Wir dachten ja, das Gerücht hätte sich überholt – Irrtum: Auch in diesem Winter schreiben wieder diverse Medien, Friedrichshain-Kreuzberg würde Weihnachtsmärkte verbieten und/oder nur genehmigen, wenn sie in „Wintermarkt“ umbenannt werden.
Den Grund vermutet etwa die BILD darin, „auf dem Altar der politischen Korrektheit“ werde „die christliche Tradition geopfert“.
In den Artikeln wird stets ein Bezirksamtsbeschluss zitiert, der angeblich folgenden Wortlaut hat: „Das Bezirksamt verständigt sich darauf, dass grundsätzlich keine Genehmigungen für Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften im öffentlichen Raum erteilt werden.“ Das ist schlicht falsch zitiert und damit leider ein Paradebeispiel für eine unsaubere Recherche. Es zeigt außerdem, dass zahlreiche Medien als originäre Quelle ein anderes Medium, das bereits unsauber recherchiert hat, nutzen – eine Entwicklung, die uns allen zu denken geben sollte. Tatsächlich fehlt in dem zitierten Absatz der sinngebende Ausdruck „…von Religionsgemeinschaften zur Selbstdarstellung im öffentlichen Raum…“. Also: Religionsgemeinschaften dürfen auch weiterhin Feste veranstalten – nur nicht solche, die einzig der Selbstdarstellung dienen!
Wo aber fängt Selbstdarstellung an? Das Bezirksamt definiert es so: Wenn ein Fest Teil unseres Kulturgutes ist – wie etwa Weihnachten oder Ramadan – dann kann es genehmigt werden. Wenn aber eine Veranstaltung lediglich dazu dient, die jeweilige Religion darzustellen – etwa Infostände von Scientology oder Salafisten, die den Koran verteilen -, dann wird sie in Friedrichshain-Kreuzberg nicht mehr genehmigt. Eine Anfrage an das Bezirksamt im Sommer 2014 ergab, dass bislang kein einziger Antrag auf öffentlichem Straßenland allein aus dem genannten Grund abgelehnt worden ist.
Übrigens: Ende 2012 hat sich unsere Fraktion dafür eingesetzt, dass die Initiative „Berlin lacht!“ im Kreuzberger Prinzessinnengarten einen Kultur-Weihnachtsmarkt mit Weihnachtszirkus veranstalten darf. Dass der Markt dann letztlich als „Wintermarkt“ beworben wurde, war alleinige Entscheidung der Veranstalter*innen, die damit der religiösen Vielfalt unseres Bezirks Rechnung tragen wollten. Zahlreiche andere Veranstalter*innen haben sich mit ähnlichen Begründungen ebenso entschieden In unserem bunten und vielfältigen Bezirk stellt das Christentum, anders als in vielen anderen Orten in Deutschland, nicht die Mehrheitsreligion dar. Die Überlegung, durch eine begriffliche Öffnung auch Angehörige anderer Religionen anzusprechen, ist eine bewusste Entscheidung zugunsten der Vielfalt. Aber natürlich finden auch in Friedrichshain-Kreuzberg weiterhin Weihnachtsmärkte statt!
In diesem Sinne: Wir wünschen allen eine besinnliche Vorweihnachtszeit und ein frohes Weihnachtsfest!
PS: Richtig gut aufgearbeitet haben das Thema übrigens Mats Schönauer vom BILDblog und Sebastian Heiser von der taz. Wir lernen: Recherche hilft, liebe Journalist*innen!