Seit rund 120 Jahren gibt es den Tag der Arbeit. An Aktualität haben die Proteste und Forderungen nach menschenwürdiger Arbeit nicht eingebüßt.

Wie in jedem Jahr treffen wir uns hier und heute, um gemeinsam den 1. Mai zu feiern. Wir setzen eine lange Tradition fort. Alles begann Mitte der achtziger Jahre des 19. Jh. Damals beschlossen amerikanische Gewerkschaften erstmals für die Durchsetzung eines Acht-Stunden-Tages am 1. Mai 1886 einen mehrtägigen Generalstreik. Der 1. Mai war in den USA traditionell der „Moving Day“, Stichtag für den Abschluss oder die Aufhebung von Verträgen, häufig verbunden mit Arbeitsplatz- und Wohnungswechsel. Angelehnt an den amerikanischen Generalstreik, an dem sich 400.000 Arbeiter beteiligt hatten, begingen 1890 erstmals Millionen arbeitender Menschen in mehreren europäischen Ländern und in den USA gleichzeitig den „Weltfeiertag der Arbeit“. Sie folgten dem Beschluss des Internationalen Arbeiterkongresses von Paris 1889. Dort war zu einer „großen internationalen Manifestation“ für den 1. Mai 1890 aufgerufen worden. Im Mittelpunkt stand die Forderung, „den Arbeitstag auf acht Stunden festzusetzen“.

Inzwischen ist der 1. Mai zu einem Feiertag geworden, der aber immer mit der politischen Diskussion und Auseinandersetzung verbunden ist. Für beides, Feiern und politische Diskussion bietet dieses Fest hier Zeit und Raum. Was verbindet den 1. Mai 2007 mit der Zeit und den Forderungen des 19. Jahrhunderts? Sicherlich sind die Problemlagen der Erwerbsarbeit, der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit andere als die von 1890, aber noch immer gibt es keine Chancengerechtigkeit beim Zugang zur Erwerbsarbeit und bei der Verteilung materieller Güter. In der heutigen Wissensgesellschaft ist die wichtigste Zugangsvoraussetzung zu qualifizierter Arbeit ein hoher Bildungsabschluss. Wir wissen alle, dass in kaum einem anderen Industrieland, die soziale Ungerechtigkeit beim Zugang zu Bildung und Einkommen so hoch ist, wie hier in Deutschland. Obwohl alle politischen Parteien dies erkannt haben wollen, wird auch noch nach Jahren der PISA-Erkenntnisse nicht entsprechend gehandelt und in die Bildung aller unserer Kinder investiert. Die Forderung an alle politisch Verantwortlichen in dieser Stadt und in diesem Land ist: „Stellt endlich die finanziellen Mittel für die bestmöglichen Schulen für alle Kinder zur Verfügung!“ Am Engagement und den entsprechenden Konzepten und Ideen mangelt es dieser Stadt und diesem Bezirk mit seinen engagierten Eltern, LehrerInnen und allen anderen, die für und mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, nicht.

Dieser Tage wurden die neuen Arbeitslosenzahlen veröffentlicht. Trotz guter Konjunktur entstehen überwiegend schlechte Jobs. „Der Aufschwung bringe vor allem Teilzeitstellen“, sagen ExpertInnen und einige befürchten, dass er an vielen Arbeitslosen ganz vorbeiginge. Viele Unternehmen wollen keine festen und sozial abgesicherten Arbeitsplätze schaffen. Die anstehenden Aufträge werden immer mehr von LeiharbeiterInnen und Selbständigen durchgeführt. Damit entziehen sich die Unternehmen ihrer sozialen Verantwortung. Diese Art der Beschäftigung ist besonders prekär, weil das Risiko, in die Arbeitslosigkeit zu geraten, sehr viel höher ist als in der Wirtschaft insgesamt. Hinzu kommt, dass immer mehr Beschäftigungsverhältnisse entstehen, von deren Einkommen niemand mehr leben kann. Gering qualifizierte Menschen haben nach wie vor kaum eine Chance, trotz der steigenden Konjunktur einen Arbeitsplatz zu finden.

Nach wie vor ist der 1. Mai ein Tag, an dem wir gemeinsam fordern und daran arbeiten müssen, dass sich die soziale Situation armer Menschen verbessert, dass die Kinderarmut bekämpft wird, dass sich die Bildungschancen verbessern, dass für alle ein menschenwürdiges Dasein möglich wird.