Ein Artikel aus der Berliner Zeitung von SABINE RENNEFANZ.

Berlin – In drei Wochen wollen sich die Grünen zum zweitägigen Landesparteitag treffen. Gebucht ist das Ramada-Hotel am Alexanderplatz. Doch an dem Gebäude wird noch gebaut, immerhin soll der Saal bis zum Parteitreffen am ersten Märzwochenende fertig sein, wurde dem Landesverband versichert. Doch es würde ganz gut passen, wenn der Parteitag auf einer Baustelle stattfände. Schließlich wird auch die Partei im Wahljahr noch mal kräftig umgemodelt.

Am Mittwochabend wurde im Landesausschuss entschieden, dass nicht nur die bisherige Landeschefin Irma Franke-Dressler (64) ihren Posten abgibt, aus Altersgründen, wie sie selbst sagt. Auch Stefan Gelbhaar legt seinen Posten nieder. Der 34-Jährige will fürs Abgeordnetenhaus kandidieren.

Als Nachfolger für die Doppelspitze bewerben sich Vorstandsmitglied Bettina Jarasch, 42 Jahre alt, frühere Referentin von Künast und Vertreterin des realpolitischen Flügels sowie Daniel Wesener, bisher Fraktionschef in Friedrichshain-Kreuzberg. Seine Nominierung wird parteiintern als Zeichen interpretiert, dass der linke Flügel damit befriedet werden soll. Zuletzt hatten die Kreuzberger den Fraktionschefs im Abgeordnetenhaus mangelnde Solidarität bei der Räumung der Liebigstraße 14 vorgeworfen.

Die Entscheidung für Wesener ist offenbar am Mittwochnachmittag kurzfristig nach einer Reihe von Gesprächen gefallen. Beteiligte versichern, dass alles im Einvernehmen passiert sei, auch Künast sei eingebunden gewesen. Gelbhaar, der im Januar noch als Landeschef weitermachen wollte, soll einen sicheren Listenplatz bekommen.

Es zeigt auch, wie wichtig der linke Kreuzberger Kreisverband für die Grünen trotz aller Annäherung ans bürgerliche Lager ist. Es ist einer der größten Verbände, bei Wahlen erzielen die Grünen vor Ort regelmäßig überwältigende Mehrheiten. Es ist das Pflaster des grünen Urgesteins Hans Christian Ströbele, der dreimal ein Direktmandat gewann.

Ströbele hat auch das neue Talent, den 35-jährigen Daniel Wesener, entdeckt. Er holte den gebürtigen Hamburger 2003 zu sich als Mitarbeiter ins Bundestagsbüro. Den Job wird Wesener aufgeben müssen, wenn er in die Landesspitze aufsteigt.

Wie sein Mentor scheut auch Wesener den offenen Konflikt mit den Realpolitikern nicht. Dass er kein Freund von Schwarz-Grün ist, hat er nie verborgen. „Wir sind keine Partei der Beliebigkeit“, sagt er am Donnerstag. Es sei zwar strategisch richtig, sich nicht vor der Wahl festzulegen, um sich nicht von der SPD zu abhängig zu machen. Eine Koalition mit der CDU kann sich Wesener im Moment nicht vorstellen. Spitzenfrau Renate Künast zeigt da durchaus mehr Vorstellungskraft.

Bisher waren die Parteichefs bei den Grünen fast ohne Einfluss, kaum jemand außerhalb der Partei kannte ihre Namen. Das Machtzentrum lag in der Fraktion. Das könnte sich mit der Wahl eines so ehrgeizigen wie gut vernetzten Politikers wie Daniel Wesener ändern. Diese Hoffnung verbinden die Kreuzberger Grünen mit der Wahl Weseners. „Ich erwarte, dass dadurch die Partei an eine gleichberechtigte Stelle neben die Fraktion rückt“, sagt die Abgeordnete Heidi Kosche. Die Koalitionsfrage könnte bei den Grünen auf dem Parteitag am 5. und 6. März zu einem Richtungsstreit führen. Schon beim Treffen 2009 war es am Rande zu einer Auseinandersetzung zwischen Fraktionschef Volker Ratzmann und Wesener, damals nur Bezirksfraktionschef, über eine mögliche Jamaika-Koalition nach 2011 gekommen. Wer für alles offen sei, sei nicht ganz dicht, hatte Wesener Ratzmann entgegnet. Er, Wesener, stehe noch heute dazu, sagt der Kandidat. (mit zy.)