DS/2288/III

Mündliche Anfrage

Ich frage das Bezirksamt:

1. Nach welchen Kriterien entscheidet das Bezirksamt über die Erteilung oder Verweigerung einer Modernisierungsgenehmigung in Milieuschutzgebieten?

2. Werden die Mieterinnen und Mieter vor der Entscheidung über einen Genehmigungsantrag vom Stadtplanungsamt angehört? Wenn nein, weshalb nicht?

3. Liegen Beschwerden von BürgerInnen bzgl. der Nicht-Einhaltung der Milieuschutz- Verordnung vor? Wenn ja, wie viele sind es seit der Geltung dieser Verordnung seit Anfang der 90er Jahre und worauf beziehen sie sich?

Zusatzfragen:

1. Welche Möglichkeiten hat das Bezirksamt, um den steigenden Mieten im Bezirk Einhalt zu gebieten? Ist die Milieuschutzverordnung eine dieser Möglichkeiten? Wenn ja, wird sie erfolgreich praktiziert?

Beantwortung: Herr Dr. Schulz

Zu Frage 1:

Zu Ihrer ersten Frage, nach welchen Kriterien das Bezirksamt die Anträge bescheidet. Das sind die aktuellen Kriterien für die Umsetzung der Erhaltungsverordnung für das Gebiet Chamissoplatz, Fortschreibung 2009 sowie Neufassung über Kriterien für die Erhaltungsgebiete Bergmannstraße Nord, Boxhagener Platz, Gräfestraße, Raunstraße und Luisenstadt. Das ist veröffentlicht mit der Bekanntmachung vom 05. Mai 2010 im Amtsblatt Seite 27, 28, wenn Sie das noch mal nachlesen wollen.

Zu Frage 2:

Ja, aufgrund der Rechtsgrundlage von § 173 Abs. 3 Satz 2.

Zu Frage 3:

Ja, es gibt vereinzelte Hinweise, die auch zum Teil beschwerte Charakter haben. Dazu muss man etwas zu dem Hintergrund sagen: Die Rot-rote Regierungskoalition hatte ja im Jahr 2005 das sogenannte Beschleunigungsgesetz verabschiedet, dass die Bauordnung von Berlin novelliert wurde. Ab dem Zeitpunkt wurden dann auch Modernisierungsmaßnahmen, über die wir jetzt im Moment ja reden im Rahmen der Milieuschutzsatzung nicht mehr genehmigungspflichtig gestellt, so dass keine Bauanträge für diese Maßnahmen gestellt werden müssen, was für uns bedeutete schlagartig, dass wir einfach eine Menge an Informationen nicht mehr erhielten und erhalten, wo so etwas stattfindet. Und weswegen wir darauf angewiesen sind, dass uns Bürgerinnen und Bürger Hinweise geben, also da passiert in dem Haus irgendetwas, es gibt auch so eine Milieuschutzverordnung, zu uns kommen, das melden, so dass wir aktiv werden, weil wir da einfach dann darüber erfahren.

Es gibt auch einige vereinzelte Hinweise, wo es Auflagen gegeben hat im Rahmen der milieuschutzrechtlichen Genehmigung und es dann danach nicht die Einhaltung dieser Auflagen gegeben hat. Da sind wir dann natürlich ebenfalls dankbar, wenn uns da Bürgerinnen und Bürger oder Mieterinnen und Mieter des Hauses uns ansprechen und sagen, da kommt ihnen etwas komisch vor, das ist doch ganz anders eigentlich vereinbart worden, so sind sie informiert gewesen und da läuft es irgendwie anders.

Das ist deshalb auch wichtig, weil wir ja dort einen Mitarbeiterstamm haben von drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen wir natürlich nicht so ein riesiges Gebiet mit 260.000 Einwohnern flächendeckend wirklich bearbeiten können und deshalb sind wir auf die Mitarbeit, die Zuarbeit von Bevölkerung, von Mieterinnen und Mieter angewiesen und wir begrüßen diese Zuarbeit.

Zu Nachfrage 1:

Auch mit Blick auf den Hinweis von dem Herr Vorsteher, werde ich die erste Frage nicht beantworten, weil es ein abendfüllendes Programm ist und wir wurden ja schon mehrmals gerüffelt von dem Herrn Vorsteher, dass das Bezirksamt sich zu lange ausmäht hier am Redepult. Deswegen will ich auf den zweiten Punkt eingehen.

Zu Nachfrage 2:

Ja, sie ist keine Allzweckwaffe gegen Mietpreissteigerungen, weil Mietrecht ist Bundesrecht und der Hauptmotor von Mietpreissteigerung sind die Neuvermietungen. Die haben überhaupt keine Schnittstellen mit Milieuschutzrecht. Milieuschutzrecht hat nur eine Schnittstelle in den Fällen, wo es um Modernisierung geht und die anschließende Möglichkeit, 11% Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen. Da gibt es die Schnittstelle und da kann eine Milieuschutzverordnung mietdämpfende Wirkung erreichen. Das ist eines der wesentlichen Dinge.

Wir haben ja unsere Milieuschutzkriterien so restriktiv eingestellt, dass wir nur die Standardausstattung nach Mietpreisspiegel auflagenfrei genehmigen und den nach Mietpreisspiegel zulässigen Sondermerkmale und Zusatzmerkmale, die ja dann noch mal eine große Spanne zum Mittelwert ausmachen, die auch schon ausschließen milieuschutzrechtlich. Also wir nicht nur gegenüber Luxussanierung und deren Ausschluss eine mietdämpfende Wirkung erzielen, sondern auch, dass wir die eigentlich zulässige, die Zulässigkeit von Sondermerkmalen und ähnlichem auch in Milieuschutzgebieten ausschließen.

Daneben gibt es eine zweite wichtige Möglichkeit:

Wir können in Milieuschutzgebieten Umnutzungen unterbinden, zum Beispiel in Boardinghouses oder ähnlichem. Ich will darauf hinweisen, dass es die einzige rechtliche Möglichkeit ist, die wir in Berlin haben nach Wegfall der Zweckentfremdungsverbotsverordnung.

Wir haben Drittens die Möglichkeit, wenn aufkommende Neigungen bestehen sollten, ein Abriss von einem Gebäude zu machen, weil es beispielsweise aus den 50iger Jahren ist und nur vielleicht dreigeschossig ist, das war damals aus dem Aufbauprogramm und man sozusagen lukrative ein sechs- und siebengeschossiges haben möchte. Auch das könnten wir in Milieuschutzgebieten unterbinden. Und auch da muss ich sagen, dass wir auch die einzige rechtliche Instrumentarium und gegenwärtig Rückbau zu unterbinden, nachdem auch die Rückbau, die Genehmigungspflichtigkeit von Rückbau im Jahre 2005 durch eine reine Anzeigenpflicht ersetzt worden ist. Das heißt, ein Eigentümer nur die Bauaufsicht mit einem Dreizeiler benachrichtigen muss, ich will es tun und zwei Tage später ist der Bagger da.

Und dann haben wir zum Abschluss und das ist noch der Abschluss meiner Beantwortung, natürlich noch eine weitere Möglichkeit, die der Bundesgesetzgeber dem Landesgesetzgeber eingeräumt hat, nämlich in Milieuschutzgebieten eine zusätzliche Landesverordnung zu erlassen, mit dem die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen unterbunden werden könnte. Auch das wäre ein wichtiger Baustein für spekulative Kaufteilung und lukrativen Weiterverkauf den Boden zu entziehen. Bedauerlicher Weise ist diese Möglichkeit vor kurzem im Abgeordnetenhaus von der Regierungskoalition abgelehnt worden.

Fragesteller: Dr. Turgut Altug

Bündnis 90/Die Grünen

Friedrichshain-Kreuzberg, den 22.06.11