In einer kleinen Anfrage an den Senat erkundigt sich Heidi Kosche zusammen mit Lisa Paus nach der Finanzierung von Forschungsprojekten am Berliner Herzzentrum durch die Tabakindustrie.
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
Die Kleine Anfrage betrifft teilweise Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher die Charité – Universitätsmedizin Berlin und das Deutsche Herzzentrum Berlin um Stellungnahmen gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie werden nachfolgend wiedergegeben.
1. Seit wann werden Forschungsprojekte unter der Leitung von Prof. Dr. med. F. (Leiter des Klinikums für Innere Medizin – Kardiologie, Herzzentrum Berlin) von Philip Morris bezahlt? Über welchen Zeitraum erstreckten sich die Zahlungen, und bis zu welchem Zeitraum sind sie geplant?
Zu 1.: Nach Auskunft des Deutschen Herzzentrums Berlin hat die Klinik für Innere Medizin – Kardiologie 2002 nach einem Antrags- und Auswahlverfahren ein Projekt zum Thema: „Analysis of atherosclerotic plaque composition and cellular targets utilizing MRI and histochemistry“ bewilligt bekommen. Das Projekt und die Zahlungen erstreckten sich von 2003 bis 2005. Das Projekt ist abgeschlossen. Weitere Projekte sind seitens der Philip Morris Foundation nicht gefördert worden.
2. Wie hoch ist die Summe, mit der Philip Morris bis zum heutigen Zeitpunkt Forschungsprojekte von Prof. Dr. med. F. bzw. von seinem Arbeitsbereich durchgeführte Forschungsprojekte finanziert hat? Zahlungen in welcher Höhe und über welchen Zeitraum sind von Philip Morris zukünftig an Prof. Dr. med. F. und seinen Arbeitsbereich zu erwarten?
Zu 2.: Nach Auskunft des Deutschen Herzzentrums Berlin wurde das unter Nr. 1 genannte Projekt von 2003 bis 2005 mit 937.000 € gefördert. Weitere Projekte sind seitens der Philip Morris Foundation nicht gefördert worden.
3. In welchem Prozess und mit welchen Beteiligten wurden und ggfs. werden bei den von Philip Morris finanzierten Forschungsprojekten die relevanten Forschungsfragen formuliert? Wie viele Personen sind in die von Philip Morris finanzierte Forschung einbezogen worden?
Zu 3.: Nach Auskunft des Deutschen Herzzentrums Berlin ist die Philip Morris Research Foundation eine Stiftung, die wissenschaftliche Projekte und Forschungsstipendien für junge Wissenschaftler für Auslandsaufenthalte vergibt. Die Regularien entsprechen den international üblichen Regeln, d.h. es gibt eine Ausschreibung für ein geregeltes Antragsverfahren und einen Auswahlprozess durch unabhängige Wissenschaftler. Die Projektinhalte sind in der Ausschreibung nicht vordefiniert. In dem Projekt wurden Biologen, Tierpfleger, Physiker, Ärzte und Doktoranden beschäftigt. Entsprechend dem Vollkräfte-Äquivalent sind vier bis fünf Vollkräfte in die Forschung einbezogen worden.
4. Wurden die von Philip Morris finanzierten Forschungen bereits publiziert? Wenn ja, welche Veröffentlichen gibt es zum heutigen Zeitpunkt und wo können diese eingesehen werden? Welche inhaltlichen Ergebnisse hat die von Philip Morris finanzierte Forschung bisher vorzuweisen?
Zu 4.: Nach Auskunft des Deutschen Herzzentrums Berlin sind die inhaltlichen Projektergebnisse in sechs „peer-reviewed“ Journalen wie folgt veröffentlicht worden:
- Dietrich T, Perlitz C, Licha K, Stawowy P, Atrott K, Tachezy M, Meyborg H, Stocker C, Grafe M, Fleck E, Schirner M, Graf K. ED-B fibronectin (ED-B) can be targeted using a novel single chain antibody conjugate and is associated with macrophage accumulation in atherosclerotic lesions. Basic Res Cardiol 2007;102:298-307.
- Stawowy P, Margeta C, Blaschke F, Lindschau C, Spencer-Hansch C, Leitges M, Biagini G, Fleck E, Graf K. Protein kinase C epsilon mediates angiotensin II- induced activation of beta1-integrins in cardiac fibroblasts. Cardiovasc Res 2005;67:50-9.
- Stawowy P, Fleck E. Proprotein convertases furin and PC5: targeting atherosclerosis and restenosis at multiple levels. J Mol Med 2005;83:865-75.
- Stawowy P, Meyborg H, Stibenz D, Borges Pe-reira Stawowy N, Roser M, Thanabalasingam U, Veinot JP, Chretien M, Seidah NG, Fleck E, Graf K. Furin-like proprotein convertases are central regulators of the membrane type matrix metalloproteinase-pro-matrix metalloproteinase-2 proteolytic cascade in atherosclerosis. Circulation 2005;111:2820-7.
- Jahnke C, Nehrke K, Paetsch I, Schnackenburg B, Gebker R, Fleck E, Nagel E.Improved bulk myocardial motion suppression for navigator-gated coronary magnetic resonance imaging. J Magn Reson Imaging. 2007; 26:780-786.
- Jahnke C, Dietrich T, Paetsch I, Koehler U, Preetz K, Schnackenburg B, Fleck E, Graf K, Nagel E. Experimental evaluation of the detectability of submillimeter atherosclerotic lesions in ex vivo human iliac arteries with ultrahighfield (7.0 T) magnetic resonance imaging. The International Journal of Cardiovascular Imaging. 2007; 23:519-527.
Die inhaltlichen Ergebnisse sind den Publikationen zu entnehmen.
5. Sieht Prof. F. durch seine Arbeit einen „positiven Effekt in Bezug auf das öffentliche Ansehen der Zigarettenindustrie“ erreicht? Wie beschreibt Prof. F. den „fairen Interessenausgleich“, der seines Erachtens die Grundlage für die Zusammenarbeit bildet?
Zu 5.: Nach Auskunft des Deutschen Herzzentrums Berlin sieht Prof. F. durch seine Arbeit keinen positiven Effekt in Bezug auf das öffentliche Ansehen der Zigarettenindustrie, zumal die Inhalte des Projektes dazu auch keinen Bezug herstellen lassen. Prof. F. ist ein „fairer Interessenausgleich“ in diesem Zusammenhang nicht bekannt.
6. Welcher Art ist die Kooperation von Prof. F. mit Philip Morris oder mit dem Forschungsinstitut INBIFO? Welche gemeinsamen Arbeitsgruppen wurden zwischen INBIFO und dem DHZB bzw. Charité gebildet? Welche Forschungszentren waren bzw. sind an diesen Arbeitsgruppen beteiligt?
Zu 6.: Nach Auskunft des Deutschen Herzzentrums Berlin ist das unter Nr. 1 genannte Projekt abgeschlossen. Weitere Projekte sind nicht gefördert worden. Es gibt weder eine Kooperation mit Philip Morris noch mit dem Forschungsinstitut INBIFO. Nach Auskunft der Charité sind Beteiligungen von Arbeitsgruppen der Charité nicht bekannt und auch nicht im Industrievertragskataster der Charité erfasst.
7. Entspricht es der allgemeinen Forschungspolitik der Charité und der Deutschen Herzstiftung Berlin, mit der Tabakindustrie zu kooperieren?
8. Werden noch andere Forschungsprojekte der Charité durch die Tabakindustrie finanziert?
Zu 7. und 8.: Nach Auskunft der Charité gibt es keine Drittmittelförderung an der Charité durch die Tabakindustrie und die Charité lehnt Drittmittelförderung, die nicht im Einklang mit der ärztlichen Berufspflicht und der guten wissenschaftlichen Praxis steht, ab. Nach Auskunft der Charité müssen Drittmittelprojekte im Interesse der Patientenschaft und der medizinischen, wissenschaftlichen Praxis stehen (§3 der Richtlinien für aus Drittmitteln finanzierte Forschungsvorhaben der Charité – Universitätsmedizin Berlin). Das Deutsche Herzzentrum Berlin hat dem nichts hinzugefügt.
9. Werden in allen Veröffentlichungen von Forschungsvorhaben des DHZB bzw. der Charité, die von der Tabakindustrie teilweise oder ganz finanziert wurden, die Tabakindustrie oder ihre Vertreter explizit als Geldgeber genannt?
Zu 9.: Nach Auskunft des Deutschen Herzzentrums Berlin werden Drittmittelgeber in den unter Nr. 4 genannten Veröffentlichungen entsprechend den Regeln der „peer-reviewed“ Journale genannt.
Berlin, den 04. September 2008
In Vertretung
Dr. Hans-Gerhard Husung
Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung