Auf dem ersten digitalen Parteitag überhaupt beschlossen rund 800 Delegierte am Wochenende vom 20 – 22. November 2020 mit überwältigender Mehrheit ein neues grünes Grundsatzprogramm.
Das Programm soll mindestens für die nächsten zehn Jahre die politische Ausrichtung der Grünen Bundespartei bestimmen. Wir ordnen ein, welche Debatten den Parteitag bestimmten und was das Programm für grüne Politik aus Xhainer Perspektive bedeutet.
„Mit einem „Weiter so!“ stabilisieren wir nicht“. Dieses Plädoyer der Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock verfolgten unsere 12 Delegierten, nicht wie vor Corona vorgesehen am Gründungsort der Grünen in Karlsruhe, sondern erstmalig digital von zu Hause aus. Nicht nur die Pandemie prägte den Parteitag: Die Auswirkungen der Klimakrise werden immer stärker sichtbar, soziale und gesellschaftlichen Konflikte führen zum Aufschwung von Populist*innen und Extremist*innen. All das stellt uns vor Veränderungen. Wir müssen uns als Partei daher jetzt fragen, wie wir diese Veränderung gestalten wollen.
Regierungsfähigkeit statt Idealismus?
Ein Parteitag soll – und so klang es auch in der Berichterstattung der Medien – immer eine Botschaft transportieren und die war eindeutig: Die Grünen trauen sich Regierungsverantwortung zu und haben einen Führungsanspruch.
Selbstbewusst progressive Veränderungen zu fordern gehört für uns schon immer dazu. Den Anspruch, diese Veränderungen auch in Regierungen umsetzen zu wollen, haben wir bisher nicht immer so klar formuliert. Kritische Stimmen, die fragen, was das für die Ideale und Ausrichtung unserer Partei bedeutet, sind also völlig berechtigt. Der Bundesvorstand hat zwar bis auf wenige Ausnahmen, wie das erstmalige Bekenntnis unserer Partei sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einzusetzen, die meisten Abstimmungen gewonnen. Trotzdem lohnt es sich, genauer hinzuschauen.
Auf die Inhalte kommt es an!
Worüber die Medien weniger stark berichtet haben, sagt viel über unsere innerparteilichen Debatten aus. Über 1.300 Änderungsanträge wurden gestellt, gut 50 davon aus oder mit unserem Kreisverband. Als progressiver Kreisverband konnten wir uns nicht in allem durchsetzen, knapp verloren wir Abstimmungen zu einer liberalen Drogenpolitik oder zum kostenfreien Studium. Wo wir mit dem Bundesvorstand verhandeln konnten, haben wir aber deutliche Erfolge verzeichnen können. So bekennen wir Grünen uns als antirassistische und antifaschistische Partei, das stand so klar noch in keinem Programm. Mit diesem Grundsatzprogramm fordern wir unabhängige Polizeibehörden, bekennen uns klar zum 1,5 Grad-Ziel und erteilen neoliberalen ökonomischen Konzepten, die nur auf Innovation als Lösung gesellschaftlicher Probleme setzen, eine klare Absage. Wir bleiben feministisch, stehen für Diversität und Selbstbestimmung, fordern kostenfreie und legale Schwangerschaftsabbrüche, Bildung unabhängig vom Geldbeutel und kämpfen nicht zuletzt für eine solidarische Welt, auch in Krisenzeiten, in der kein Mensch illegal ist.
Es geht erst richtig los…
Unsere Stoßrichtung für die kommenden zehn bis fünfzehn Jahre ist klar. Doch große Ziele verändern noch keine Politik. Das neue Grundsatzprogramm zeigt, dass die zentralen Herausforderungen für unseren Planeten und unser Zusammenleben auch zentral für unser politisches Handeln sind. Die Wege dahin müssen wir nun konkret bestimmen, als nächstes stehen im Jahr 2021 die Bundestagswahl und hier in Berlin die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Bezirksparlament an. Für unsere Wahlprogramme ist für uns Xhainer Grüne daher klar: Wenn wir diese Ziele erreichen wollen, dann brauchen wir radikale Maßnahmen, beim kommunalen Klimaschutz, bei der Mobilitätswende, in der Mietenpolitik. Wir wollen den öffentlichen Raum für alle lebenswert gestalten!
Für diese Veränderung werden wir kämpfen, damit wir in Bezirk, Land und Bund uns selbst – und dem neuen Grundsatzprogramm – gerecht werden können.
Doro Marquardt und Vasili Franco (BDK-Delegierte und Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses) für den Stachel, Dezember 2020