Am 10.07.2008 hat Heidi Kosche in der Plenarsitzung des Berliner Abgeordnetenhauses eine Rede zu Anträgen der FDP zur Tarifkalkulation der Berliner Wasserbetriebe gehalten.
Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Es ist immer gut, die Wasserpreise in Berlin zur Priorität dieses Hauses zu machen, denn hier liegt in der Tat vieles im Argen. Wir alle wissen und haben gerade noch einmal erläutert bekommen, woher die hohen Wasserpreise kommen: Es liegt an der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe. Sie wurden damals von SPD und CDU an Vivendi – heute Veolia – und RWE verkauft. Die von CDU und SPD gemeinsam gestalteten Verträge sind so zuungunsten der Berliner Tarifzahlerinnen und -zahler, so dramatisch schlecht für die Verbraucher ausgefallen, dass sie in ihrer Gesamtheit nicht öffentlich sein dürfen. Seit der Teilprivatisierung sind die Wasserpreise mehr als 25 Prozent gestiegen.
[Dr. Martin Lindner (FDP): Das hat doch damit nichts zu tun!]
Es gäbe viele Gründe anzuführen, aus denen die Wasserpreise so hoch sind. Vor allem aber sind sie es, weil eine unüblich hohe Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals von derzeit etwa 8 Prozent in die Preiskalkulation eingeht und weil die Möglichkeit besteht, kalkulatorische Abschreibung anzusetzen, und zwar auf Wiederbeschaffungszeitwerte – etwa, als wenn Sie in etwa 20 Jahren einen Fernsehen kaufen werden und heute schon wissen, was er kosten wird. Allein diese beiden Kosten machen knapp 45 Prozent der tarifrelevanten Kosten aus, und das sind die wirklichen Preistreiber. Da gibt es keine Nachkalkulation, da wird eingesteckt, nicht zurückgerechnet. Und die Berlinerinnen und Berliner zahlen diese hohen Wassertarife. Das ist der eigentliche Skandal, und hier beginnt der Beutezug.
Senator Sarrazin ist nicht da, aber ich stelle einmal einen Vergleich mit Hamburg an. Die kommunalen Wasserwerke in Hamburg haben ihre Preise zwischen 1996 und 2004 nicht erhöht. 2004 stiegen sie um 1,46 Prozent.
Die Anträge der FDP, die heute Priorität sind, würden dieses Missverhältnis nicht in Angriff nehmen. Sie gehen nicht an die Wurzeln. Die FDP will weiterhin die hohen Wassertarife von den Berlinerinnen und Berlinern bezahlen lassen, indem sie das von mir eben beschriebene Verfahren der schrägen Tarifkalkulation bestehen lassen wollen – übrigens nachzulesen auf einer der letzten Seiten. Der Gewinn, der durch diese hohen Tarife entsteht, soll den Wassermultis ausgezahlt werden, und der Anteil, den das Land bekommt, soll wieder zur Wasserpreissenkung eingesetzt werden.
[Dr. Martin Lindner (FDP): Ja!]
Das ist ein Vorschlag, dem wir Grünen nicht folgen wollen,
[Dr. Martin Lindner (FDP): Das glaube ich!]
unabhängig davon, dass wir die Rekommunalisierung der BWB für zwingend erforderlich halten. Damit nicht mehr Geld aus dem Gesamtsystem herausgezogen wird, wollen wir, dass der Anteil, den das Land bekommt, auch für Wasser ausgegeben wird. Wasser bezahlt Wasser – das ist das richtige Motto.
[Beifall bei den Grünen]
Wir wollen, dass der Landesgewinnanteil zum Beispiel ausgegeben wird für die Pflege und Verkleinerung von Rohren, für die Pflege von Brunnen, für ökologisch nachhaltige Maßnahmen wie die Umsetzung europäischer Wasserrahmenlinien,
[Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)]
für Innovation und Neuentwicklung. Vor allem wollen wir, dass Verfahren erforscht werden, wie Hormone und andere schwierige Chemikalien effektiv aus dem Wasser entfernt werden können.
[Beifall bei den Grünen]
Wasser unterhält Wasser – das ist ein Prinzip, mit dem die Wasserver- und -entsorgung gut funktionieren würden, mit dem wir hohe Trinkwasserqualität bei Tiefstpreisen für nachfolgende Generationen in Berlin erhalten könnten und mit dem wir – weil ausreichend und kontinuierlich in das Gesamtsystem investiert würde – keine Londoner Verhältnisse bekämen.
Das, verehrte FDP, was wir aus Ihrem ersten Antrag mittragen würden, wäre der Punkt 5: eine unabhängige Kommission als Genehmigungsbehörde für die Wassertarife. Der zweite Antrag, den Sie heute einbringen, widerspricht diesem Punkt 5, wie Herr Lindner vorhin schon gesagt hat. Wir wissen nicht genau, was die FDP will, weil sie nämlich in ihrem zweiten Antrag fordert, der Senat in seiner Funktion als Tarifgenehmigungsbehörde solle die flexiblen Wassertarife – diese neuen, die da vorgeschlagen werden – ermöglichen.
Was will die FDP nun, eine unabhängige Behörde oder den Senat weiterhin als Tarifgenehmigungsbehörde ansprechen? – Wir können das jetzt nicht mehr klären, wie Herr Lindner vorhin schon bemerkte. Uns ist das insgesamt zu wenig, deswegen unterstützen wir diese Anträge nicht.
[Beifall bei den Grünen]