Berliner Verfassungsgerichtshof prüft Ablehnung durch den Senat. Das Urteil ergeht am 6. Oktober

Am 14. Juli fand vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof die Anhörung zum Volksbegehren „Schluss mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“ statt. Fast 40.000 Berlinerinnen und Berliner unterstützten das von der Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ gestartete Volksbegehren, 20.000 wären nur nötig gewesen.

In der so genannten Zulassungsstufe überprüfte der Berliner Innensenator die Zulässigkeit. Im Falle des Wasservolksbegehrens entschied er, dass das Volksbegehrensgesetz zur Offenlegung von Geheimverträgen gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse privaten Kapitaleigner verstößt.

Gegen die Ablehnung hat die Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof Einspruch eingelegt. Deswegen fand am 14. Juli die Anhörung statt. Die Bürgerinitiative wurde von dem Wirtschaftsjuristen und Vorstandsvorsitzenden der Berliner Verbraucherzentrale Prof. Kessler vertreten. In der Anhörung wurde dem neuen Ausführungsgesetz zu Volksbegehren viel Raum eingeräumt. Vor allem wurde die Frage erörtert, ob der Senat bei der Prüfung von Volksbegehrensanträgen „höherrangiges Recht“ (Grundrechte) als Prüfungskriterium anlegen darf, ob er also einen weiten oder einen engen Prüfungsrahmen hat. Denn die neue Berliner Verfassung von 2006 sieht diese Prüfung nicht mehr explizit vor.

Grundrechtsbindung für öffentlich-private Verträge ?

Dieser „Redaktionsfehler“ wurde von der Kanzlei, die das Abgeordnetenhaus Berlin beauftragt hat, eingestanden und könnte dazu führen, dass die Argumentation des Senats, die zur Ablehnung des Volksbegehrenantrages geführt hat, rechtlich hinfällig ist. In diesem Fall wäre der Start für die zweite Stufe des Volksbegehrens frei. Aber die politisch spannendere Frage als die oben dargelegten Probleme zum Ausführungsgesetz, ist die Klärung der Frage: Unterliegen Verträge, die der Staat mit privaten Unternehmen schließt den Grundrechten, wie sie private Unternehmer haben oder darf sich der Staat (der Senat) wie „natürliche Personen“ auf die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte – und damit auf die Vertragsfreiheit – berufen?

Grundrechte sind Abwehrrechte der Bürgerin/des Bürgers gegen die Omnipotenz und Omnipräsenz des Staates. Der Staat ist an die Grundrechte gebunden, darf sich aber auf dessen Schutzwirkung nicht berufen. Dem Senat als Träger staatlicher Gewalt sollte es somit nicht gestattet sein, sich den Schutz von Grundrechten über den Umweg einer Vertragsschließung mit Privaten (wie VEOLIA und RWE) zu erschleichen. Auch wenn der Staat die öffentliche Daseinsvorsorge – hier die Wasserver- und -entsorgung privatisiert oder teilprivatisiert, unterliegen die privaten Anteilseigner gemeinsamer Unternehmen der Grundrechtsbindung, genauso wie der Staat. Vor allem dann, wenn der Staat die Mehrheit an einem Unternehmen hält, wie im Beispiel der Berliner Wasserbetriebe. Auch über diese grundlegende Frage wird der Verfassungsgerichtshof am 6. Oktober hoffentlich entscheiden. Heidi Kosche, Mitglied des Abgeordnetenhauses

Infos unter: www.berliner-wassertisch.net