Die Stille am Hafenplatz trügt: Der Kampf um eine soziale und klimagerechte Zukunft der Wohnsiedlung beginnt jetzt. Zum einen sind sich der Bezirksstadtrat, die BVV, der Berliner Mieterverein, die Mieterinitiative und Architects for Future einig, dass ein Kahlschlag nicht in Frage kommt. Doch die Eigentümer dürften weiterhin auf Abriss und Entmietung setzen.

Als 2018 die ersten Umbaupläne der privaten Eigentümer des Hafenplatzes im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen der BVV vorgestellt wurden, wurden diese positiv aufgenommen: Der ikonische Gebäudeteil, „die Spinne“, sollte erhalten bleiben, die recht flachen Gebäude an der Köthener Straße sollten einem Neubau weichen. Einen großen Anteil der Wohnungen sollte die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag übernehmen. Der Bezirk würde die Mieter durch ein Sozialplanverfahren schützen, damit alle zu bezahlbaren Konditionen bleiben können.

Erhalt oder Totalabriss?

Doch einige Jahre später, nach der Pandemie, kam es anders. Die Eigentümerstruktur änderte sich und zwei Grundstücke wurden hinzugefügt. Alleiniger Eigentümer war nun Ioannis Moraitis. Immerhin war die Gewobag weiterhin an Bord. Die Idee nun: Totalabriss und massive Nachverdichtung. Doch die städtebaulichen Entwürfe überzeugten nicht. Der Totalabriss wurde vor allem wirtschaftlich begründet. Aber die Logik dahinter wurde schnell aufgedeckt: Für einen viel zu hohen Preis wurde das Grundstück weiterverkauft. Dieser Preis konnte nur durch ein hoch profitables Tabula-rasa-Konzept wieder eingespielt werden. Hinzu kam der Umstand, dass die Mieter von der Eigentümer-Hausverwaltung falsche Nebenkostenabrechnungen erhielten, was als Einschüchterung der Mieter verstanden wurde – ebenso wie die Vernachlässigung des Gebäudes. Dass die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen den Eigentümer wegen Kreditbetrugs ermittelte, passte ins Bild. Das erste Mal in meiner Zeit als Stadtrat sah ich mich Mitte 2024 gezwungen, öffentlich zu erklären, dass eine Zusammenarbeit mit einem konkreten Eigentümer nicht mehr möglich sei.
Seit diesem Moment plant das Bezirksamt aktiv die behutsame Entwicklung des Areals. Parallel hatte das Bezirksamt eine Mieterberatung vor Ort eingerichtet und sich regelmäßig mit der neuen Mieterinitiative abgestimmt. Zentrales Instrument der bezirklichen Steuerung ist ein Rahmenplan, der die Bebaubarkeit des Areals definiert, eine Vorkaufsrechtssatzung und ein noch festzusetzendes Milieuschutzgebiet. Alle drei Instrumente werden derzeit vorbereitet.

Neue Perspektiven

Im Januar 2025 fand ein erstes Fachgespräch zur städtebaulichen Entwicklung des Areals statt. Dabei waren u. a. die lokale Mieterinitiative, Architects for Future, die landeseigene Gewobag und die Ostseeplatz-Genossenschaft. Eine wichtige Frage ist dabei, inwiefern die Spinne – also ein kreuzförmiges Gebäudeteil – ertüchtigt und vielleicht aufgestockt werden kann. Die anwesenden Architekten stellten spannende Ideen vor, die nun in eine Machbarkeitsstudie vertieft werden sollen. Im Idealfall würde die alte Idee, dass eine Kommunalisierung von Wohnraum stattfindet, Realität werden. Doch dazu muss auf einen Teil des Kaufpreises verzichtet werden. „Schuldenschnitt“ nennen das die Banker. Die Frage ist daher, ob der aktuelle Eigentümer bzw. seine Bank bereit ist für diesen Schritt – oder ob sie weiter auf Totalabriss setzen. Das Vorkaufsrecht des Bezirks ist eine Möglichkeit, Druck auszuüben – der Milieuschutz und die bestehende städtebauliche Erhaltungssatzung ebenso.

Ein Testfall?

Doch das Kapital kämpft bekanntlich mit allen Mitteln, um Profit zu maximieren. Wer Kreuzberg kennt, weiß aber, dass die Menschen und die Lokalpolitik keine Auseinandersetzung scheuen. Wenn es gelingt, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft eine machbare, soziale und klimagerechte Vision für den Hafenplatz aufzuzeigen, kann dies auch zu einem Testfall für die schwarz-rote Landesregierung werden. Auf welche Seite wird sich der Senat schlagen? Wird er eine Vorkaufssatzung für den Bezirk erlassen und eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft beauftragen, Ankaufsverhandlungen zu führen – oder wird er, wie bei der Urbanen Mitte, das Baurecht an sich ziehen um Investorenträume wahr werden zu lassen? Die Wahlen in Berlin stehen im September 2026 an. Der Hafenplatz könnte Schauplatz grundsätzlicher stadtentwicklungspolitischer Fragen werden. Bündnis 90/Die Grünen werden für eine behutsame und partizipative Entwicklung des Hafenplatzes kämpfen, damit alle Mieter bleiben können und ein klimagerechtes Quartier entstehen kann.

Florian Schmidt, Bezirksstadtrat für Bauen, Planen, Kooperative Stadtentwicklung