DS/0703/III

Drucksachen der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin – III. Wahlperiode

Das Bezirksamt wird beauftragt zu prüfen, wie die Präventionsarbeit gegen Überschuldungsgefahren von Haushalten durch ein Pilotprojekt in den Schulen des Bezirks gestärkt werden kann. Das Modellprojekt soll von fachlich ausgebildetem Personal durchgeführt werden und grundlegende Kenntnisse über den Umgang mit Geld vermitteln, um damit einen nachhaltigen Beitrag gegen die Gefahren der Überschuldung von Jugendlichen und ihren Familien zu leisten.

Darüber hinaus wird das Bezirksamt beauftragt, mit der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung darüber Gespräche führen, wie der Themenkomplex „Kompetenter Umgang mit Geld“ als Querschnittsthema in den Rahmenlehrplänen ab Stufe 6 verbindlich festgeschrieben und in den Unterrichtsmaterialien verankert werden kann.

Begründung:

Nach verschiedenen Erhebungen sind gegenwärtig ca. 17% aller Haushalte in Friedrichshain/Kreuzberg überschuldet. Damit gehört unser Bezirk zu den Berliner Bezirken mit der höchsten Verschuldungsquote, und offensichtlich steigt diese sogar noch weiter an. Die drei bezirklichen Beratungsstellen haben in 2007 ca. 10.000 Beratungsgespräche geführt. Die Wartezeit bei Terminvereinbarungen für individuelle Gespräche liegt z.Zt. allerdings bei 4,2 Monaten. Überdurchschnittlich hoch bei den Überschuldeten ist der Anteil der Personen ohne Berufsausbildung (56% bei der Schuldnerberatungsstelle der AWO), der Erwerbslosen und der Einwohner mit Migrationshintergrund. In erheblichem Maße gehören Arbeitslosigkeit, unwirtschaftliche Haushaltsführung und Erfahrungen mit gescheiterter Selbständigkeit zu den Ursachen. In der Schuldnerberatungsstelle der AWO liegt die durchschnittliche Höhe der Schulden aller festen Klienten bei 25.005 Euro pro Haushalt, bei durchschnittlich 7,76 Gläubigern.

Besonders alarmierend ist der stetig wachsende Anteil von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Verschuldungsproblematik. Sie können vor allem durch eine früh ansetzende und inhaltlich intensivierte Präventionsarbeit vor langfristigen Schuldner’karrieren‘ bewahrt werden. Sowohl die Informationsangebote der drei Beratungsstellen in den JobCentern wie auch die 4-stündige Unterrichtseinheit, die sie in Schulen durchführen tragen wesentlich zur Aufklärung bei, können aber als präventive Maßnahmen nicht ausreichen. Die hohe Zahl überschuldeter Haushalte in unserem Bezirk ist vielmehr auch ein deutliches Signal dafür, dass grundlegende Kenntnisse über den Umgang mit Geld und der Kreditwirtschaft häufig nicht vorhanden sind. Diese sind aber unabdingbarer denn je, insbesondere in einem Bezirk mit überdurchschnittlich hoher Erwerbslosigkeit und Armut.

Eine nachhaltige Präventionsarbeit setzt sinnvoll in den Schulen an, dass sie von hier aus auch in die Familien hineinzuwirken vermag. Die Senatsverwaltung hat bisher nicht angemessen auf diese Problematik reagiert, obgleich der selbstkontrollierte und verantwortliche Umgang mit Geld und die Vermeidung von Überschuldung zu den wesentlichen Lebenskünsten unserer Zeit gehören. Das Fehlen dieser Problematik in den Lehrplänen bedeutet, dass die Schulen hier explizit eine Bildungslücke produzieren. Deshalb ist es ratsam, weiter darauf hinzuwirken, dass der Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung den Themenkomplex in den Rahmenlehrplänen verbindlich festschreibt.

Es wird angeregt, dass dieser ein entsprechendes Fortbildungs- und Schulungsprogramm für Lehrkräfte initiiert. Dabei sollen die Erfahrungen aus den Projekten in anderen Bundesländern (Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen) berücksichtigt werden. Unser Bezirk hat dringenden Handlungsbedarf für eine bessere Prävention gegen Überschuldung, zumal die bezirklichen Beratungsstellen bereits voll ausgelastet sind.

Es führt kein Weg vorbei an der Einstellung weiterer Fachkräfte. Dies kann kurzfristig nur im Rahmen eines Pilot/Modellprojekts realisiert werden, bei dem eventuell auch ehrenamtlich Tätige oder andere Multiplikatoren einbezogen werden könnten. Hierbei ist, wie in anderen Bundesländern, an die Einbeziehung auch von Kreditinstituten und Wirtschaftsverbänden oder -branchen, die überdurchschnittlich häufig als Gläubiger bei Jugendlichen auftreten, zu denken, etwa an die Mobilfunkbranche.

Antragsteller: Dr. Wolfgang Lenk

Bündnis 90/Die Grünen

Friedrichshain-Kreuzberg, den 14.04.08