In einer kleinen Anfrage erkundigen sich die Abgeordneten Heidi Kosche und Lisa Paus nach dem aktuellen Stand um den Kooperationsvertrag zwischen der Charité und dem Evangelischen Johannesstift.

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

Die Kleine Anfrage betrifft teilweise Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Charité – Universitätsmedizin Berlin um Stellungnahmen gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Sie wird nachfolgend wiedergegeben.

1. Ist dem Senat bekannt, dass die Charité seit Monaten nicht bereit ist, den Kooperationsvertrag mit dem Evangelischen Johannesstift zu überarbeiten, der zum Inhalt hat, dass sowohl der Lehrstuhl für Geriatrie der Charité, als auch die Versorgung von Patienten der Charité weiterhin am EGZB, Reinickendorfer Str. 61 angesiedelt sind, obwohl der Aufsichtsrat der Charité den Vorstand der Charité mehrfach aufgefordert hat, sich der Problematik anzunehmen und der Vorstand dem monatelang nicht nachgekommen ist?

Zu 1.: Die Kooperation zwischen Charité und dem Evangelisches Geriatriezentrum Berlin (EGZB) beruht auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 1995. Darin ist geregelt, dass die Charité die universitären Belange im Fach Geriatrie am EGZB wahrnimmt. Die Vereinbarung hat sich aus Sicht der Charité bewährt. Ein unmittelbarer Anlass zum Abschluss einer neuen Vereinbarung besteht nicht. Das Evangelische Johannesstift und die Charité haben sich bereits 2007 auf Prinzipien einer neugefassten Kooperationsvereinbarung verständigt für den Fall, dass es am EGZB zu einem Trägerwechsel kommen sollte, und haben diesen Entwurf seither weiterentwickelt.

Da die Charité keinen Trägerwechsel unterstützt und sich die Absicht des Evangelischen Johannesstifts bislang nicht realisiert hat, den Gesellschafteranteil an die Paul Gerhardt Diakonie abzugeben, besteht derzeit keine Notwendigkeit, den Entwurf einer neuen Kooperationsvereinbarung zu finalisieren.

2. Ist dem Senat außerdem bekannt, dass der Liegenschaftsfonds des Landes Berlin derzeit den Verkauf des Grundstücks Reinickendorfer Str. 61 an das Johannesstift Berlin und nach Verkauf des EGZB durch das Evangelische Johannesstift an den Charité-Konkurrenten Verein zur Errichtung Evangelischer Krankenhäuser (mit neuem Namen Paul Gerhardt Diakonie) vorbereitet und damit sowohl das Land Berlin, als auch die Charité den letzen verbliebenen Zugriff auf das EGZB als universitären Standort für Geriatrie durch den Grundstücks-verkauf verliert?

Zu 2.: Der Liegenschaftsfonds des Landes Berlin ist weder Eigentümer, noch hat er eine Vollmacht zum Verkauf des Grundstücks Reinickendorfer Straße 61. Vielmehr wird über die Bestellung eines Erbbaurechts an diesem Grundstück zwischen dem Grundstückseigentümer, Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Mitte und dem EGZB verhandelt.

3. Ist dem Senat außerdem bekannt, dass das Zentrum über die Grenzen Berlins ein hohes fachliches Ansehen genießt und lange Wartelisten für die Aufnahme von Patienten existieren und dies trotzdem im neuen Krankenhausplan 2010 mit zusätzlichen Betten nicht berücksichtigt werden soll?

Zu 3.: Das EGZB besitzt Modellcharakter sowohl für die Integration verschiedener geriatrischer Versorgungsformen wie auch für die Interaktion zwischen Forschung und klinischer Praxis. Das Anhörungsverfahren zur Fortschreibung des Berliner Landeskrankenhausplanes ist nicht abgeschlossen. Insofern kann bislang keine Festlegung bezüglich der Zielbettenzahl erfolgt sein.

Im Übrigen unterstützt der Senat grundsätzlich die Stärkung des universitären Geriatriezentrums und die dadurch erweiterten Möglichkeiten für Forschung und Lehre im Fach Geriatrie.

4. Welche Methode der Kaufpreisermittlung wurde bei besagter Liegenschaft gewählt und wie bewertet der Senat die gewählte Methode?

Zu 4.: Dem Bezirksamt Mitte liegt kein Kaufvertrag des EGZB vor. Insoweit wurde auch keine entsprechende Wertermittlung in Auftrag gegeben (siehe Antwort zu Frage Nr. 2).

5. Wie steht der Senat zu der Zustimmung der Charité, vertreten durch den ärztlichen Direktor Prof. F. als Verhandlungsführer, dass die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Ev. Johannesstift und der Charité nach Verkauf des EGZB durch das Johannesstift an den Charité-Konkurrenten Verein zur Errichtung Ev. Krankenhäuser von diesem übernommen und fortgeführt werden kann, obwohl der vorherige Charité-Vorstand aus strategischen Gründen eine Kooperation vor dem Hintergrund des Helios-Vertrag mit dem Verein zur Errichtung evangelischer Krankenhäuser abgelehnt hat?

Sieht der Senat einen Zusammenhang zwischen dem Verzicht dieser bisherigen Verhandlungsposition durch den Ärztlichen Direktor der Charité Herrn Prof. Dr. F. und dem Wechsel seines stellvertretenden ärztlichen Direktors der Charité, Herrn PD Dr. F. , als Medizinischer Vorstand zu eben dieser Klinik-kette?

Zu 5.: Die Charité hat grundsätzliche Bereitschaft bekundet, die Kooperation im Fall eines Trägerwechsels unter final noch auszuhandelnden Bedingungen fortzuführen. Diese Bereitschaft ist der Kontinuität einer hoch qualitativen geriatrischen Versorgung am EGZB wie auch der Kontinuität der dort betriebenen Forschung geschuldet. Die Bereitschaft steht unter der Bedingung, dass die universitären Belange in der Kooperation weiterhin angemessen berücksichtigt werden. Dies ändert nichts daran, dass die Charité von sich aus keinen Trägerwechsel unterstützt, sondern eine Fortsetzung der Kooperation in der bewährten oder in einer weitergehenden Form der Zusammenarbeit befürwortet (siehe Frage Nr. 1).

Der Senat geht grundsätzlich davon aus, dass Arbeitgeberwechsel von Beschäftigten der Charité keinen Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen des Vorstands der Charité haben.

6. Warum wurde nicht der Weg, der Charité das Grundstück zu übertragen, um damit den Standort dauerhaft als Geriatriestandort der Charité zu sichern, konsequent verhandelt?

Zu 6.: Eine Übertragung der Liegenschaft Reinickendorfer Straße 61 an die Charité wäre nur im Rahmen einer Beteiligung der Charité am EGZB möglich. Aufgrund der Absicht des Evangelischen Johannesstifts, die Gesellschafteranteile an die Paul Gerhardt Diakonie zu veräußern, wird seitens der Charité die zuvor erwogene Option einer Beteiligung unter diesen Umständen derzeit nicht weiter verfolgt.

7. Wie passen die getroffenen bzw. nicht getroffenen Entscheidungen zu der ambitionierten Ankündigung der Charité (Prof. Dr. F.), einen medizinischen Forschungs- und Versorgungsschwerpunkt „Medizin der zweiten Lebenshälfte“ in den Süden Berlins legen zu wollen?

Zu 7.: Das Strukturkonzept des Vorstands, den Campus Benjamin Franklin als Schwerpunkt für die Medizin der zweiten Lebenshälfte zu profilieren, unterstreicht die zunehmende Bedeutung und den Forschungsbedarf im Bereich der altersassoziierten Krankheiten. Das Konzept reagiert zum einen auf den wachsenden Versorgungsbedarf. Es setzt zum anderen an den etablierten Forschungsfeldern und den Entwicklungspotenzialen der dort bereits vertretenen Fachabteilungen an. Eine noch dichtere Verflechtung mit dem EGZB sowohl in der Krankenversorgung wie in der Forschung ist Bestandteil des Konzepts. Die Charité ist darin erfahren, Krankenversorgung sowie Forschung standortübergreifend zu organisieren, so dass die räumliche Distanz zum EGZB kein Hindernis dar-stellt.

Berlin, den 24. September 2009

In Vertretung

Dr. Hans-Gerhard Husung

Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung