In einer kleinen Anfrage erkundigt sich Heidi Kosche nach der fachlichen Betreuung von PatientInnen mit psychatrischen Grunderkrankungen.

Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:

1.Wie beurteilt der Senat die fachliche Betreuung von PatientInnen mit psychiatrischen Grunderkrankungen in Berliner Krankenhäusern auf nicht psychiatrischen Abteilungen?

Zu 1.: Die akutmedizinische Krankenhausbehandlung von Patienten/innen mit einer psychischen Grunderkrankung betrifft gegenwärtig eine große Gruppe. Beispielsweise wurden im Jahre 2007 in Berlin über 15.000 Patienten/innen allein mit der Nebendiagnose „Demenz“ in somatischen Abteilungen der Krankenhäuser behandelt. Die grundsätzliche Einbindung psychiatrischer Abteilungen in Allgemeinkrankenhäuser in Berlin begünstigt die fachübergreifende Versorgung.

Die Weiterentwicklung von Ansätzen der konsiliarischen psychiatrisch-psychotherapeutischen Mitbehandlung von Patienten/innen in somatischen Abteilungen rückt seit einigen Jahren immer stärker in die bundesweite gesundheitspolitische Fachdiskussion. Die Gewährleistung einer angemessenen, qualitätsgesicherten Behandlung ist dabei Aufgabe der Selbstverwaltung. Die Gesundheitsministerkonferenz hat in ihrer letzten Sitzung im Juni 2009 einen Beschluss gefasst, mit dem an Krankenhausträger und Kostenträger appelliert wird, zielgruppenspezifische Konzepte zu entwickeln, die der qualitätsgesicherten akutmedizinischen Versorgung von demenz-erkrankten Patienten/innen gerecht werden.

Wegen der besonderen Bedeutung dieser Leistungen hat der Landespsychiatriebeirat folgende Empfehlung ausgesprochen:

„Alle in die Pflichtversorgung eingebundenen Kliniken und Abteilungen haben dafür Sorge zu tragen, dass die Grundversorgung an psychiatrischen, psychotherapeutischen und psychosomatischen Leistungen erbracht wird. Hierzu bedarf es einer engen und verbindlich gestalteten Kooperation mit den niedergelassenen Fachärzten und niedergelassenen Psychotherapeuten sowie der im Bezirk angesiedelten Krankenhäuser ohne psychiatrisch-psychotherapeutische Abteilung. Die Kooperation soll dazu genutzt werden, die psychiatrisch-psychotherapeutische Konsiliarversorgung dieser Krankenhäuser zu verbessern.“

Die konsequente Umsetzung der Psychiatriereform auch in der Krankenhausplanung hat dazu geführt, dass die konsiliarärztliche Betreuung psychisch Kranker in Krankenhäusern mit psychiatrisch-psychotherapeutischer oder auch psychosomatischer Abteilung als gut bis befriedigend zu bezeichnen ist. Teilweise noch unbefriedigend ist die konsiliarärztliche Betreuung in Krankenhäusern ohne psychiatrisch-psychotherapeutische oder psychosomatische Abteilung.

Hier sind die Krankenhausträger und die Selbstverwaltung aufgefordert, die geschaffenen Strukturen im Gebiet der Psychiatrie (regionalisierte Pflichtversorgung) aufzugreifen, um durch verbindlich geregelte Verfahren der Kooperation psychiatrisch-psychotherapeutisches Fachwissen und Leistungen in den somatischen Behandlungskontext einfließen zu lassen. Dies beinhaltet selbstverständlich auch eine auskömmliche Finanzierung der erbrachten Leistungen.

2.Kann der Senat Angaben dazu machen, wie viele psychiatrische Fortbildungen das pflegerische und ärztliche Personal der Berliner Kliniken in den Jahren 2007 und 2008 absolviert hat? Wenn ja, bitte Angaben zur Anzahl der Fortbildungen.

Zu 2.: Hierzu liegen dem Senat keine differenzierten Angaben vor. Nach § 30, Abs. 2 Landeskrankenhausgesetz (LKG) sind die Krankenhausträger für die Fort-bildung der Dienstkräfte zuständig. Regelhaft verfügen die psychiatrischen Abteilungen/Kliniken über sorgfältig strukturierte Weiter- und Fortbildungsprogramme für ihre Mitarbeiter/innen.

3.Anhand welcher Kriterien beurteilt der Senat die Qualität der Überleitung von PatientInnen mit einer psychiatrischen Grunderkrankung nach einem stationären Klinikaufenthalt zurück in ihre Häuslichkeit, um einen „Drehtüreffekte“ zu vermeiden?

Zu 3.: Im Rahmen der Novelle des Landeskrankenhausgesetzes wurde festgelegt, dass die Krankenhäuser die Patienten/innen rechtzeitig vor Beendigung der stationären Versorgung über die Angebote der gesundheits- und sozialpflegerischen Dienst informieren (s. § 24 Abs. 4 LKG in der Fassung vom 1. März 2001).

Weitere Regelungen betreffen in diesem Zusammenhang die rechtzeitige Übergabe erforderlicher Unterlagen für die Weiterführung der Betreuung und Behandlung. Im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wurde im § 11 Abs. 4 SGB V ein allgemeiner Anspruch der Versicherten auf ein Versorgungsmanagement insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche festgeschrieben. Die betroffenen Leistungserbringer haben danach für eine Anschlussversorgung des/der Versicherten zu sorgen und sich gegenseitig die erforderlichen Informationen zu übermitteln. Hierbei sind sie von den Krankenkassen zu unterstützen.

In Reaktion auf die höheren Anforderungen an die Qualität der Versorgung haben sich in den letzten Jahren in den Bezirken psychiatrische Verbünde gegründet. In Berlin gibt es folgende Verbundformen:

  • Gemeindepsychiatrischer Verbund,

  • Geriatrische-Gerontopsychiatrische Verbünde und

  • Sucht- und Drogenverbünde.

Im Gemeindepsychiatrischen Verbund sind unter Federführung des Bezirks die Träger von Einrichtungen und Diensten der psychiatrischen Versorgung, die Leistungsträger, Betroffene und Angehörige mit dem Ziel zusammengeschlossen, das gemeindepsychiatrische Hilfenetz verbindlich und am Einzelfall orientiert aufzubauen und weiter zu entwickeln.

Die verbindlich geregelte Zusammenarbeit aller Leistungsanbieter in einer Versorgungsregion/Bezirk zum Zwecke der besseren Versorgung von Betroffenen sowie ihrer Angehörigen kann als Kriterium zur Beurteilung der Qualität der Überleitung von Patienten/innen in den ambulanten Versorgungsbereich betrachtet werden. Ausreichende Personal- und Finanzressourcen sowie zeitnahes und verbindliches Handeln aller Akteure sind dabei von wesentlicher Bedeutung.

Die Wiederkehr eines/er Patienten/in nach Entlassung ist dabei nicht notwendigerweise Ausdruck therapeutischen Scheiterns, sondern ist vielfach Teil des langfristigen Behandlungskonzepts: An die Stelle weniger langer Aufenthalte sollen wenn nötig mehrere kurze Klinikaufenthalte treten.

Eine wiederholte stationäre Behandlung ist prinzipiell nicht zu „verteufeln“, sondern kann eine Wohltat – für den Betroffenen und seine Angehörigen sein. Das grundsätzlich richtige Prinzip „ambulant vor stationär“ sollte nicht dogmatisch verkürzt interpretiert werden.

„Drehtüreffekte“ im pejorativen Sinne treten immer dann auf, wenn während der stationären Therapiestrecke nicht alle notwendigen Behandlungsoptionen genutzt werden können. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

Eine unzulängliche Vorbereitung der poststationären Behandlung („Überleitung“) stellt nur eine von mehreren möglichen Ursachen dar. Die Notwendigkeit einer erneuten Klinikaufnahme hängt auch von der Medikamenten-Compliance, der weiteren Heilbehandlung, der Krankheitseinsicht, der Vernetzung/Zusammenarbeit der komplementären Dienste, des sozialen Umfelds etc. ab.

4.Liegen dem Senat Zahlen vor, anhand derer zu beurteilen ist, wie häufig Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen kurzzeitig nach Krankenhausentlassung wieder stationär aufgenommen werden mussten?

Wenn ja, bitte Fallzahlen nach Kliniken für die Jahre 2006 – 2008 angeben.

Zu 4.: Im Jahr 2007 wurde zum Zwecke der Krankenhausplanung eine Abfrage bei allen in die Pflichtversorgung eingebundenen psychiatrischen Abteilungen und Kliniken durchgeführt. Im Rahmen dieser Abfrage wurde auch differenziert nach „Personen“ und „Fällen“ gefragt. Nach Mitteilung der einbezogenen pflichtversorgenden Einrichtungen wurden 25.448 Personen im Berichtszeitraum klinisch behandelt. Dem stehen 40.510 Be-handlungsfälle gegenüber.

Somit war statistisch gesehen im Erhebungsjahr jede behandelte Person 1,59 Mal in klinischer Behandlung. Dabei variieren die Wiederaufnahmen bezüglich der Störungsbilder sehr. Über den Zeitraum zwischen Entlassung und erforderlicher Wiederaufnahme liegen keine Informationen vor.

5.Sieht der Senat Anlass für eine Verbesserung der Überleitungsqualität für PatientInnen mit psychiatrischer Grunderkrankung nach der Entlassung aus dem Kranken-haus in die Häuslichkeit?

Wenn ja, welche Maßnahmen sollten dafür ergriffen werden?

Zu 5.: Grundsätzlich ist zu bemerken, dass eine Überleitung nicht für alle Patienten/innen eines psychiatrischen Krankenhauses oder einer psychiatrischen Fachabteilung eines Krankenhauses angezeigt und notwendig ist. Eine geregelte Überleitung von Patienten/innen aus den psychiatrischen Krankenhäusern in die Häuslichkeit ist nur dann angezeigt, wenn eine Weiterbehandlung, Betreuung oder Pflege notwendig ist.

Sollten Patienten/innen bereits ein ausreichendes ambulantes Versorgungsnetz (beispielsweise Nervenarzt, Einzelfallhilfe, Wohnbetreuung etc.) haben, dann geht es auch um die Informationsweitergabe an die Dienste, Personen oder Einrichtungen.

Für die Überleitung von Patienten/innen aus den Kliniken bestehen mehrere gesetzliche Regelungen. Im SGB V, § 11 Abs. 4 (Leistungsarten) ist ein Anspruch auf eine Versorgungsmanagement, insbesondere zur Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche beschrieben. Diese verbindlichen gesetzlichen Vorschriften haben ihre Gültigkeit auch für den Personenkreis der aus psychiatrischen Kliniken und Fachabteilungen entlassenen Patienten/innen mit einer psychiatrischen Diagnose und finden ihre Entsprechung in landesgesetzlichen Regelungen.

Zu benennen ist hier insbesondere das LKG, § 24 Absatz 2 und 4 (Patientenversorgung), in dem das Entlassungsmanagement geregelt wird. Ferner sind gesetzliche Regelungen aus dem Gesetz für psychisch Kranke (PsychKG), § 3 (Ziele der Hilfen) abzuleiten.

Für den Bereich der Überleitung in Maßnahmen des SGB V, wie beispielsweise die Versorgung von psychisch kranken Patienten/innen mit Soziotherapie, häuslicher psychiatrischer Pflege, medizinischer Rehabilitation etc. besteht aus Sicht der Senatsverwaltung ein Optimierungs-bedarf.

Die strukturellen Voraussetzungen für eine gelungene Überleitung liegen vor. Es ist eine Aufgabe des Krankenhaus-Entlassungsmanagement, diese Überleitung sicherzustellen. Wird ein/e Patient/in bereits ambulant betreut, muss die Entlassung zusammen mit dem/der Pa-tienten/Patientin und mit den entsprechenden ambulanten Diensten vorbereitet und vorbesprochen werden. Fall- oder Hilfeplankonferenzen unter Einbeziehung aller am Versorgungsprozess Beteiligten und ihre Vernetzung in Gemeindepsychiatrischen Verbünden spielen hier eine wichtige Rolle.

Ist der/die Patient/in (noch) nicht im komplementären System angekommen, kann die Überleitung in die eigene Häuslichkeit sowohl durch Einbeziehung der Psychiatrischen Institutsambulanzen, der Hochschulambulanzen, der Häuslichen Psychiatrischen Krankenpflege (§37 SGB V) als auch der ambulanten Soziotherapie (§37a SGB V) begleitet werden. Die beiden letzteren genannten Dienste müssen von dem/der Vertragsarzt/ ärztin des Fachgebietes verordnet werden. Diese Verordnung bei Bedarf einzuleiten, liegt in der fachlichen Verantwortung der behandelnden Ärzte/innen.

In den letzten Jahren wurde in Berlin – insbesondere für den Bereich der Betreuung und Tagesstrukturierung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII sowie im Bereich der niedrigschwelligen bezirklichen Hilfen – ein sehr strukturiertes und gut ausgebautes Versorgungssystem entwickelt. Dies beinhaltet auch das entsprechende Überleitungsprocedere u. a. aus den Kliniken. Die besonderen Verfahrensregelungen zur Eingliederung behinderter Menschen sind in den Ausführungsbestimmungen zur Eingliederungshilfe behinderter Menschen nach dem SGB XII (AV Ein-gliederungshilfe – AV EH) festgelegt.

Darüber hinaus sind verbindliche Steuerungsstrukturen in der Verwaltungsvorschrift zur Hilfegewährung für seelisch behinderte Menschen nach dem Gesundheitsdienstgesetz bestimmt. Es handelt sich hierbei um die „Rahmengeschäftsordnung für die Steuerungsgremien Psychiatrie in den Berliner Bezirken“ (RGO-SGP). Das Hilfeplanverfahren ist in diesem Bereich der Versorgung unter Beteiligung der Kliniken besonders weit entwickelt.

Obwohl strukturell gute Voraussetzungen für gelingende Überleitungen gegeben sind, gibt es – sicher regional unterschiedlich – Verbesserungsbedarfe.

So beklagen die Sozialpsychiatrischen Dienste der Bezirke, dass die Überleitung nach einer Klinikentlassung an den Sozialpsychiatrischen Dienst für diejenigen Patienten/innen, die in laufender Betreuung eines Sozialpsychiatrischen Dienstes sind, gewünscht und so auch mit den Kliniken grundsätzlich abgesprochen ist. Es kommt jedoch immer wieder aus unterschiedlichsten Gründen (hohe Fluktuation der Klinikärzte, hohe Arbeitsbelastung etc) dazu, dass eine Entlassung nicht gemeldet wird, so dass die Betreuung häufig nicht nahtlos erfolgen kann. Ein Grund für diese Defizite ist der Tatsache zu schulden, dass inzwischen (bundesweit) die Psychiatriepersonalver-ordnung, in der der Mindestpersonaleinsatz für die klinischen Einrichtungen geregelt ist, nicht mehr erfüllt werden kann. Um hier einer erkennbaren Fehlentwicklung entgegenzuwirken, hat die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz in den letzten Jahren diverse Initiativen zu einer Entspannung der Situation gestartet und unterstützt.

Die Überleitung zu niedergelassenen Psychiatern/ innen und Neurologen/innen ist nach Auskunft der sozial-psychiatrischen Dienste immer wieder schwierig, Wartezeiten von mehreren Wochen und Monaten sind möglich, da ein erheblicher Teil der niedergelassenen Psychia-ter/innen vorrangig psychotherapeutische Behandlung anbietet oder Gutachtentätigkeiten ausübt, so dass die Kapazitäten für psychiatrische Basisversorgung stark reduziert werden.

Durch die kurzen klinischen Verweildauern ist aber gerade das ambulante Behandlungssystem gefragt.

6.Liegen dem Senat Zahlen vor, die im Hinblick auf die steigende Zahl von Menschen mit einer psychiatrischen Grunderkrankung ein fachärztliches Defizit bezogen auf Neurologen und Psychiater in bestimmten Berliner Bezirken ausweisen? Wenn ja, bitte Angabe der betroffenen Bezirke.

Zu 6.: Die hier formulierte Grundannahme – steigende Prävalenz psychischer Störungen – ist unter Fachleuten nicht unumstritten. Unstrittig ist aber der vermehrte diagnostische Behandlungsbedarf, vornehmlich im ambulanten Sektor. Die langjährigen Bemühungen um Entstigmatisierung haben zu einer größeren Akzeptanz psychischen Krankseins in der Bevölkerung geführt. Psychiatrisch-psychotherapeutische Diagnostik und Therapie werden daher häufiger nachgefragt. Dieser Trend ist insbesondere bei Angst- und depressiven Störungen deutlich erkennbar.

Trotz steigenden Bedarfs in ambulanter Diagnostik und Therapie geht die Zahl psychiatrisch tätiger Fachärzte/innen bundesweit zurück. Dies wird nur partiell durch die erhebliche Zunahme niedergelassener Psychotherapeuten/innen kompensiert. In Berlin kommt eine Verschiebung von Facharztsitzen vom Ost- in den Westteil der Stadt hinzu, seitdem die Kassenärztliche Vereinigung Berlin als einheitliches Planungsgebiet führt. Die Ungleichverteilung der Facharztdichte stellt für die regionalen Versorgungsverbünde ein Problem dar.

Hinsichtlich der Zahlen wird auf die tabellarische Aufschlüsselung der Antwort zur Frage 6 der Kleinen Anfrage Nr. 16/13560 zur Qualität der geronto-psychiatrischen Versorgung der Berliner Bezirke Bezug genommen.

Nach dem Stand 01.01.2008 liegen die Versorgungs-grade bei den beiden für die Versorgung primär zuständigen Arztgruppen jeweils oberhalb einer Unterversorgung im Sinne der Bedarfsplanung.

Bezirke

Nervenärzte

Hausärzte

Mitte

165%

122%

Friedrichshain/Kreuzberg

149%

114%

Pankow

117% 

106%

Charlottenburg/Wilmersdorf

280%

151%

Spandau

103%

111%

Steglitz/Zehlendorf

160%

110%

Tempelhof/Schöneberg

147%

127%

Neukölln

128%

103%

Treptow/Köpenick

  92%

102%

Marzahn/Hellersdorf

103%

102%

Lichtenberg

105%

97%

Reicnickendorf

122%

108%

Mit Verweis auf diese Fakten kann zur (allgemeinen) psychiatrischen ambulanten Versorgung darauf verwiesen werden, dass diese im Zulassungsbezirk Berlin als sehr gut zu beschreiben ist. Dies gilt gleichermaßen für die Arztgruppe der Nervenärzte/innen, zu denen neben Nervenärzten/innen und Neurologen/innen auch die Psychiater/innen sowie die Psychiater/innen und Psychotherapeuten/innen zählen.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass derzeit 34 Ärzte/innen (Kinder- und Jugendpsychiatrie) am (kassenartenübergreifenden) Vertrag zur sozialpsychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Berlin teilnehmen. Dieser Vertrag dient der Förderung einer qualifizierten sozialpsychiatrischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung.

Hierdurch soll vorwiegend bei komplexen sozialpädiatrischen und psychiatrischen Behandlungsproblemen die ambulante ärztliche Betreuung als Alternative zur stationären Versorgung und anderen institutionellen Betreuungsformen ermöglicht werden. Die teilnehmenden Ärzte/innen müssen die interdisziplinäre Zusammenarbeit medizinischer, psychologischer, pädagogischer und sozialer Dienste gewährleisten.

Darüber hinaus gibt es in Berlin derzeit 23 Psy-chiatrische Institutsambulanzen (PIA): 5 für die ambu-lante Versorgung von Kindern und Jugendlichen und 18 PIA für die ambulante Versorgung für Erwachsene. Diese hatten im Jahr 2008 ca. 17.500 Fälle allein AOK-Versicherter behandelt (Angabe in Versichertenanzahl sowie GKV-weite Zahlen sind leider nicht möglich).

7.Sieht der Senat in allen Berliner Bezirken eine wohnortnahe Versorgung von psychiatrisch erkrankten PatentInnen gegeben? Falls nein, welche Maßnahmen gedenkt der Senat zu ergreifen, um eine Unterversorgung zu beheben?

Zu 7.: Eine wohnortnahe Versorgung von psychisch erkrankten Menschen ist das Ziel der Gesundheitspolitik des Senats. Mit Blick auf die Bezirke als psychiatrische Versorgungsregion ist dies im Verlauf der Psychiatriereform auch gelungen. Bezüglich einer wohnortnahen Versorgung insbesondere im ambulanten fachärztlichen und psychotherapeutischen Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und auch der Erwachsenenpsychiatrie wäre eine vergleichbarere bezirkliche Verteilung der Arztsitze wünschenswert.

Auf der Basis der für die Kassenärztliche Vereinigung Berlin maßgeblichen Bedarfsplanungsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses kann eine Unterversorgung jedoch nicht festgestellt werden. Trotzdem weisen lange Wartezeiten bis zum Behandlungsbeginn besonders bei neuen Patienten/innen nach Krankenhausaufenthalten (Facharzttermin, Psychotherapieplatz) auf bestehende Probleme hin.

8.Gibt es nach Ansicht des Senats Bezirke, in denen eine bessere Vernetzung der psychiatrischen Angebote hergestellt werden sollte? Wenn ja, in welchen Bezirken und welche zusätzlichen Angebote hält der Senat für notwendig?

Zu 8.: Das psychiatrische Hilfesystem in Berlin ist in den letzten Jahren deutlich flexibler geworden und besser in der Lage, sich auf den individuellen Hilfebedarf von Klienten/innen einzustellen. Es hat sich ein umfassendes Hilfesystem insbesondere des Wohnens und der Tagesgestaltung entwickelt, dass es psychisch kranken Menschen ermöglicht, sich im Alltag zurecht zu finden und ihre Entwicklung zur Selbstständigkeit zu fördern. Es sind viele neue, in die Gemeinde integrierte Angebote entstanden, die sich an den Bedürfnissen der Patienten/innen orientieren. Diese Angebote reichen von abgestuften ambulanten und stationären Wohnformen über den Alltag gestaltende Dienste und Einrichtungen bis hin zu Hilfen zur Teilhabe an Arbeit und Beschäftigung.

Die Vernetzung psychiatrischer Angebote in Form von Verbünden u. a. ist bisher in den Bezirken unterschiedlich gestaltet und entwickelt. Einschätzungen der Bezirke zu ihren Vernetzungsstrukturen variieren von ausreichend bis gut; stellenweise wird noch ein Mangel an Vernetzung konstatiert.

Die Etablierung von verbindlicher Vernetzungsstrukturen in einer Versorgungsregion ist kein starres Konstrukt, sondern muss als ein sich ständig verändernder Prozess verstanden werden. Aufgrund steigender ambulanter Hilfebedarfe, sich z. T. verändernder Krankheitsbilder, des Anstiegs komplexerer Hilfebedarfe bei z. B. jüngeren Klienten/innen, der Auswirkungen der demografischen Entwicklung der Bevölkerung (Demenzerkrankungen) u. a. m. sind die Bezirke ständig gehalten, das derzeitig gut ausgebaute Versorgungssystem immer wieder neu zu überdenken und es entsprechend der sich auch zukünftig veränderten Bedarfe anzupassen sowie die psychiatrischen Leistungsangebote sinnvoll weiterzuentwickeln.

Das allgemeine aber ganz zentrale Prinzip, das der Qualität der Versorgung zu Grunde liegt, ist das verbindliche gemeinsame Handeln, wie z. B. im Gemeindepsychiatrischen Verbund erprobt. Nicht die Anzahl der Angebote in einer definierten Versorgungsregion, sondern der Grad der Vernetzung ist ein entscheidendes Qualitätskriterium im System der psychiatrischen Versorgung.

In Vertretung

Dr. Benjamin-Immanuel H o f f

_____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit,

Umwelt und Verbraucherschutz