Kunst und Kultur darf nicht nur ein hübsches Sahnehäubchen obendrauf sein, welches man zur Not auch weglassen kann. Oder das, je nach Kassenlage, mal mehr oder weniger üppig ausfallen darf. Kulturelle Teilhabe ist ein Grundrecht, und der Zugang zu Kultur muss für alle möglich sein. Kunst und Kultur schaffen einen identitätsbildenden Zusammenhalt und bieten gleichzeitig Raum für Reflexion und kritische Wahrnehmung. Sie sind keine Ware, sondern ein ideelles Gut. Tendenzen, Kunst und Kultur allein unter Verwertungsaspekten und Markttauglichkeit zu betrachten, lehnen wir ab.

Das haben wir erreicht:

• Die Einrichtung des Audiowegs »Frauengefängnis Barnimstraße«: ein Gang durch die Wahrnehmungswelten von inhaftierten Frauen in fünf politischen Systemen in Deutschland in hundert Jahren.
• Die Gründung des »Forum Erinnerungslandschaft Friedrichshain«: ein von Vereinen, Geschichtsinitiativen und bezirklichen Kultureinrichtungen, welche die Geschichte Friedrichshains erforschen, bewahren und öffentlich machen.
• Einen neuen Standort für das YAAM gefunden − direkt an der Spree.
• Dass die Bezirkszentralbibliothek ihren angestammten Namen »Pablo Neruda« zurückerhalten hat.
• Dafür gesorgt, dass der Medienetat für die Ausstattungen der bezirklichen Bibliotheken erhöht wurde.
• Den Bezirkskulturfond gegen Kürzungen verteidigt und um Eigenmittel aufgestockt. Zudem die Entscheidung über die Vergabe der Mittel an eine von der Politik unabhängige Jury übertragen.

Kreative Vielfalt erhalten

Die Bevölkerung Friedrichshain-Kreuzbergs ist heute vielfältiger denn je. Multiple Identitäten, mehrfach-kulturelle Prägungen mit und ohne eigene Migrationserfahrung, unterschiedliche geschlechtliche Orientierungen, Mehrsprachigkeit, Cross Over-Erfahrungen und transkulturelle Phänomene erzeugen im Bezirk eine Lebenswirklichkeit, die Grenzen verschwimmen lässt, neue Allianzen hervorbringt und Nährboden für künstlerische und kulturelle Ausdrucksformen ist. Der Bezirk verfügt über einen außerordentlichen Reichtum an Energien und Potenzialen. Diese müssen erhalten werden! Kunst und Kultur brauchen dafür Räume. In Berlin und gerade in unserem Bezirk werden sie jedoch immer knapper. Zahlreiche Spielstätten, Ateliers, Galerien, Probe- und Projekträume mussten aufgrund extremer Mietsteigerungen oder gewinnträchtigerer Nutzungskonzepte schließen. Der Bezirk muss hier weiter unterstützend und vermittelnd tätig sein, um neue Räume zu (er)finden. Bei eigenen Bauprojekten soll Raum für kulturelle Nutzung eingeplant werden. Auch temporäre Mischnutzungen z.B. in Schulen mit freien Kapazitäten sind Alternativen.
Bei Neubauten privater Investor*innen sollen im Rahmen städtebaulicher Verträge auch Flächen zugunsten einer kulturellen Nutzung festgelegt werden. Es soll stets geprüft werden, ob Zwischennutzungen für Kunst und Kultur möglich sind. Bereits kulturell genutzte Räume sollen über entsprechende Bebauungspläne gesichert werden.

Spielräume und kommunale Kulturangebote

Neben den vielen freien Akteur*innen sind die kommunalen Kultur- und Bildungseinrichtungen das Rückgrat der kulturellen Infrastruktur im Bezirk. Sie stellen Foren, Bühnen, Räume und Fördermittel bereit für die Produktion, Präsentation und Diskussion künstlerischer Arbeiten. Die kommunalen Galerien, wie der Kunstraum Kreuzberg im Bethanien und die Galerie im Turm in Friedrichshain, sind Keimzellen der aktuellen Kunst in Berlin. Die Studiobühne Alte Feuerwache in Friedrichshain bietet freien Gruppen aus aller Welt einen Aufführungsort. Das Ballhaus Naunynstraße in Kreuzberg ist ein einzigartiges postmigrantisches Theater und kreatives Kunstlabor, das weit über den Bezirk hinaus wirkt. Diese bezirklichen Kulturangebote weiter zu fördern hat für uns einen außerordentlichen hohen Stellenwert.

Gesellschaftliche Teilhabe – Kommunale Bildungsangebote

Kulturelle Bildung ist ein wesentlicher Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und muss deshalb für alle offen, erreichbar und ohne Schwellen zugänglich sein. Hierfür stehen unsere bezirklichen Einrichtungen: die Bibliotheken, die Musikschule und die Volkshochschule. Sie bieten allen Bürger*innen, unabhängig von ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, ihrem Status oder den finanziellen Möglichkeiten, einen niedrigschwelligen Zugang zu Bildung und Kultur und tragen damit zu Integration und Chancengerechtigkeit bei. Darüber hinaus werden sie in einem zunehmend kommerzialisierten Umfeld immer wichtiger, auch als nichtkommerzielle Begegnungsstätten. Diese Funktionen müssen unbedingt erhalten bleiben.

Kiezbibliotheken stärken

In fast allen Bezirken sind die Kiezbibliotheken vom Aussterben bedroht. Dabei sind sie mit mehr als 600.000 Besucher*innen im Jahr die am meisten genutzten Bildungseinrichtungen. Seit langem fordern wir Grüne ein Berliner Bibliotheksgesetz, welches die Ausstattung − auch und gerade der Bezirksbibliotheken − mit ausreichend Personal und Sachmitteln sicherstellt. Einer Absenkung der Summe, die für den Kauf von neuen Büchern und anderer Medien zur Verfügung steht, auf unter einen Euro pro Einwohner*in werden wir uns auch in Zukunft entgegenstellen. Wir werden uns außerdem weiterhin dafür einsetzen, dass die Amerika-Gedenk-Bibliothek zum Standort der Zentralen Landesbibliothek erweitert wird.

Stadtschreiber*in von Friedrichshain-Kreuzberg

In Friedrichshain-Kreuzberg leben wir an einem der spannendsten Orte Europas. Wir sind alternatives Multikultilabor und Sehnsuchtsort für Kreative aus aller Welt im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Verändern, Kiezkultur und Metropolenschick, Solidarität und Verdrängung. Die vielfältigen Geschichten dazu liegen praktisch auf der Straße. Es muss sie nur jemand aufsammeln und Literatur daraus machen. Dafür möchten wir in den nächsten Jahren das Amt der Stadtschreiber*in von Friedrichshain-Kreuzberg ausloben. Es soll ein einjähriges Stipendium sein, Auszeichnung und Arbeitsauftrag zugleich, die Geschichten in und von Friedrichshain-Kreuzberg mitzuerleben, mitzugestalten und literarisch aufzuzeichnen.

Angebote der Musik- und Volkshochschule ausbauen, Kursgebühren niedrig halten

Trotz langer Wartelisten fehlt es unseren Musikschulen an Räumen und Personal. Wir setzen uns dafür ein, dass die Angebote der Musikschule kontinuierlich ausgebaut werden. Das Erlernen eines Instruments darf kein Privileg für Kinder gutsituierter Familien sein. Die Volkshochschulen ermöglichen lebensbegleitendes Lernen, das Entdecken neuer Talente und Interessen.
Dabei ist die Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg nicht nur ein Ort der Weiterbildung sondern auch eine wichtige interkulturelle Begegnungsstätte. Es kann nicht angehen, dass die Bezirke durch die fehlende Mittelzuweisung von Landesseite gezwungen werden, Honorar- und Tariferhöhungen über die Erhöhung von Kursgebühren aufzufangen − und damit gerade den finanziell schlechter gestellten Nutzer*innen den Zugang zu diesen Angeboten zu erschweren. Die Mittelzuweisungen des Landes müssen erhöht werden, auch damit die hohe Qualifikation und anspruchsvolle musikpädagogische Arbeit der oftmals nur als Honorarkräfte angestellten Musikschullehrer*innen angemessen entlohnt und sozial abgesichert sowie die Möglichkeiten einer Festanstellung erweitert werden können.

(Kultur-)Armut beseitigen

Die Unterfinanzierung der Bezirke durch das Land Berlin führt dazu, dass die Aufrechterhaltung ihrer Kultur- und Bildungsangebote zunehmend schwieriger wird. Während die sogenannte Hochkultur in Berlin von hohen Subventionen profitiert, wird die bezirklich geförderte Kultur einer absurden Budgetierung unterworfen, die Qualität nicht belohnt, sondern bestraft. Wir fordern deshalb vom Land Berlin, Kultur und kulturelle Bildung in den Bezirken endlich auf eine solide finanzielle Basis zu stellen. Die bezirkliche Kulturarbeit ist ein wesentlicher Teil des kulturellen Angebots der Metropole Berlin. Daher muss den Bezirken dafür auch ein Teil der Einnahmen aus der City-Tax zustehen. Damit wollen wir den Bezirkskulturfonds aufstocken, um künstlerische Projekte und Veranstaltungen in den Kiezen zu fördern. Der Bezirkskulturfonds trägt essenziell zur Stärkung der freien Kunst- und Kulturszene in Friedrichshain-Kreuzberg bei.

Erinnern, Geschichten erzählen, Zeichen setzen

Sich erinnern und gedenken erschöpft sich keineswegs in der Archivierung des Vergangenen. Die Geschichte unseres Bezirks zu erinnern und zugänglich zu machen bedeutet, seine vielfältigen Geschichten aus immer wieder neuen Blickwinkeln heraus zu betrachten und erfahrbar zu machen. Die bezirklichen Kultureinrichtungen mit ihren zahlreichen Projekten und Ausstellungen spielen hierbei eine bedeutende Rolle, insbesondere das Friedrichshain-Kreuzberg Museum.
Erinnerungskultur heißt für uns auch Zeichen setzen. Zahlreiche Projekte des aktiven Erinnerns konnten von uns Grünen in den letzten fünf Jahren auf den Weg gebracht und vollendet werden: die Benennung der Silvio-Meier Straße, das »Forum Erinnerungslandschaft Friedrichshain«, eine Gedenktafel für Rio Reiser u.v.m. Bei vielen anderen wollen wir in den nächsten Jahren noch die Erinnerung wecken.

Eine Gedenktafel für Rio Reiser

Auf unsere grüne Initiative hin ist eine Gedenktafel für Rio Reiser am Tempelhofer Ufer 32 angebracht worden. Der »König von Kreuzberg« und seine Band »Ton, Steine. Scherben« haben für die Berliner Hausbesetzer*innenszene in den 1970er-/1980er Jahren die Klangkulisse geliefert. Am TempelhoferUfer habendie »Scherben« Anfang bis Mitte der 1970er gewohnt.

Begegnungsstätten für Neuankommende

Wir wollen auch unsere Kultur- und Bildungseinrichtungen dazu nutzen, den vielen Menschen, die als Geflüchtete neu zu uns gekommen sind, ein Ankommen und Heimischwerden im Bezirk zu ermöglichen. Sie können für Künstler*innen, Kreative und Musiker*innen als erste Anlaufstelle dienen, Kontakte vermitteln und Raum bieten, eigene Projekte oder Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen. Wir wollen deshalb keine speziellen Kulturangebote nur für Geflüchtete, sondern vielmehr Brücken in die regulären Angebote bauen, damit die Neuankommenden direkt am kulturellen Leben im Bezirk teilhaben und mitwirken können. So erarbeitet das Ballhaus Naunynstraße bereits seit mehreren Jahren Theaterprojekte zusammen mit Geflüchteten. Das Friedrichshain-Kreuzberg/Museum entwickelt und präsentiert Ausstellung und Projekte mit Geflüchteten, und die Musikschule wirbt um neue Stimmen im Musikschulchor.

VHS auch für Geflüchtete

Wir haben die Volkshochschul-Sprachkurse für Geflüchtete verdreifacht. Auf grüne Initiative hin werden für die Helfer*innen kostenlose Arabischkurse angeboten und für die Notunterkünfte mehrsprachige Bücherkisten bereitgestellt. Die künftigen VHS-Programme sollen noch mehr darauf zugeschnitten sein, dass sie vielfältige Begegnungen zwischen den eingesessenen und den neuen Friedrichshain-Kreuzberger*innen ermöglichen.

Clubkultur

Die Clubszene ist und bleibt für uns ein wichtiger Bestandteil der Kultur im Bezirk. Abseits von sterilen Mehrzweckhallen finden sich hier immer noch die Orte, an denen Musik und Kultur auch jenseits des Mainstream stattfinden können. Sie sind bedroht durch das Schwinden der Brachen und Freiräume, die lukrativ vermarktet und bebaut werden. Wir sind daher froh, dass wir für das von Verdrängung bedrohte, soziale Kultur- und Jugendprojekt YAAM einen neuen Standort am Spreeufer finden konnten.
nicht noch mehr Clubs einer heranrückenden Wohnbebauung weichen müssen, wollen wir Standorte durch entsprechende Bebauungspläne oder durch die Verpflichtung von Investor*innen zu ausreichenden Schallschutzmaßnahmen sichern. Eine weitere Konzentration von Clubs in ohnehin belasteten Quartieren wollen wir aber verhindern. Deshalb wurde auf dem RAW-Gelände die Eröffnung einer weiteren sehr großen »Vergnügungsstätte« mit umfassendem Außenbetrieb nicht genehmigt. Wir wollen das RAW als sozio-kulturelles Zentrum und einzigartigen Freiraum erhalten. Das geht nur im Einklang mit der Nachbarschaft.
Die Clubszene in unserem Bezirk droht auch zum Opfer ihres eigenen Erfolgs und der Vermarktung Friedrichshain-Kreuzbergs als Partymeile Berlins zu werden. Hier sind Land und Bezirk in der Verantwortung, eine entsprechende Infrastruktur für die vielen Gäste zur Verfügung zu stellen, sowie die Einhaltung des Lärmschutzes durch regelmäßige Kontrollen zu gewährleisten. Aber auch die Clubbetreiber*innen selbst müssen ihren Beitrag für ein funktionierendes Miteinander leisten. Mit der Club-Commission, die den Anwohner*innen als Gesprächspartner bei Problemen zur Verfügung stehen will, gibt es schon gute Ansätze. Sie reichen aber nicht aus. Wir wollen eine Nachtbürgermeister*in für Friedrichshain-Kreuzberg finden. Diese soll ehrenamtlich den Dialog stärken zwischen Nachtleben, Politik und Anwohner*innen. Damit das Zusammenspiel von Wohnen, Arbeiten und Feiern wieder funktioniert.