innen gefördert werden kann (zum Beispiel durch einen Anwohner*innen- Beirat mit Mitspracherechten o. ä.).
  • wie bei der Planung ein Konflikt zwischen Wohn-, Kultur- und kleinteiliger Gewerbenutzung vermieden werden kann, d.h. wie geplant werden muss, um Konflikte wegen Lärm und anderen Emissionen zu vermeiden.

Begründung:

In der Rigaer Straße 71-73a stehen einige der ältesten Gebäude Friedrichshains. Derzeit nutzen der Bildungsträger „BUF“, das Kulturprojekt „Antje Øklesund“ sowie Gewerbetreibende das Areal.

Beplant ist es – wie historisch gewachsen – als Gewerbeareal. Nun möchte der Eigentümer Wohnungen bauen. Sollte der Bezirk den Wünschen des Eigentümers entgegenkommen, ist der maximal mögliche Anteil des Planungsgewinns abzuschöpfen: Die im Kiez vernetzten Kulturprojekte, aber auch der Bildungsträger, der eine wichtige soziale Funktion hat und auch in der Kinder- und Jugendarbeit tätig ist, dürfen keinesfalls in ihrer Existenz bedroht werden. Denn diese gemeinnützigen Bildungs und alternativen Kulturprojekte, aber auch die kleinteiligen Gewerbestrukturen sind es, die unsere lebendige Innenstadt, aber auch einen inklusiven und solidarischen Bezirk ausmachen.

Obwohl das Areal Rigaer Straße 71-73a immer in Privatbesitz war, ist es häufig für die Öffentlichkeit zugänglich. Bei fortschreitender Verwertung dieser halböffentlichen Räume, dem Verschwinden von Baulücken und Stadtbrachen und bei zunehmender Verdichtung Friedrichshains mit Wohnungen darf nicht vergessen werden, dass sowohl alt eingesessene als auch neu hinzugezogene Friedrichshainer*innen eine soziale und kulturelle Infrastruktur in ihrem Kiez benötigen. Ein neu entstehender separater Gewerbehof im Südosten des bisherigen Areals kann ein wichtiger Baustein für die Kiezkultur und -vielfalt sein – jedoch nur, wenn er dauerhaft gesichert ist: Weder
dürfen die Nutzer*innen durch Mieterhöhungen, noch durch Lärmklagen Einzelner in wenigen Jahren verdrängt werden.

Deshalb ist ebenfalls zu erörtern, wie und in welcher Struktur eventuell freier oder frei werdender bezahlbarer Gewerberaum auf dem Gelände an andere bedrohte Projekte aus dem Bezirk veroder weitergegeben werden kann. Auch eine gewerbliche Nutzung durch lokale Betriebe (z.B. Handwerk) soll weiter möglich bleiben. Nur wenn die für die soziale und kulturelle Infrastruktur zur Verfügung stehenden Flächen nicht ständig weiter schrumpfen, wird der Bezirk seine Lebensqualität, seine Alleinstellungsmerkmale und Besonderheiten erhalten können. Deshalb darf es nicht allein um die Bestandsmieter*innen gehen, die allerdings selbstverständlich unbedingten Vorrang
genießen.

Hier böte sich an, dass Bezirk, Investor, Mieter*innen des Gewerbehofs sowie Vereine und Initiativen im Samariterkiez gemeinsam ein Modellprojekt realisieren: Der südöstliche Grundstücksteil soll an eine Stiftung o. ä. übergeben werden und die Nachbar*innen sollen auf die Nutzung Einfluss haben, z.B. über einen Anwohner*innen-Beirat.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 10.12.2013
Bündnis 90/Die Grünen
Antragsteller*innen: Susanne Hellmuth, Andreas Weeger, JulianSchwarze

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