Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses will den Haushalt besser durchschauen – mit einem berlinweit einmaligen Projekt: dem Zugang zum internen Netzwerk des Bezirksamts. Hauptärgernis: das "automatische Kürzungssystem" bei den Landesmitteln, die fast 100 Prozent des Bezirks-Haushaltes ausmachen

Wer in Berlin für Geld zuständig ist, hat ein echtes Problem. Das von Werner Hirschmüller ist besonders groß. Denn als Vorsitzender des Haushaltsausschusses geht es ihm um die Bezirksgelder. Etwa 500 Millionen Euro stehen Friedrichshain-Kreuzberg jedes Jahr zur Verfügung. Das hört sich nach viel an, hat aber zwei Haken: Der Bezirk ist mit 260.000 Einwohnern zwar größer als viele deutsche Großstädte, hat aber anders als sie fast keine eigenen Einnahmen. Und: der Großteil der Gelder des Senats muss für per Gesetz festgelegte Aufgaben wie ALG II, Sozialhilfe oder Kinderbetreuung ausgegeben werden. Wenig Potenzial für aktive Politik.

Verordneter Sparzwang

Was Werner Hirschmüller zusätzlich nervt, ist der „absolute Sparzwang“, den der Senat verordnet hat. Jedes Jahr werden vier Prozent weniger für Personal überwiesen. Auch bei den Geldern für Kindergärten oder Schulen wird es immer weniger. Wer bei Ausgaben spart, bekommt möglicherweise noch weniger und wird so bestraft. „Das automatische Kürzungssystem ist eine Riesensauerei“, empört er sich. Wie wenig Geld zur Verfügung steht, merkt Werner Hirschmüller immer dann, wenn sich der Ausschuss mit aktuellen Themen wie Schulfinanzen oder der Zukunft von Bethanien befasst. Damit trotzdem Geld für Jugendhilfe oder Radwege vorhanden ist, wühlt er sich gemeinsam mit den anderen grünen Ausschussmitgliedern durch Berge von Haushaltsplänen, durch so genannte Produktblätter und budgetunwirksame Kosten. „Das ist kompliziert und nicht immer besonders aufregend“, sagt der 59-jährige, der fast 15 Jahre Finanzreferent beim grünen Landesverband war und vor einigen Jahren schon einmal in die BVV gewählt wurde. Da der Haushalt extrem eng ist, steht das Ziel fest: Wo kann Geld eingespart werden, ohne weitere Leistungen des Bezirkes zu verringern? Welche Kosten im Bezirk liegen über denen vergleichbarer Bezirke?

Bürgerbeteiligung bei Bezirksausgaben

So grundlegend haben die VorgängerInnen des Vorsitzenden und der anderen Ausschussmitglieder die Finanzen von Friedrichshain-Kreuzberg in den vergangenen Jahren nicht unter die Lupe genommen. „Dabei ist gerade das besonders wichtig“, sagt Werner Hirschmüller, der seit fast 35 Jahren in SO 36 wohnt. Denn ab Mai steht der Doppelhaushalt für 2008 und 2009 auf der Agenda, inklusive der Pläne für einen geplanten BürgerInnenhaushalt. Dabei sollen die BewohnerInnen des Bezirks erstmal über einen Teil der Ausgaben direkt entscheiden dürfen. Auch andere Bezirks wollen die Form der BürgerInnenbeteiligung sukzessive einführen.

Datendurchblick im Finanzdschungel

Wenn die Zahlen für den neuen Haushalt und die Sparvorgaben vom Senat kommen, wird es richtig spannend. Doch auch hier zeigt der studierte Elektrotechniker seine analytische und ruhige Art: „Mit dem tollen grünen Team im Ausschuss haben wir die entscheidenden Voraussetzungen: von hoch motivierten Diskussionstalenten bis zu kompetenten Querdenkern.“ Noch drei andere grüne Fraktionsmitglieder sowie ein von den Grünen gewählter Bürgerdeputierter sind im Ausschuss. Von dem jetzt initiierten Zugang zum Intranet können auch die anderen Fraktionen profitieren. Künftig ist ohne viel Aufwand der Zugang zu relevanten Einzelheiten der Bezirks-Finanzen möglich – was die Möglichkeiten der Haushaltsanalyse und -planung unserer FinanzexpertInnen weiter verbessert.