„Wird Besetzung wieder legal werden in Berlin?“ ist auf einem Zettel am wohl kleinsten, trotz dieser Frage illegalen und damit temporären Ausstellungsraum Berlins zu lesen, einem kleinen, roten Kubus vor den Mauern der ehemaligen Patzenhofer Brauerei in der Landsberger Allee 54.

Es ist eine Besetzung mit Ansage: „Liebe Politiker und politisch Engagierte, vom 28.07.18-08.08.18 werden wir, LA 54, mit der Roten Block Kolonie den Tor-Bereich der Landsberger Allee 54 besetzen.“, so heißt es in einem Schreiben an die Kulturstadträtin, den Baustadtrat, die Bezirksbürgermeisterin und den Kulturausschussvorsitzenden des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Und auch die Eigentümer*innen des Geländes sowie die Security, die verhindern soll, dass jemand auf das Gelände und in die seit Jahren dem Verfall preisgegebenen denkmalgeschützten ehemaligen Brauereigebäude nebst Fabrikantenvilla eindringt , wurden informiert.

Denn das Künstler*innenkollektiv L54 will vor allem Eines: endlich eine Reaktion und die Umsetzung eines ihnen bereits vor mehr als 6 Jahren gegebenen Versprechens, dass sie als Kollektiv zurückkehren können an den Ort, den sie in den Jahren von 2006 bis 2011 mit kreativem Leben gefüllt hatten. Vor den Toren der zerfallenden Brauereiruine haben sie deshalb die „Rote Block Kolonie“ errichtet, eine Art Protestcamp, bestehend aus 5 Aluminium-Stahl-Kuben , „die mit einem Waschhaus, einem Wartehaus, einem Wohnhaus, einer Galerie und einem Parlament, eine soziale Gemeinschaft abbilden, und für jedermann zur Benutzung“ offen stehen“ sollen. „Die Fazilitäten vor Ort, wie Strom, Computer, Kamera, Drucker, Wasch- und Kochmöglichkeit, die Möglichkeit Kunst zu machen/auszustellen, und natürlich zusammen zu sitzen, zu sprechen, zu essen und zu trinken und im Parlament zu diskutieren und zusammen zu kommen, möchten wir Ihnen hiermit auch zur Verfügung stellen.“

Wie die Protestierenden berichten und dort auch zu erleben war, wurde dieses Angebot dann von Anwohner*innen und Passant*innen lebhaft genutzt. Kuchen wurde vorbeigebracht, Erfahrungen von Verdrängung geteilt, über die zunehmende Herrschaft des Finanzkapitals über die städtischen Lebensräume geschimpft, Erinnerungen ausgetauscht an diesen ehemals sehr lebendigen Ort und gar Fotoalben hervorgesucht und gezeigt, in denen das vielfältige Leben und die Geschichte der alten Brauerei dokumentiert waren.

Gebrochene Versprechen, Fragen ohne Antwort

Im Oktober 2011 wurden die denkmalgeschützten Gebäude der Patzenhofer Brauerei aus bau- und brandschutzrechtlichen Gründen dichtgemacht und das 5.500 Quadratmeter große Gelände an der Landsberger Straße 54 gesperrt. Das bedeutete auch das vorläufige Aus für die Künstlerinitiative LA 54. 70 Maler, Musiker und Designer, die sich in den roten Klinkerbauten der Brauerei eingerichtet hatten, verloren ihre künstlerische Heimat. Im März 2012 kaufte schließlich der Immobilien-Investor Achaz von Oertzen das alte Brauerei-Gelände. Geplant waren luxuriöse Eigentumswohnungen und Gewerberäume im gehobenen Preissegment. Und von Oertzen machte auch der Künstlerinitiative wieder Hoffnung:  Dem Kunstverein wurde  angeboten, das Gebäude zehn Jahre mietfrei zu nutzen und nur für die Betriebskosten aufzukommen. Die Unterzeichnung eines entsprechenden Vertrages, der von Künstler*innenkollektiv und Investor unter Schirmherrschaft des Bezirks erarbeitet worden war, wurde dann allerdings immer wieder verschoben. Zum Schluss gab es einen erneuten Besitzerwechsel: zwei russische Immobilienentwickler übernahmen das Gelände, ohne irgendwelche sichtbaren Aktivitäten zu entfalten. In der Folge dann immer wieder Wechsel der Eigentumsverhältnisse, teilweise in Sharedeals. Die einzige äußerlich wahrnehmbare Veränderung: die denkmalgeschützten Gebäude verfielen immer weiter. Die einzige Konstante: Weder auf Nachfragen des geprellten Künstler*innenkollektivs noch auf Interventionen von Seiten des Bezirks erfolgte irgendeine Reaktion, so dass der Verdacht nahe lag, dass hier wieder einmal das übliche Spiel gespielt werden sollte: denkmalgeschützte Gebäude so lange verfallen zu lassen, bis einem potentiellen Investor „wirtschaftlich nicht mehr zugemutet werden kann, diese zu erhalten“. Und das Spekulationsobjekt ohne Einschränkung durch Denkmalschutzauflagen gewinnbringend weiterverkauft werden kann.

Ohnmächtige Politik vor Ort ?

Die Bezirksstadträtin für Kultur und Weiterbildung Clara Herrmann, die extra noch vor Ende der Duldung der Kunst- und Protestaktion erschienen war, bekräftigte vor Ort nochmals: „Der Fall zeigt, wie bedroht gerade Künstlerinnen und Künstler durch die Verwandlung von Freiräumen zu Betongold“ seien und wie begrenzt die Möglichkeiten des Bezirks, trotz akuter Raumnot für bildende Künstler*innen, spekulativen Leerstand und drohendem Verfall wirkungsvoll entgegen zu treten.  Der Bezirk wird die Umsetzung der Versprechen an das Künstler*innenkollektiv anmahnen und diese auch weiterhin im Rahmen seiner Möglichkeiten unterstützen. Um einen weiteren spekulativen Verfall der denkmalgeschützten Brauereigebäude Einhalt zu gebieten, wurde die Untere Denkmalschutzbehörde eingeschaltet, die nun eine Begehung und Begutachtung angekündigt hat. Inzwischen ist das Gelände erneut verkauft worden, der neue Eigentümer und Investor hat sich beim Bezirk gemeldet und kundgetan, „dass er die Revitalisierung des Geländes mit überwiegend gewerblichen Nutzungen auf der Grundlage des festgesetzten vorhabenbezogenen Bebauungsplans und der Aktualisierung des Durchführungsvertrages“ plane. Was dies für die Künstler*innen konkret heißen wird, ist noch nicht abzusehen.

Werner Heck, Bezirksverordneter für den Stachel August 2018