Rekommunalisierung von Betrieben der Daseinsvorsorge: Auf Tagung der Böll-Stiftung in Berlin wurde über Zukunft der hauptstädtischen Wasserbetriebe diskutiert. Ein Artikel aus der Jungen Welt von Benedict Ugarte Chacón.

Gibt es für die Berliner Wasserbetriebe einen Weg zurück in vollständig kommunalen Besitz? Darüber diskutierten am Montag vor Ostern etwa 80 Personen in den Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung. Eingeladen hatte die Grünen-Abgeordnete im Landesparlament Heidi Kosche. Die Politikerin ist seit Jahren in der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch aktiv, die im Februar dieses Jahres einen Volksentscheid zur Veröffentlichung der Verträge zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe zum Erfolg geführt hatte.

Seit 1999 sind der Essener Atomkraftwerksbetreiber RWE und der französische Versorger Veolia zur Hälfte an den Wasserbetrieben beteiligt. Und das war bislang ein durchaus angenehmes Investment für die Konzerne, denn ihre Rendite – bisher 1,3 Milliarden Euro – wird ihnen über die Verträge, die 1999 einst vom Senat aus CDU und SPD geschlossen worden waren, garantiert.

Die Tagung war so konzipiert, daß mit ihr einerseits ein Überblick über die Teilprivatisierung gegeben und andererseits mögliche Zukunftsszenarien für die noch zu rekommunalisierenden Wasserbetriebe vorgestellt werden sollten. Hierzu kamen verschiedene inner- und außerparlamentarische Akteure zu Wort. Damit zeigten die zur Zeit von den Umfragen der Meinungsforscher verwöhnten Berliner Grünen, daß bei ihnen zumindest die Bereitschaft besteht, offen über Formen der Rekommunalisierung zu debattieren – und sich nicht wie insbesondere die Regierungsparteien SPD und Die Linke lediglich in nebulösen Absichtserklärungen zu ergehen.

Der Politologe Mathias Behnis skizzierte in einer Einführung die komplexe Holding-Konstruktion der Wasserbetriebe und den Ablauf der Teilprivatisierung. Dabei wurde deutlich, daß bei aktuell bestehender Gesetzeslage eine Rekommunalisierung ein langwieriger Prozeß sein wird. Für den Wassertisch analysierten Rainer Heinrich und Dorothea Härlin den partiellen Verkauf von Anteilen der Wasserbetriebe und stellten die Forderungen der Bürgerinitiative vor. So geht Heinrich davon aus, daß beteits das Bieterverfahren fehlerhaft durchgeführt wurde, und machte auf zahlreiche Interessenkollissionen und „korruptive Vorgänge“ aufmerksam. Nach seiner Meinung sind die Teilprivatisierungsverträge aus diesen Gründen ungültig. Härlin forderte für die zukünftigen Wasserbetriebe eine starke Orientierung an demokratischer Kontrolle, Transparenz und Partizipation. Für den Wassertisch sei es wichtig, nicht von vornherein mit einem fertigen Konzept aufzuwarten, sondern zunächst eine breite öffentliche Debatte zu initiieren. „Es geht jetzt darum, Politiker und Konzerne daran zu hindern, weitere Fakten auf dem falschen Pfad einer profitorientierten Wasserwirtschaft zu schaffen“, so Härlin in ihrem Vortrag. Der Wassertisch werde weiter mit fachlichen Beiträgen sowie Aktionen zur Politisierung des Themas beitragen.

Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der grünen Abgeordnetenhausfraktion, sagte, daß ein einfacher Rückkauf sich finanziell nicht unbedingt rechne. Zunächst müßten beide privaten Anteilseigner zum Verkauf bereit sein, bislang sei dies jedoch nur RWE. Das Entscheidende aber sei der Kaufpreis, der wiederum vom Unternehmenswert abhänge. Und dieser könne drastisch sinken, wenn die momentan laufende Prüfung der Höhe der Berliner Wasserpreise durch das Bundeskartellamt zur Folge habe, daß diese gesenkt werden müßten. Der Senat sei aufgefordert, die geheimen Verhandlungen mit RWE (siehe jW vom 18. April 2011) ruhen zu lassen. Sollte der Senat weiter über einen Rückkauf verhandeln, ohne den Ausgang des Kartellverfahrens abzuwarten, hätte dies komplizierte Vertragsverhandlungen zu Folge, in denen alle Eventualitäten um die Preisentwicklung behandelt werden müßten. Daß eine transparente und bürgernahe Rekommunalisierung vom Grundsatz her möglich ist, bewies der Vortrag von Anne Le Strat, der Zweiten Bürgermeisterin von Paris. In der Seine-Metropole wurde nach Ablauf der Konzession für die privaten Betreiberfirmen Veolia und Suez am 1. Januar 2010 mit „Eau de Paris“ ein neuer Konzern in öffentlicher Hand gegründet, der die Wasserversorgung von den Privaten übernahm. Nach Auskunft von Le Strat ist dessen Struktur effizienter als die des Vorgängerkonzerns. Auch die Gewinne verbleiben im Unternehmen, was insgesamt zu weniger Kosten führt. Das Pariser Modell läßt sich zwar nicht eins zu eins auf Berlin übertragen, jedoch sind die von Le Strat vorgestellten Kontrollgremien durchaus beispielhaft. Über einen konzerninternen Verwaltungsrat und ein eigenständiges Observationsgremium sind unter anderem Verbraucher, Umweltverbände, Gewerkschaften und Mieter an der Kontrolle des Unternehmens beteiligt.

Die Berliner Tagung endete mit dem Resultat, daß es bei der anzustrebenden Rekommuanlisierung des Berliner Versorgers nicht mit einem eingfachen Rückkauf der privaten Anteile getan sein kann und daß weitere Diskussionen in Politik und Zivilgesellschaft geführt werden müssen. Hierzu hat der Wassertisch mit seinem Volksentscheid den wichtigsten Anstoß gegeben, und die Grünen haben als erste den Ball aufgenommen. Was den anderen Parteien dazu einfällt, bleibt abzuwarten.