Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an das Abgeordnetenhaus Berlin (Drucksache 16/0554).

Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:

Der Senat wird aufgefordert, einen Bericht über sämtliche Aktivitäten des Senats und aller Bezirke sowie der mit ihnen in Verbindung stehenden Institutionen zur Kinder- und Jugendpartizipation vorzulegen.

Der Bericht muss Auskunft geben über:

  • die gegenwärtig laufenden und geplanten Programme, Projekte, Aktionen und Aktivitäten im Bereich der Partizipation junger Menschen in Berlin und deren finanzielle Unterstützung durch das Land,
  • den Wirkungsgrad dieser Aktivitäten mit gesicherten Erkenntnissen, wie viele und welche Kinder und Jugendliche bisher erreicht bzw. nicht erreicht wurden (mit besonderer Berücksichtigung des Alters, des Geschlechts, des besuchten Schultyps und der sozialen und kulturellen Herkunft),
  • den Handlungsbedarf und die Vorschläge, die bereits bestehen bzw. umgesetzt werden, bisher nicht angesprochene Kinder und Jugendliche gezielt einzubeziehen,
  • eine Evaluation der Koordinierungsstellen und Kinder- und Jugendbüros in den einzelnen Bezirken, gemessen an den Standards der Landesarbeitsgemeinschaft „Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen“, insbesondere im Hinblick auf Rede-, Antrags- und Anhörungsrechte der Einrichtungen in den Ausschüssen der Bezirksverordneten-versammlung, der Einbindung in interne Verwaltungsabläufe (Bestand an Koordinations-, Zielvereinbarungen usw.) und der Ausstattung mit Sach- und Personalmitteln,
  • Möglichkeiten, die sich nach Einschätzung des Senats bieten, junge Menschen in kommunale Entscheidungen stärker als bisher einzubinden, etwa durch Beteiligung von Schulen und Jugendzentren, Orts- und Stadtteilbezug, Werbung und Information zur Jugend-partizipation im Hinblick auf unterschiedliche Altersstufen und ihre speziellen Bedürfnisse an Partizipationsformen,
  • die Verankerung von Partizipationsansätzen in Kindertagesstätten und Schulen,
  • die Fortbildungsmöglichkeiten für die unterschiedlichen Akteure im Bereich Kinder- und Jugendmitbestimmung.

Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 30.11.2007 zu berichten.

Begründung:

Junge Menschen stärker in Politik miteinzubeziehen und sie für politische Prozesse zu interessieren, ist ein wichtiges und bereits oft angekündigtes Ziel. Leider werden weder die bestehenden Partizipationsmöglichkeiten in einem ausreichenden Umfang genutzt, noch ist der Informationsstand der Zielgruppe über ihre Mitwirkungsmöglichkeiten befriedigend. Dabei zeigen viele Beispiele wie das Berliner Jugendforum oder auch Projekte wie „Kiezdetektive“, dass junge Menschen sehr wohl für Politik, auch kommunalpolitische Entscheidungen und Diskussionen und ihre Rechte als Einwohnerinnen und Einwohner, als Bürgerinnen und Bürger zu begeistern sind. Durch mehr Partizipation wird das Selbstbewusstsein und Verantwortungsgefühl junger Menschen gestärkt.

Auch die Shell Jugendstudie macht deutlich, dass sich junge Menschen gerne engagieren und unserem demokratischen System grundsätzlich positiv gegenüberstehen. Trotzdem begegnen sie den Parteien und politischen Prozessen zunehmend misstrauisch. Es ist eine zentrale Aufgabe der Politik, wieder mehr Vertrauen junger Berlinerinnen und Berliner an politischen Entscheidungsprozessen zu gewinnen. Dies gelingt nur über eine nachhaltige, dem Alter angemessene Einbeziehung der Interessen der jungen Menschen in den politischen Alltag auf allen Ebenen. Jegliche Partizipationsbemühung ist nur sinnvoll, wenn sie eine tatsächliche Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen nach sich zieht. „Alibi-Beteiligungen“ führen dazu, dass junge Menschen entmutigt werden und sich nicht ernst genommen fühlen. Nur ernst gemeinte Mitbestimmung motiviert und fördert das Vertrauen junger Menschen in demokratische Grundwerte. Gestaltungsspielräume für Kinder und Jugendliche auf Ebene des unmittelbaren Wohnumfeldes, des Bezirks, sowie berlinweit, aber auch in den unterschiedlichen Institutionen wie z. B. in Schulen und Jugendzentren, sind zu ermöglichen. Mitbestimmung ist eine Grundvoraussetzung für soziales, tolerantes und gewaltfreies Handeln junger Menschen, fördert zivilgesellschaftliches Engagement und stärkt die aktive BürgerInnengesellschaft.

Daher sind die Möglichkeiten der Kinder- und Jugendpartizipation in Berlin kritisch zu überprüfen und – wenn notwendig – neue Formen der Mitbestimmung zu ermöglichen.

Berlin, den 22. Mai 2007

Eichstädt-Bohlig Ratzmann Herrmann Jantzen und die übrigen Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen