Zur ersten Sitzung des Sonderausschusses zu den Wasserverträge herrschte Besucherandrang im Abgeordnetenhaus. Die Premiere zeigt mit ihren Diskussionen um die Arbeitsweise des Ausschusses, dass Demokratie kompliziert sein kann. Ein Artikel aus dem Tagesspiegel von STEFAN JACOBS.

Die Grüne Heidi Kosche begrüßt die Bürger „ganz besonders herzlich“, die sich als Zuhörer im Raum 311 des Abgeordnetenhauses drängen. Rund 70 sind am Freitag zur ersten Sitzung des Sonderausschusses „Wasserverträge“ gekommen. Neun Abgeordnete plus zwei beratende Volksvertreter sollen die umstrittenen Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) samt der damaligen Begleitumstände durchleuchten. Die rot-schwarze Koalition hat den Ausschuss als Konsequenz aus dem entsprechenden Volksbegehren der Initiative „Wassertisch“ eingesetzt.

Die Premiere zeigt mit ihren Diskussionen um die Arbeitsweise des Ausschusses, dass Demokratie kompliziert sein kann.

Kaum ist der Ausschussvorsitzende Claudio Jupe (CDU) gewählt, wird über einen Antrag der „Wassertisch“-Mitinitatorin und Abgeordneten Kosche debattiert, allen Bürgern ein Rederecht im Ausschuss zu geben. Schließlich gehöre zu dem per Volksentscheid beschlossenen Gesetz auch die Prüfung der Wasserverträge durch externen Sachverstand.

Doch diese Art von Publikumsbeteiligung sehe die Geschäftsordnung des Parlaments womöglich nicht vor, gibt der Linke Klaus Lederer zu bedenken. In sorgsam abgewogenen Worten fügt er hinzu, dass maximale Bürgerbeteiligung bei einem auf ein Jahr befristeten Ausschuss mit 14-tägigen Sitzungen und abertausenden Akten den Rahmen des Machbaren sprengen könne. Während sich Lederer bei der Abstimmung enthält, lehnen CDU und SPD mit ihrer Fünf-Stimmen-Mehrheit den Antrag ab. „Pfui!“, schallt es aus dem Publikum, „schämt euch!“ Jupe mahnt zur Einhaltung der Hausordnung.

Zweiter Antrag, zweites Dilemma: Alle behandelten Dokumente sollen veröffentlicht werden, fordert Kosche. Pirat Gerwald Claus-Brunner sekundiert: „Ich möchte nicht erleben, dass wir hier irgendwelche Geheimdokumente haben.“ Karlheinz Nolte (SPD) gibt zu bedenken, dass die Aussicht auf öffentliche Verbreitung manche Quelle verschließen könne. Lederer fügt hinzu, was geheim sei, bestimme ohnehin der Lieferant der Unterlagen, etwa der Senat. Also wird grundsätzliche Öffentlichkeit beschlossen für alles, was nicht als „geheim“ deklariert ist. Piraten und Grüne enthalten sich.

Einstimmig beschließen die Abgeordneten, dass sie die Teilnahme von Finanz- und Wirtschaftssenator oder eines Staatssekretärs an ihren künftigen Sitzungen „erwarten“. Laut einem weiteren Beschluss „geht der Ausschuss davon aus“, vom Abgeordnetenhaus mit Personal und Geld etwa für Gutachten ausgestattet zu werden. Anderenfalls verkomme der Ausschuss zur „Laberrunde“, sagt Lederer. Die CDU enthält sich, die anderen stimmen zu. Nun muss Jupe bei Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD) die Unterstützung anfordern.

In der nächsten Sitzung soll über potenzielle Informationsquellen und das weitere Vorgehen beraten werden. Auch sollen – stellvertretend fürs Volk – Vertrauensleute des „Wassertischs“ zu Wort kommen. Wer das sein wird, ist unklar, denn die Initiative hat sich im Streit gespalten. Es bleibt also schwierig mit der Demokratie.